laut.de-Kritik
Schlager, zurückgesetzt auf Werkseinstellung.
Review von Emil DröllMan muss fast schon dankbar sein: Eloy de Jong serviert kein Geburtstags-Best-Of, kein Cover-Album, keinen Remix-Marathon. Stattdessen: neues Material. In der Welt des Schlagers ist das beinahe schon ein revolutionärer Akt. Eloy singt über Liebe, Zusammenhalt, Abschied und Hoffnung, und das immer mit dem Pathos-Regler auf Anschlag. Es ist ein bisschen wie ein Drei-Gänge-Menü, bei dem jeder Gang aus Zuckerwatte besteht. Der Kellner: Eloy de Jorg im hellgrauen Anzug, der einem aufgesetzt lächelnd aus dem offenen Meer entgegen stapft.
Das Album startet mit dem Titeltrack "Stärker", und man möchte es auch selbst sein, nach dieser Textzeile: "Was dich nicht umbringt, macht dich nur noch stärker". So viel Kalenderweisheit in einem einzigen Song, da fühlt man sich schon nach dem ersten Refrain wie ein mentaler Bodybuilder. Und trotzdem: musikalisch ist der Einstieg überraschend okay: leichtfüßig produziert, sauber gesungen, melodisch eingängig. Textlich allerdings bleibt alles erwartbar wie ein Regenbogen nach dem Sommerregen. Schön für den WhatsApp-Status, aber halt auch ziemlich durchschaubar.
Dann kommt "Alles Okay". Leider nicht. "Auch wenn du mal fällst, dann steh wieder auf und mach dir nichts draus". Dazu Synthie-Schlager auf Anschlag. Fair produziert, aber textlich fühlt man sich mit Bambi und einem animierten Eloy de Jong im Disney-Film gefangen. "Hätt Ich Noch Einen Tag" versucht sich als große Ballade, mit Piano, Gitarre und wieder einer Prise Disney-Drama. Gesanglich stark, aber der niederländische Akzent macht's schwer, das Ganze ernst zu nehmen. "Keiner Hält Uns Auf" holt dann endgültig die Katze aus dem Sack. Zeilen wie "Losgelöst wie Major Tom" oder "Auf der linken Spur mitten ins Leben" klingen wie aus einem Schlager-Textbaukasten, in dem das Wort "Gefühl" leider falsch geschrieben war.
Bei "Bis Du Wieder Da Bist" übernimmt der Akzent auch wieder – diesmal in einer kitschigen Abschiedsballade, samt Gitarrensolo. Ja, sogar das hat sich hierher verirrt. Aber selbst das rettet nicht, was wie ein vertonter WhatsApp-Status klingt. Spätestens bei "Erinnerung" setzt die Schlager-Müdigkeit ein. "Jetzt streich ich dir durch dein graues Haar", damit ist die Zielgruppe endgültig klar. Aber Moment: "Grenzenlos Frei"? Überraschend feierbar! Der Text bleibt natürlich harmlos wie eh und je, aber der Song hat Sommerhit-Potenzial, wenn auch nur in Wohnzimmern, in denen HR4 läuft.
"Im Radio" ist ebenfalls ein heimlicher Hit. Leichtfüßig, charmant, völlig belanglos – aber genau das funktioniert hier mal. "Immer Vorm Schlafengehen" klingt wie der Versuch, das Album ruhig ausklingen zu lassen. Gelingt auch, denn nach zwölf Songs hat man genug emotionale Weichspülerdosis für die Woche. Das Album bleibt textlich im Niemandsland der Schlager-Gleichförmigkeit. Von Persönlichkeit keine Spur – dafür viel kalkulierte Massenkompatibilität. Die "tiefgreifenden Botschaften", wie es in der Pressemeldung zum Album glorreich heißt, kann man lange suchen.
Einige Songs sind solide produziert, manche sogar eingängig. Doch insgesamt klingt das Album wie ein musikalisches Fertiggericht: warm, weich und ohne echte Würze. Zwei Sterne – einer für den Mut, kein Remix-Album zu machen, der andere für zwei, drei Songs, die tatsächlich Spaß machen. Der Rest: bitte einfach mal was wagen. Aber ganz ehrlich, wer Eloy de Jong hört, weiß, worauf er sich einlässt. Seine Fans suchen keine musikalische Revolution, sondern Trost, Herzklopfen und ein bisschen Glitzer im Alltag. Und das liefert er mit voller Überzeugung. Vielleicht ein bisschen zu viel davon.
Es ist Schlager mit angeklebtem Lächeln und Playlist-tauglicher Gleichförmigkeit. Wer sich fallen lassen will in eine Welt ohne Zweifel, dafür aber mit Reimketten aus dem Poesiealbum, bekommt hier exakt das geliefert. Für alle anderen bleibt immerhin ein Funke Kuriosität – oder die Erkenntnis, dass auch überzuckerte Klangwelten ihre Daseinsberechtigung haben.
3 Kommentare mit 3 Antworten
Wo bleibt die Review zu Böse Wörter?
Dröllige Review!
Nein, nein und nochmals NEIN. Der Review fehlt der Blick für die (Un-)Tiefen, für den Kern des Ganzen. Vielleicht ist der Rezensent auch nicht ego- bzw. laut.de-Kommentatorenbereich-zentrisch genug. Dabei ist es doch offensichtlich: Das Album bespielt den laut.de-Kosmos mit Schwerpunkt Kommentare, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Beispiele:
"Auch wenn du mal fällst, dann steh wieder auf und mach dir nichts draus", sowie "Losgelöst wie Major Tom", sind Hommagen an das "even loster than lost"-Wiesel.
"Bis Du Wieder Da Bist", ist ein tiefgründige Durchhalteparole und ein Comebackbitte an Chris was gebacken UND Capsi, möglicherweise auch Tooli.
"Jetzt streich ich dir durch dein graues Haar", bespielt im nachdenklichen Ton den lautuser und die Altvorderen.
"Auf der linken Spur mitten ins Leben", ist - ihr merkt es spätestens jetzt selbst - ein Nachruf bezüglich Tooli, ein Anruf bei Ragi, ein Abgesang auf die lebensfeindlichen Positionen der neurechten Nachwuchskommentatoren, es ist einfach ALLES.
Ersetze in dem schönsten Satz der Review, der alles rausreißt: "Seine Fans suchen keine musikalische Revolution, sondern Trost, Herzklopfen und ein bisschen Glitzer im Alltag." "Seine Fans" durch "Die laut.de-Kommentatoren" und du hast den Kommentarbereich durchgespielt. Danke, Eloy de Jong, Danke, Emil Dröll!
Sehr schön! Und gäbe es dazu ein passendes Musikvideo, sähe das in etwa so aus:
https://www.youtube.com/watch?v=1VQ_3sBZEm0
Ein Album das Oomphie einfach vergisst hat in meinen Augen eine -1 von 5 verdient und kann ungehört weg.
"Immer vorm Schlafengehen" ganz klar eine Ode an die Kuhkatze ♥ Danke Eloy! aofty