Wie vier Working Class-Kids aus Birmingham den Heavy Metal erschaffen haben: Geezer Butler rollt seine Black Sabbath-Story auf. Ein Rückblick auf fünf Jahrzehnte Bass, Drugs, and Veganism.
Birmingham (gbi) - Tony Iommi und Ozzy Osbourne haben vorgelegt, nun veröffentlicht auch Geezer Butler seine Memoiren, "Into The Void" (Harper Collins Publishing, 288 Seiten, 15,70 Euro, auf Deutsch erschienen unter dem Titel "Into The Void. Mein bizarres Leben vor, während und nach Black Sabbath" im Hannibal-Verlag). Der Bassist gibt auf gut 275 Seiten seine Sicht auf den Aufstieg und Zerfall der wohl wichtigsten Band in der Geschichte des Heavy Metal wieder, deren Namen er höchstselbst ersonnen hat: Black Sabbath.
Da Butler nie im Zentrum des Bandrummels stand, bietet sich für Fans jetzt eine superbe Gelegenheit, den Mann hinter den doomig grollenden Basslines und den meisten Lyrics der Band besser kennenzulernen. Das Buch bietet zahlreiche interessante Einblicke und Episoden. So bewahrheitet sich etwa, dass die okkulten Texte, die einen Gutteil der Magie von Sabbath ausmachen, keineswegs als Gimmick gedacht waren. Butler macht keinen Hehl daraus, dass er ein Faible für Esoterisches und das Übernatürliche hat.
Prominentes Beispiel hierfür liefert eine Vision, die er im Alter von sechs Jahren eines Nachts hatte: Ein langhaariger Mann mit silberfarbenen Stiefeln, der auf einer Bühne Gitarre gespielt habe, sei ihm erschienen. Ein Blick in die Zukunft. Aber: "How could a working-class kid from Birmingham have a vision that he was destined to be a rock star, when rock stars didn't even exist in the 1950s?", nimmt er skeptischen Geistern die Worte aus dem Mund. "Well, that's exactly what I saw. And not just the once."
Ein Kind seiner Zeit
Geezer kommt als Terence Michael Joseph Butler am 17. Juni 1949 in Aston, einem Stadtteil von Birmingham, zur Welt. Er ist das jüngste von sieben Kindern, seine Eltern schlagen sich als katholische Zuzüger aus Dublin so durch. Wohlstand ist im England der Nachkriegszeit nirgends auszumachen, und Birmingham ist ein besonders tristes Pflaster, das zeigen die Schilderungen eindrücklich.
Bettwanzen sind ein ständiges Ärgernis, es gibt keine Heizung im Familienheim, die Badewanne wird bei Bedarf auf- und abmontiert, dafür gibt es immerhin ein Klo, wenn auch im Garten. Abwischen muss sich der kleine Geezer den Hintern mit Zeitungspapier. Für den passionierten Fußballfan - seine Liebe zum Verein Aston Villa zieht sich durch alle Lebensphasen hindurch - bedeutet es jeweils ein diebisches Vergnügen, wenn ein Spieler von Birmingham City oder West Brom abgebildet ist.
Den Großteil des Buches nimmt natürlich die Karriere von Black Sabbath ein, die Geezer über weite Teile miterlebt hat. Er war aber nicht immer Teil des Line-ups. Die abenteuerlichen Anfänge, als Tony, Ozzy, Geezer und Drummer Bill Ward in einer verlotterten Karre, unter deren Beifahrersitz ein riesiges Loch klafft, von einer Stadt in die nächste tingeln, ausgebuht, mit anderen Bands verwechselt werden und in Prügeleien geraten, lesen sich wie heutzutage wie eine abgehangene Rockband-Parodie. Aber Sabbath haben das Ganze nun einmal miterfunden, und der 74-Jährige blickt mit Humor und Gelassenheit auf die Bandhistorie zurück.
