laut.de-Kritik
Trotz Michael Stipe: Die Legende ist am Ende.
Review von Michael Schuh"Erwarten Se Nix" hieß es anno dazumal bei Hape Kerkeling. Ein schöner Albumtitel, so lange der Inhalt Gegenteiliges bereit hält. Wobei es sogar noch halbwegs lustig wäre, wenn der Inhalt tatsächlich mau ist. Die New York Dolls allerdings, ein vor 34 Jahren im Big Apple aus fast vergessenen Gründen gefeiertes Drag-Rock-Phänomen, nannten ihr Comebackalbum nicht etwa wahrheitsgemäß "Expect Nothin'", sondern erschufen den nun wirklich oberlächerlichen Wurmfortsatz "One Day It Will Please Us To Remember Even This".
Zu deutsch: Eines Tages freuen wir uns daran, wenn wir uns sogar an das hier erinnern. An diesen Stumpfsinn, möchte man ergänzen. Was um alles in der Welt sich Morrissey auch dabei dachte, als er die Jungs 2004 noch mal für ein Konzert in London zusammen trommelte, mit dem Ergebnis müssen nun leider wir leben. Vielleicht ist es live ja sogar noch erträglich, wenn die Band ihre alten Knaller der Sorte "Subway Train" oder "Human Being" aus den Karnevalsklamotten schüttelt. Doch zum einen hat der erwähnte Ex-Smiths-Barde beide Tracks eh schon elegant in sein eigenes Live-Repertoire übernommen und außerdem ist von den neuen Songs exakt ein einziger auszuhalten.
"Dance Like A Monkey" darf entgegen nachvollziehbaren Befürchtungen dank seinem treibenden Grundrhythmus und den erstaunlich harmonischen Gesangslinien auf der Habenseite verbucht werden. Ansonsten beschmutzen die Dolls mit dem legendären Lippenstift-Schriftzug auf dem Cover nur ihr eigens errichtetes Denkmal. Da spielt es auch überhaupt keine Rolle mehr, ob Mick Jagger seinerzeit wirklich alles von Dolls-Sänger David Johansen abgeguckt hat oder nicht, denn die ach so reaktionären Stones bringen heute mit "Rough Justice" klar den cooleren Rock-Opener an den Start. Dagegen wirkt das hier vertretene "We're All In Love" mit seiner bemüht in den Vordergrund geschobenen Blues-Harp so frisch wie ein neues Mötley Crüe-Album, noch so eine Band, die vor allem aufgrund ihres Boulevardcharakters zu Ruhm gelang.
Statt ins politische Geschehen einzugreifen, machen die Dolls vielmehr da weiter, wo sie vor drei Jahrzehnten aufgehört haben: bei Songs über Frauen, Zigaretten und schicken Outfits. Was nicht schlimm ist, so lange man dabei nicht wie eine abgestandene Version eines Zwitters aus Iggy Pop und Aerosmith klingt. Grottensongs im glatt gebügelten Rhythm'n'Blues-Format finden sich hier jedenfalls zur Genüge (schwer ans Herz gehen gleich die ersten drei), und wenn Sänger Johansen dann auch noch Refrains singt wie "I hear plenty of music / I see through purple with beauty", dann wünscht man sich nichts sehnlicher, als dass er es endlich wieder beim Musikhören beließe.
Von der Originalbesetzung, in diesem Zusammenhang vielleicht nicht ganz unwichtig zu erwähnen, leben heute nur noch zwei Mitglieder, vier sind bereits tot. Einer davon, Bassist Arthur "Killer" Kane, stand sogar noch 2004 beim gefeierten Comeback in London auf der Bühne. Es ist schwer vorstellbar, dass das Gründungsmitglied diese Sammlung rostiger Altherrenstücke mitgetragen hätte, andernfalls wäre Kane sein Aka jedenfalls los gewesen. Und die Hoffnungen des Gitarristen Sylvain klingen schon wie Wahnvorstellungen: "Es kümmert mich nicht, ob die Platte ein Hit wird. So lange sie jeder kauft."
Vergiss es, Alter. Der Niedergang einer Legende steht auf dem Programm. Trotz Michael Stipe, der auch auf einem Song mitsingt. Wer den Song errät, darf mir gerne mailen und dieses Stück Plastikvergeudung in Empfang nehmen. Porto geht aufs Haus. So, ich geh jetzt Stones hören.
Noch keine Kommentare