Porträt

laut.de-Biographie

Jalen Ngonda

Irgendetwas musst du richtig gemacht haben, wenn dir eine Soul-Ikone wie Martha Reeves attestiert: "Du bist ganz schön jung, um SO den Blues zu spielen." Jalen Ngonda betrachtet den Kommentar als Ritterschlag, dabei ist der Blues nur eine der vielen Komponenten, die in seine Musik einfließen. Ihr Hauptbestandteil: purer Soul.

Jalen Ngonda - Come Around And Love Me Aktuelles Album
Jalen Ngonda Come Around And Love Me
Marvin Gayes verlorenes Album.

"Ich liebe die Musik des 20. Jahrhunderts", erklärt er. "Ich höre sie die ganze Zeit. Aber ich lebe in dieser Welt und im 21. Jahrhundert. Wenn ich meine Musik einem Fremden gegenüber erklären müsste, würde ich sie als modernen Soul und R'n'B beschreiben, während ich gleichzeitig versuche, mich irgendwo zwischen den Beach Boys und den Beatles einzureihen." Gut, dass sich der Mann vor großen Vorbildern nicht zu fürchten scheint: Sein Gesang beschert im, vollkommen zu Recht, immer wieder Vergleiche mit Marvin Gaye.

Jalen Putteho Ngondas musikalischer Werdegang könnte klassischer kaum aussehen: Geboren und aufgewachsen am Rand von Washington, D.C. verfällt er mit elf Jahren dem Zauber der Plattensammlung seines Vaters. Blues, Gospel, Rock, Jazz findet er da, und jede Menge Soul. Offenbar froh über das dankbare Publikum, lässt sein Dad Jalen an seiner Musikbegeisterung teilhaben, und der Junge saugt alles auf wie ein Schwamm.

Das bloße Zuhören genügt Jalen nicht lange, er will selbst ran. Die ersten eigenen Songs schreibt er mit 14. Geigenunterricht hatte er bereits als Grundschüler, später kommen Gitarre und Klavier dazu, letzteres bald gut genug, um in der Kirche an der Orgel zu sitzen. Das Engagement zahlt sich für ihn tatsächlich aus: Ganz im Sinne der christlichen Maxime, der zufolge Geben seliger denn Nehmen ist, sammelt die Gemeinde Geld, um ihrem jungen Organisten die Ausbildung am Liverpooler Institute for Performing Arts zu ermöglichen. Dort verfeinert Jalen unter anderem seine Gesangsskills und bringt es zu einer wahrhaft beeindruckenden Kombination aus überbordenden Emotionen und Stimmkontrolle.

Doch warum eigentlich Liverpool? Er liebe die vielfältige musikalische Szene seiner Heimatstadt, erklärt Jalen Ngonda 2015 beim Bonnaroo Festival seiner Interviewerin. "Die Jazz-Szene dort hat mich sehr beeinflusst, nach Detroit zu Motown ist es nicht weit, zu Stax auch nicht." Trotzdem habe er nicht im Saft der eigenen Bubble simmern wollen. 2014 zieht er nach Großbritannien.

"Eine Menge Musik der 60er und 70er kommt aus dem Vereinigten Königreich", so Ngonda gegenüber House of Sand. "Die Stadt hat definitiv auch einen Einfluss auf meine Musik." Zudem, so Ngonda ganz bodenständig, vermisse er zwar das vertraute Essen und US-amerikanische Fernsehshows, liebe aber das englische Nachtleben, die Parks und Pubs und nicht zuletzt die billigen Taxis.

Beruflich starten die Dinge bestens für Jalen Ngonda. Er veröffentlicht 2018 die EP "Talking About Mary", tourt als Support Act und als Headliner, steht unter anderem mit Lauryn Hill und der, wie wir bereits wissen, begeisterten Martha Reeves auf der Bühne, etwa beim Jazz Festival in Montreaux.

Ein Auftritt bei Jools Holland bringt den nächsten Stein ins Rollen: Hier lernt Jalen Ngonda Neal Sugarman kennen, den Mitbegründer von Daptone Records. Dass er dort bestens hinpasst, liegt auf der Hand, es ist entsprechend schnell beschlossene Sache: Ngondas Debüt-Album soll das Daptone-Logo tragen. Die euphorische Aufbruchsstimmung bekommt allerdings einen herben Dämpfer: Covid-19 legt viele Aktivitäten zunächst auf Eis.

Allerdings lässt sich ein Soul-Train nicht so leicht stoppen: Jalen Ngonda schafft es trotzdem irgendwie in die Hive Mind Studios nach Brooklyn und beginnt zusammen mit Mike Buckley und Vincent Chiarito zu schreiben, zu produzieren und aufzunehmen. Dem Resultat hört man durchaus an, dass seine beiden Kollabo-Partner Mitglieder der Extraordinaires waren, die einst Charles Bradley den Rücken frei gehalten haben. Die fantastischen Musiker aus dem Daptone-Kosmos tun das Übrige dazu, dass "Come Around And Love Me" von vorne bis hinten klassischen Soul atmet.

"Ich habe Burt Bacharach gehört, die Beach Boys, eine Menge 60er- und 70er-Zeug", so Jalen Ngonda gegenüber The Mind Map, "und Marvin GayWhat's Going On'." Besonders letzteres hat seine Spuren hinterlassen: Man könnte angesichts von "Come Around And Love Me" leicht auf die Idee kommen, jemand hätte unter irgendeinem Dielenboden in Berry Gordys Haus die verlorengegangene Aufnahme eines Marvin Gaye-Albums von 1971 gefunden: vielleicht nicht hundertprozentig am Puls der Zeit, aber wunderschön.

Was für ein sympathischer, geerdeter Zeitgenosse Jalen Ngonda ist, spricht übrigens aus seiner Vorstellung von einem perfekten Tag, an der er ebenfalls gegenüber The Mind Map teilhaben ließ: "Ich wache an einem warmen, sonnigen Tag mit dem Duft eines Frühstücks in der Nase auf, das schon auf mich wartet. Dann geh' ich mit Freunden und Familie raus, auf ein paar Drinks in den Pub. Dann wechseln wir in den Plattenladen, und dort finde ich 'Guess I'm Dumb' von Glen Campbell, in makellosem Zustand, aber für kleines Geld. Damit gehen wir alle zu mir, hören die Platte wieder und wieder und tanzen dazu. Und dann bestellen wir uns einen Berg Essen und gucken 'Mad Man'" Sagt, was ihr wollt: Der Mann weiß, wie man lebt.

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