Auch die Alben mit seinem Zutun nimmt er kritisch auseinander: "A couple of songs on 'Technical Ecstasy' are just terrible", schreibt Butler, und schont sich selbst keineswegs: "I came up with the riff on 'Gypsy', which is the worst track of the album. Just the title makes me cringe - and the record company put it out as a single. Suffice to say, it didn't sell as many copies as Boston's 'More Than A feeling'."
Tomatensandwiches und Alkohol
All die Drogen-, Suff- und sonstigen Eskapaden der Bandhistorie sind Black Sabbath-Fans natürlich bestens bekannt, doch Butlers Sicht offenbart dennoch Neues. Wie er seine Frau Gloria überhaupt nur kennenlernen konnte, weil er sich weigerte, wegen der alkoholbedingt außer Kontrolle geratenen Hygiene seiner Bandmates weiterhin im Tourbus zu reisen. (Falls ihr euch fragt: Bill Ward soll hackedicht überall hingereihert haben.)
Wie er als Veganer in den Achtzigern teils wochenlang von Tomatensandwiches und Erdnüssen zehren musste, was, in Kombination mit einer ganzen Flasche Whiskey (oder literweise "German beer", wenn im Lande) auch mal ziemlich übel endete. Butler nimmt für sich in Anspruch, er habe nie mit dem Konsum seiner Bandkollegen mithalten können. Ein Kind von Traurigkeit war er gleichwohl nie. Wer gerät schon mit über 70 Jahren noch im Suff in eine Kneipenschlägerei?
Es steckt richtig viel Lesenswertes in dem Buch. Besonders besticht Butler mit seiner Offenheit. Die zahlreichen Besetzungswechsel und stilistischen Experimente etwa, die Black Sabbath über die Jahrzehnte durchgemacht haben, versucht er nicht einmal zu verteidigen. Für Geezer sind einzig die Original-Sabbath wert, den Bandnamen zu tragen. Erst nach dem Tod von Sänger Ronnie James Dio im Jahr 2010 habe er sich auch mit dem Dio-Line-up angefreundet, gesteht er, und dürfte damit so manche Fan-Debatte neu befeuern.
Pflichtstoff für Sabbath-Fans
Die Lektüre von "Into The Void" lohnt sich selbst dann, wenn man die Memoiren der anderen Bandmitglieder schon durch hat. Butler positioniert sich als Autor irgendwo zwischen seinen beiden Vorgängern. Iommi geht in seinem Buch als Bandchef und einziges permanentes Mitglied in typisch unterkühlter Art des "Iron Man" vertieft auf die Geschichte hinter allen Alben und Touren ein. Ozzy dagegen liefert als Larger-than-Life-Figur eine Punchline-geladene Anleitung zu Wahn und Exzess, die jeden Comedian blass aussehen lässt.
"Into The Void" wiederum überzeugt auch mit dem Fokus auf die von Armut und Perspektivlosigkeit geprägte Welt, in der die Sab Four aufgewachsen sind. Die junge Band hatte nicht einmal Geld für Drumsticks oder Basssaiten übrig, sollten die eingesetzten Materialien einmal zu Bruch gegangen sein. Butler erzählt, wie er seine Saiten nachts in kaltes Wasser einlegte, weil es hieß, sie würden so länger halten. Einfach irre aus heutiger Perspektive. "Any other band would have given up years earlier, if what was thrown at us was thronwn at them. That's what a tough upbringing in Aston does for you, makes you tough as old boots."
Man hätte sich wohl noch die eine oder andere Info mehr zur Entstehung seiner sträflich vernachlässigten Soloalben gewünscht, was seine musikalische Vision dahinter war und wie sie zustande kamen. Aber das fiel wohl dem Kürzungsprozess zum Opfer: Das Originalmanuskript war laut Interviewaussagen von Butler gut dreimal so lang wie das fertige Werk. Ansonsten aber bietet "Into The Void" bestes Lesevergnügen für alle, die sich auch nur ansatzweise für die Metal-Pioniere interessieren.
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3 Kommentare
Bester Mann, hat mein Bassspiel maßgeblich beeinflusst. Wird gekauft.
Klingt nach einer interessanten Ergänzung zu Tony iommi's und Ozzy's Autobiographie
Geezer!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!