laut.de-Biographie
Eliot Lipp
Tacoma im Staate Washington machte in den 30er Jahren Schlagzeilen: Die kleine Arbeiterstadt im Schatten des Mount Rainier wurde für den dort herrschenden Gestank berühmt, den die ansässige Papierindustrie zu verantworten hatte. Nun, mittlerweile ist das "aroma of Tacoma" weitgehend Geschichte, und obwohl die Stadt mit Bing Crosby bereits eine musikalische Berühmtheit hervor gebracht hat, bietet sie für einen jungen Instrumental-Hip Hop-Produzenten nicht unbedingt die besten Standortbedingungen.
Bereits dem heranwachsenden Eliot Lipp wird klar: Bei aller Heimatverbundenheit - hier wird das nichts. "Das Einzige, das es in Tacoma zu tun gab, war in Schwierigkeiten zu geraten. Wäre ich geblieben, ich hätte niemals Musik machen können." Eben erst 18 Jahre alt geworden, packt Eliot 1998 seine Koffer und zieht nach San Francisco. Er, der bereits vorher den Werken A Tribe Called Quests, RZAs und der Hieroglyphics verfallen ist, taucht in die Hip Hop-Szene der Bay Area ein.
Lange hält es ihn dort nicht. Eliot legt Wert darauf, nicht als eine lokale Berühmtheit zu stranden und bleibt in Bewegung. Er verlegt seinen Wohnsitz nach Chicago, schnuppert in die örtliche Clubszene und befasst sich mit elektronischer Musik. Eliot beginnt mit der Arbeit an einem Album. Wie so oft führt auch seine Suche nach neuen Sound zurück zu den Wurzeln. Als Mitglied einer jüngeren Generation sieht sich Eliot nicht mehr vor die Aufgabe gestellt, sich auf der Jagd nach geeigneten Breaks durch Berge alter Schallplatten zu wühlen. "So viele Produzenten vor mir haben diese Arbeit bereits erledigt", befindet er. "In den Breaks, die sie ausgewählt haben, steckt noch so viel mehr Leben." Eliot betrachtet als Herausforderung, aus bewährten Samples etwas Neues zu schaffen.
Eliot Lipp entwickelt einen klassischen Elektro-Sound, in dem allerdings Soul, Funk, Disco, Hip Hop und ungezählte andere Einflüsse ihre Spuren hinterlassen. In Folge glücklicher Umstände gelangt sein Material in die Hände Scott Herrens, der sich als Prefuse 73 bei Warp einen Namen gemacht hat. Herren ist beeindruckt von den in einem winzigen Appartment entstandenen Aufnahmen und veröffentlicht Eliots selbstbetiteltes Debüt im November 2004 auf seinem Label Eastern Development. Bereits vor dem öffentlichen Release-Termin vertreibt Eliot sein Album via ebay und bei Live-Shows.
Mit der festen Absicht, die Musik zu seinem Beruf zu machen, kehrt Eliot nach drei Jahren auch Chicago den Rücken. In Begleitung von Hund und Katze führt sein Weg 2004 nach Los Angeles. Am Silvesterabend kündigt er seinen Job, versucht sich fortan als Vollzeit-Musiker - und schläft vorläufig zwischen seinen Geräten im Studio. Ohnehin sieht er in Los Angeles weniger eine Heimat als eine Durchgangsstation. "In Chicago haben sie mich auch erst nach meinem Wegzug beachtet. Jetzt nehmen sie mich ernst - weil ich nicht mehr ständig verfügbar bin."
Die Klima-Umstellung erweist sich nicht als ganz so drastisch wie sie hätte sein können: Eliots erster Winter in L.A. gilt als der verregnetste seit Jahren. Erinnerungen an die Heimat kommen auf. Eliot vermisst sein Zuhause, seine Freunde in Tacoma, die in Chicago zurück gelassene Liebste. All diese Gefühle verwurstet er in seiner Arbeit und widmet sich fast ein Jahr lang den Aufnahmen zu "Tacoma Mockingbird". Gemastert wird im Spätsommer in Arizona.
Im September 2005 nimmt Eliot das Angebot des Chicagoer Labels Hefty Records an, das für sein eklektisches Sortiment von Jazz-Funk über IDM bis Postrock bekannt ist. Auf Hefty veröffentlicht Eliot zwei EPs: "Immediate Action #010" (September 2005) und "Rap Tight" (Dezember 2005). "Tacoma Mockingbird" in voller Länge folgt Anfang 2006. Eliot kommentiert: "Während meine erste Platte noch den gängigen Regeln gehorchte und denen, die vor mir kamen, Hochachtung zollte, besitzt das zweite Album meine Persönlichkeit. 'Tacoma Mockingbird', das bin ich."
Auch hier dominieren die elektronischen Klänge. Nicht ganz unbeeinflusst von Madlib, DJ Shadow und natürlich Prefuse 73 entsteht aus Breakbeats und Loops eine Liebeserklärung an Eliots Heimatstadt. Die Single "Rap Tight" erntet bereits vorab für Breaks, Melodie und oldschool 808-Funk einiges an Lob. Eliot muss mittlerweile nicht mehr im Studio wohnen; er bezieht in L.A. eine "richtige" Wohnung, die er allerdings nur selten sehen dürfte, spielt er doch so viele Live-Shows als irgend möglich – darunter im März 2006 das zehnjährige Jubiläum seines Labels Hefty in Berlin.
Ende des Jahres legt Eliot Lipp, der gleichzeitig immer wieder mit DJ-Sets und Live-Auftritten in New York City zu erleben ist, die zehn Tracks starke EP "Steele Street Scraps" nach. Er bleibt seinem Sound, der bewährten Melange aus Electronica, Hip Hop und funky groovenden Basslinien treu. Blecherner Synthie-Sound dominiert komplexe, dennoch extrem entspannte Soundflächen. Die Hefty-Kollegen John Hughes und Victor Bermon steuern je einen Remix bei. Wenngleich sich die einzelnen Tracks in ihrer Machart stark ähneln (und darin nahtlos an "Tacoma Mockingbird" anknüpfen), bietet "Steele Street Scraps" dennoch eine starke halbe Stunde anspruchsvolle Begleitmusik zu jedweder Tätigkeit.
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