Curtis Mayfield - "There's No Place Like America Today"

Man sollte Bücher ja eigentlich nicht nach ihrem Einband beurteilen, und Platten entsprechend nicht nach dem Cover, doch in diesem Fall lässt bereits die Verpackung tief blicken. Das Artwork von Curtis Mayfields siebtem Studioalbum basiert auf einer ikonischen Fotografie der amerikanischen Reporterin Margaret Bourke-White, die sie mit "At the time of the Louisville flood" betitelte. Nur den Slogan hatte Mayfield leicht abgewandelt, aus dem Original "There's no way like the American way" machte er "There's No Place Like America Today".
Abgesehen von dieser minimalen Textvariation verwendete er das Bild quasi so, wie es war: Vor einer riesigen, bunten Werbetafel, die übergroß wohlgenährte, aufgebrezelte (klar weiße) Menschen in einem schnieken Straßenkreuzer zeigt, stehen aufgereiht, mit Taschen und Körben ausgerüstet, die richtigen, echten (und natürlich Schwarzen) Leute Schlange, wie es aussieht, vor einer Essensausgabe. Die Reklame würdigen sie dabei aus guten Gründen keines Blickes, haben sie doch offensichtlich ganz andere Sorgen und ohnehin nicht die nötigen Mittel, um zu erwerben, wofür auch immer die Plakatwand wirbt. Schon hier zeigt sich die Kluft zwischen dem überall beschworenen American Dream und der harten Realität auf den Straßen. Die Schere zwischen Arm und Reich, Schwarz und Weiß, zwischen denen, die sich Hochglanz-Luxus leisten können, und denen, die nicht, klafft weit auseinander. Soziale Sprengkraft garantiert. Wenn dann gleich der erste Song eine Geschichte von Knast, Gewalt, Mord und Tod erzählt, weißte Bescheid.
Als Produkt seiner Entstehungszeit bezeichnete Curtis Mayfield dieses Album einst selbst, er habe die Songs inspiriert von aktuellen Geschehnissen geschrieben. Der wirtschaftliche Abschwung nach der Ölkrise, der (wie eigentlich immer) die Ärmsten doppelt hart traf, hatte Spuren hinterlassen, in den Leben der Menschen wie in der Kunst. Dass Mayfield in Gospel, Soul und Funk verpackte, was ihn umtrieb, ist wohl ebenfalls den Umständen geschuldet. Wäre der Mann nicht zu früh dafür geboren, er wäre Straßenrapper geworden, jede Wette. Gut möglich, dass es sich bei "There's No Place Like America Today" um sein unterschätztestes Album handelt. Auch wenn der Titel weit weniger geläufig ist, muss sich das Werk neben dem überragenden "Super Fly" weder inhaltlich noch musikalisch verstecken.
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