laut.de-Kritik
Rhythmische und melodische Delikatessen, ertränkt in Ketchup.
Review von Dani FrommIch gestehe es besser gleich: Eliot Lipp stellt mich vor erhebliche Verständnisprobleme. Warum zum Teufel "Tacoma Mockingbird" überall unter Hip Hop einsortiert wird und nicht, was mir wesentlich eher einleuchten würde, unter ... hmm ... meinetwegen Elektro-Funk, stellt dabei noch den kleinsten Teil des Mysteriums.
Nein, das riesige Fragezeichen, das sich über mir materialisiert, steht hinter einem anderen Rätsel: Wie kann man nur derart grandiose Melodiegeflechte und phantastische Rhythmen über die komplette Länge eines Albums mit billigen, altmodischen, alles erstickenden, schrecklichste Assoziationen an die 80er Jahre weckenden Keyboardsounds versauen? Eigentlich gehörte so etwas bestraft.
"Glasspipe" hat es mir dabei noch einigermaßen angetan: Ja, zu 100% synthetisch, aber dagegen ist schließlich nichts einzuwenden. Eliot Lipp präsentiert einen vielschichtigen, verspielten Eröffnungstrack mit prima kickendem Bass. Wie gesagt: Hip Hop ist das nicht - das macht aber ja auch nichts. Bereits in der zweiten Nummer nerven allerdings die flächigen Synthies erheblich, zumal sie hier einen wahrhaft großartigen Beat so weit verderben, dass ich hinterher "Fade To Grey" im Kopf habe - das wollte ich nicht, und ich finde, ich hab' das auch nicht verdient.
In "Rap Tight" nehmen mir phänomenale Drums schier den Atem. Um mich nicht allzu sehr zu ärgern, dass auch diese mit Tönen zugekleistert sind, die aus einem schlechten Softporno stammen könnten, denke ich ein wenig darüber nach, warum dieser Track wesentlich mehr nach Hip Hop riecht, als die vorherigen. Sollte der Kerl, mit dem ich mich einst eine halbe Nacht lang über genau dieses Thema stritt, wirklich recht gehabt haben, und es liegt lediglich an der Snare auf der 2 und der 4?
Alle Ablenkungsversuche fruchten nicht: Spätestens bei "Brand New" packt mich heiliger Zorn. Wieder tolle Drums, wieder ein toller Bass, das Stück ist musikalisch um Welten zu clever angelegt, als dass man es mit einer derart flachen Draufgabe verunzieren dürfte. Einzig "Rhyme War" versöhnt mich etwas. Immerhin in der ersten Hälfte wird auf die synthetische Soße verzichtet, und minimalistischer, flackernder Oldschool-Elektrosound, wie man ihn aus frühen Videospielen kennt, kommt zur Geltung.
Der hübsche Latino-Einschlag in "Last Night", der von elektronischen Fiepen begleitete, treibende Beat von "Times Four", das intelligente Melodiegerüst in "Vallejo" - das alles rettet nicht vor dem Gesamteindruck des unerträglichen Bedauerns, den "Tacoma Mockingbird" bei mir hinterlässt. Wie verdammt schade um diese wunderbaren Versatzstücke, die in Jan Hammer-artigen Synthesizern untergehen: Delikatessen, ertränkt in Ketchup. Bäh.
Noch keine Kommentare