Konzert? Nein, ein crazy Event und Remmidemmi ohne Ende vor und auf der Bühne. Love is in the Mehrzweckhalle!
Berlin (jas) - Verfolgt man die Atmosphäre eines Deichkind-Events in den sozialen Netzwerken und taucht virtuell ein in diese bunten Kulissen, begeistert von den überdimensionalen Kostümen, den leuchtenden Space-Hüten und der jecken Stimmung, bekommt man richtig Bock, real Teil eines Deichkind-Gigs zu werden. Freitagabend war es in Berlin soweit: Vier Tage vor Heiligabend erlebte man ein Spektakel der besonderen Art.
Unter Zuckerschock
"Kids In Meinem Alter" bevorzugen zwar den Tribünenplatz, aber es dauert nicht lange, bis sich keiner mehr auf den Sitzen hält. Spätestens nach dem zweiten Song tanzt man und wird von seinem Stehnachbar fröhlich angegrinst. Kinder mit dicken Kopfhörern bewegen sich hektisch, als stünden sie unter einem Zuckerschock und kreischen jede Zeile mit.
In diesen zwei Stunden plus Zugabe bewegt sich jedes Familienmitglied zu den fetten Beats. Das Publikum präsentiert sich als bunte Mischung aus vorweihnachtlichem Familienausflug, besten Freund:innen, Hardcore-Fans und Menschen, die, zuerst skeptisch gestimmt, gar nicht mehr genug bekommen können.
Eine Frequenz wie bei Madonna
All ihre Hits liefern Deichkind ab: Von "Bück Dich Hoch" über "Wer Sagt Denn Das", "Arbeit Nervt", "Kids In Meinem Alter" und dem persönlichen Liebling eines Stadtkinds: "In Der Natur". Jeder Song ist durchchoreografiert, Kostüme werden in einer Frequenz gewechselt, die an ein Madonna-Konzert erinnert. Auf der Bühne wird getanzt, gebückt, gelacht, gerappt und geknuddelt. Und immer wieder die Frage: "Berlin, könnt ihr noch?" Klar, selbst wenn man an seinem letzten Arbeitstag schon am Stock ging, sehnt man sich nach über zwei Stunden Deichkind eine derartige Workout-Party mindestens zweimal pro Woche herbei.
Aus ihrer politischen Haltung machen die Hamburger keinen Hehl. Themen wie der Klimawandel und der Krieg in Europa finden mit kurzen, eingängigen Phrasen statt, u.a. auf dem aktuellen Album "Neues Vom Dauerzustand". Live liest man dann zum Beispiel auf den Rücken der einzelnen Deichkinder noch ein "FCK AFD" - von den Fans mit tosendem Applaus quittiert.
Die Freude ist insgesamt riesig, zumal auch die alten Hits einschlagen. Bei "Bon Voyage" und "Komm Schon" wackelt nicht nur der Arsch, sondern die ganze Halle. Die Songs aus den Nullerjahren funktionieren immer noch top: "Komm schon, bitte, bitte sag mir doch, wie heißt die Band, die die Party rockt (Deichkind)." Man kann sich vorstellen, wie laut der Bandname vom Publikum in die Halle gebrüllt wird.
Ein Christmas-Burner
Besinnlich wird es bei all der Fitness und dem Fun auch noch - dank Frankie Goes To Hollywoods Christmas-Burner "The Power Of Love". Mit Engelsgesang performt, und selbstverständlich singt den Refrain die ganze Halle mit. Ein großes Lob geht am Ende nicht nur an die Performance der Musiker, sondern an das komplette Ensemble: Kostümbildner:innen, Szenenbildner:innen, Techniker:innen, Securities und Ton- und Lichtmenschen.
Aber natürlich auch an das Publikum bzw. dessen bewundernswertes Synchronhüpfen, seinen Textsicherheit, die gute Laune und den respektvollen Moshpit, wenigstens von oben betrachtet. Da gibt es auch keine Probleme, wenn die Deichkinder ihr überdimensionales Fass ("Roll Das Fass Rein") rausholen und sicher durch die Massen steuern.
Am Ende dieser Show, nach dem großen "Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah)"-Finale, möchte man einfach nur noch alle Mitwirkenden auf der Bühne umarmen und sich ein Kostüm von Kryptik Joe, Porky oder Roger Reckless überwerfen (bevorzugt den Outdoor-Anzug mit mächtig großem Rucksack!) und Teil der Deichkind-Familie werden. Love is in the Mehrzweckhalle!
Text: Jasmin Lütz, Fotos: Rainer Keuenhof.
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