Farin Urlaub macht Ernst: Im Schwarzkopf und Schwarzkopf Verlag erschien mit "Unterwegs 1: Indien und Bhutan" ein 500 Seiten dicker Wälzer, der einen unterhaltsamen Einblick ins Freizeitvergnügen des Ärzte-Sängers gibt.
Konstanz (mis) - Zuerst die gute Nachricht: Man muss nicht in Indien oder dem Königreich des Donnerdrachens Bhutan gewesen sein, um Farin Urlaubs erste Bildbandveröffentlichung hoch interessant und faszinierend zu finden. Auf 500 Seiten (Schwarzkopf und Schwarzkopf, 750 Farbabbildungen, großes Querformat 24x30 cm, geschätzte fünf Kilo) legt der große Blonde einen Reisebericht der besonderen Art vor.
Die schlechte Nachricht ist eigentlich gar keine: Zwar dürfte der Preis von 98 Euro für den Geldbeutel des durchschnittlichen Die Ärzte-Hörers durchaus ein finanzielles Wagnis darstellen, gerechtfertigt ist er in jedem Fall. Mit für Hobbyfotograf-Verhältnisse scharfem Blick hält Urlaub auf seinen Fotos Stimmungen und Eindrücke seines Trips in einer Weise fest, die auch Nichteingeweihte in den Bann ziehen.
The world is like a mask dancing. If you want to see it well you do not stand in one place." (Chinua Achebe)
Sechs Monate lang tauschte der Musiker das Leben mit seiner Band im Nightliner mit einem Geländewagen und erkundete auf eigene Faust den indischen Kontinent. Urlaubs eigene Ansprüche gepaart mit der Drohung seiner Schwester, um Himmels willen nicht ausschließlich Sonnenuntergänge zu fotografieren, führten zu einer leidenschaftlichen Ansammlung von Momentaufnahmen verschiedener Bevölkerungsschichten, Landschaften und Gebäuden, die den Zwiespalt des bevölkerungsreichen Landes zwischen Tradition und Moderne darstellen.
Die in ausführlichem Tagebuchstil gehaltenen Texte, mit denen Urlaub seine Fotos versieht, lockern das Lesevergnügen in ähnlicher Weise auf, wie in einem Ärzte-Konzert die Konversationspassagen zwischen den vorgetragenen Songs.
Lexikalische Faktenangaben mischt der Autor mit persönlichen Anekdoten und Eindrücken, die in dieser Form wohl kein üblicher Reiseratgeber zu bieten imstande ist. Dabei lässt er an keiner Stelle den Eindruck aufkommen, sich als gut situierter Westeuropäer der Armut der indischen Bevölkerung zu bedienen.
Stets begegnet er den Einheimischen auf Augenhöhe, paart Entdeckergeist mit jugendlicher Begeisterung (gut, alles andere wäre bei Farin auch eine echte Enttäuschung gewesen) und schämt sich des Öfteren für den eigenen Wohlstand, etwa wenn ihm im Himalaya-Hochgebirge bei Minusgraden ärmste Bergdorf-Einwohner bei einer Autopanne zu Hilfe eilen oder wenn er in einem verlassenen Wüstendorf nahe der pakistanischen Grenze die freundlichsten Einwohner Indiens verortet.
Natürlich ist auch im privaten Farin ein wenig vom öffentlichen Urlaub drin. Ob dies in Kommentaren über das heilige Gangeswasser ersichtlich wird ("Ob es wohl Diarrhö oder Erleuchtung bringt?"), in Gedanken über den Zusammenhang zwischen dem steigenden Anteil von Privatwagen am Gesamtverkehrsaufkommen und immer günstigeren Modellen ("Da wird sich das Weltklima richtig freuen") oder anhand zahlreicher selbstironischer Spitzen. Und im Jeep laufen übrigens die Foo Fighters ("Times Like These").
Dass sich derart viele Menschen unterschiedlichster Kasten und Ethnien von dem Berliner ablichten ließen, dürfte derweil auch damit zusammen hängen, dass man sich als mittelloser Pilger, Barbier oder Rikschafahrer nicht dem Charme eines weißen 1.94 Meter-Hünen samt Killer-Lächeln entziehen kann.
Tempel, Paläste, Gottheiten, Wochenmärkte, Gebetsmühlen, Stoffteppiche, Lehmhütten, Küstenabschnitte, Bergpässe, Wasser führende und ausgetrocknete Flussbette, Tiere, Pflanzen, Inseln und schließlich doch Sonnenuntergänge, "Unterwegs 1: Indien und Bhutan" ist eine einzige Farbsafari.
Für das eigene Urteil ist es letztlich völlig irrelevant, ob man Fan des Musikers ist. Hierin liegt wohl auch die marketingtechnische Herausforderung dieser Veröffentlichung. Für die Musikabteilung der Buchhandlungen zu teuer, für die Reiseführer-Sektion trotz besonderem Format thematisch zu unoriginell, dürfte es der Verlag mit der Zielgruppe schwer haben.
Der in den Buchtitel integrierte Zusatz "Unterwegs 1" lässt dagegen bereits in die Zukunft blicken. Farin Urlaub-Fans sollten besser jetzt schon mit dem Sparen beginnen.
51 Kommentare
Ich würde mir nie so nen Wälzer kaufen. Damit kann man ja Leute erschlagen!
98 € ist ja auch ganz schön happig für einen bildband mit bißchen text
da muss man immer so viel lesen...
@kamahuber (« ...kennst doch Farin, bzw. Ärzte-Humor... »):
ich kenne nicht deinen humor. und darauf kam es bei dem posting mehr an
*seufz*
WORD!!!