laut.de-Biographie
Kora Winter
Als "Turbostaat auf Steroiden" bezeichnet Sänger Hakan Halaç die Musik von Kora Winter und benennt damit gleich einen seiner Haupteinflüsse. Dazu kommen vor allem zu Beginn die Mathcore-Combos The Dillinger Escape Plan und Exotic Animal Petting Zoo. Kein Wunder, dass dabei am Ende eine ziemlich eigene Mischung herauskommt.
Im Januar 2015 blühen Kora Winter erstmal richtig auf. Nur wenige Monate nach Gründung im vorherigen Sommer veröffentlichen sie in Eigenregie ihre erste EP "Blüht". Halaç textet von Beginn an auf Deutsch, was in der Heavy-Szene auch Jahre später noch eher die Ausnahme bleibt.
Gefunden haben sich die Bandmitglieder zu Jugendzeiten. Halaç und Gitarrist Ferhan Sayili kennen sich bereits seit der Kindheit, gingen später auf dieselbe Schule wie die etwas älteren Maximilian Zumbansen (Schlagzeug) und Yuki Bartels (Gitarre). Als die jeweiligen Vorgängerbands Monoton Polyphon und Moons Of Mercury zerfallen schließen sie sich trotz unterschiedlichen Alters zusammen. Den Bass übernimmt Karsten Köberich, ein Studienfreund von Bartels.
Bereits kurz nach der Veröffentlichung von "Blüht" treten Kora Winter beim Euroblast Festival auf – es ist ihre zweite Show überhaupt. "Wir waren sehr scheiße", gesteht Halaç Jahre später dem Metal Hammer. "Aber wir haben nach Between The Buried And Me gespielt. Ein Ritterschlag, den niemand mitbekommen hat. Ab der Show sind wir irgendwann gut geworden."
Daran arbeitet die junge Band fortan auch kontinuierlich. Unter anderem eröffnen sie in den Folgemonaten Konzerte für The Hirsch Effekt, Rolo Tomassi und Jinjer. Im Frühling 2017 folgt die zweite EP "Welk", erneut zwei Jahre später das Debütalbum "Bitter", wofür sie Nikita Kamprad (Der Weg Einer Freiheit) als Mischer gewinnen. Halaç spielt inzwischen auch solo unter dem Namen Haxan und produziert düsteren Rap sowie als Nola The Galgo chillige Ambient-Beats. Beide Projekte erscheinen über das Band eigene Label aufewigwinter.
Überhaupt agieren Kora Winter größtenteils im DIY-Modus: Egal, ob Musik, Produktion, Artworks oder Merch – alles bleibt in eigener Hand. Entsprechend kompromisslos fallen die Resultate aus. Und man kann sich zwischendurch auch mal leisten, einen bekannten deutschen Schauspieler anzuschreien, wenn der Mist baut. So geschehen 2021 während der Covid-19-Pandemie mit "Jan Josef Liefers, Halt Dein Gottverdammtes Maul", was Haxan einen kleinen Viralmoment beschert. Mit den Einnahmen sammeln Kora Winter Spenden für die Organisation des Volksentscheids "Deutsche Wohnen & Co. enteignen".
Die sozialkritische Ader zieht sich auch im weiteren Schaffen der Band durch. Während der Pandemie schrauben Kora Winter am zweiten Album und stellen es schließlich 2023 fertig. Gefördert von der Initiative Musik erscheint "Gott Segne, Gott Bewahre" im November, begleitet von ihrer bislang größten Tour durch Deutschland. Zwischenzeitlich überschattet noch ein unschöner Zwischenfall im Heide Park Resort die musikalische Seite der Band, weil Gitarrist Sayili dort von einer Security-Kraft rassistisch angegangen wird, die sich von Sayilis Pabst-Shirt mit der Aufschrift "Punch A Nazi" persönlich angegriffen fühlt.
Mit Rassismus beschäftigen sich Kora Winter indirekt auch auf "Gott Segne, Gott Bewahre". Mit dem Album machen sie eine migrantische Perspektive in der deutschen Metalszene sichtbar. Das gelingt, ohne zu predigen – und hin und wieder mit der richtigen Prise Humor, wie der Blick auf die Musikvideos zeigt: Während mal zwar kanalisierter Schmerz und Selbstzweifel ernsthaft-eindrücklich in Form einer BDSM-Metapher visualisiert werden, mampfen sie in einem anderen Clip Marmelade-Brot.
"Wir sehen uns nicht in der Position, für alle Migras zu sprechen, aber haben lange überlegt, ob und wie wir unsere Perspektive sichtbar machen können", erklärt Haxan. "Wir wollen den Frust, die Anspannung und vererbte Traumata sichtbar machen, die Migras aus sämtlichen Ländern in jeden Tag mit sich tragen, während wir genau wie alle anderen versuchen, das Privileg anzuerkennen und zu nutzen, welches viele unserer Elterngenerationen uns gegeben haben."
Schon zuvor wünscht er sich im laut.de-Interview:
"Ich würde gerne mehr Kanaken-Metal- und Hardcore-Bands sehen. Wenn ich und eine Handvoll weiterer PoC in Bands nicht mehr die einzigen in Deutschland wären, wär' ich schon happy. Dann wären vielleicht auch ein paar neue, spannende Sichtweisen hier vertreten." Kora Winter jedenfalls bieten eine.
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