Laut Gerichtsurteil hat Gary Moore sein weltberühmtes Gitarrensolo in "Still Got The Blues" abgekupfert. Kommentatoren bewerten die Entscheidung als "absurd".

München (thk) - Nach einem achtjährigen Rechtsstreit entschied das Landgericht München I gestern in der Sache Jürgen Winter vs. Gary Moore zugunsten des unbekannteren Musikers aus Baden-Württemberg. Der Gitarrist der eher semipopulären Ortenauer Krautrockband Jud's Gallery hatte den nordirischen Gitarrero 2001 beschuldigt, das Gitarrensolo der 1990er Erfolgsnummer "Still Got The Blues" von seinem Song "Nordrach" aus dem Jahr 1974 geklaut zu haben.

"Übereinstimmungen frappierend"

Die Zivilkammer hatte zum Einen die knifflige Frage zu klären, ob das Lied dem 56-jährigen Inselbewohner Moore überhaupt zu Ohren gekommen sein könnte. In seiner Pressemitteilung räumt das Landgericht diesbezüglich ein, dass "'Nordrach' seinerzeit nicht auf Tonträger erhältlich, sondern lediglich auf diversen Live-Konzerten und jedenfalls einmal im Radio zu hören gewesen war. Der Beklagte hatte dann auch behauptet, 'Nordrach' nicht gekannt zu haben."

Von einer Dauerbeschallung dank Heavy Rotation im Äther kann ergo keine Rede sein. Da sich Moore zu fraglicher Zeit jedoch öfter in Deutschland aufgehalten haben soll, hält es das Gericht durchaus für plausibel, dass er das Stück habe hören können. Nach Auffassung der Juristen "waren die Übereinstimmungen beider Stücke so frappierend, dass von einer Übernahme auszugehen war."

Beweisstück A: "Still Got The Blues"

Beweisstück B: "Nordrach" Live 1997, ab Minute 5:23

Die zweite entscheidende Frage kreiste vor Gericht darum, ob der Beschuldigte über ein so ausgeprägtes Langzeitgedächtnis verfügen könne, um sich die Solomelodie von "Nordrach" über eine Zeitspanne von 16 Jahren zu merken. Auf eine Erinnerungshilfe in Form einer CD oder LP konnte er ja offensichtlich nicht zurückgreifen. Nach Meinung eines dazu befragten Gutachters sei "eine solche Gedächtnisleistung eines Musikers nicht aus(zu)schließen."

Moore: "Das ist totaler Blödsinn!"

Mit dem Plagiatsvorwurf konfrontiert, bezog Gary Moore bereits vergangenen Juni in einem Interview mit der Badischen Zeitung deutlich Stellung. "Das ist doch alles totaler Blödsinn. Ich habe 'Still Got The Blues' 1974 geschrieben und es 1990 veröffentlicht. Ich war zum Zeitpunkt, als ich es schrieb, gar nicht in Deutschland und habe nie das Stück dieser deutschen Gruppe gehört. Das ist doch alles ein Witz. Elf Jahre nach der Veröffentlichung von 'Still Got The Blues' fällt diesen Leuten ein, dass es Ähnlichkeiten geben soll zwischen meiner und ihrer Melodie."

Moores Einnahmen längst verbraten

Ein bisschen auffällig ist es ja schon, dass beide Kontrahenten ihren musikalischen Geistesblitz auf das Jahr 1974 datieren. Ein vermeintlicher Videobeweis von "Nordrach" auf Youtube entpuppt sich als untauglich - stammt der Liveclip doch aus dem Jahr 1997. Nach Aussage Moores war sich Jürgen Winter zum damaligen Zeitpunkt seiner Sache auch nicht allzu sicher. "Der deutsche Musiker, der diesen deutschen Song geschrieben hat, konnte sich vor Gericht auch nicht erinnern, wann er seinen Song geschrieben hat", so der Gitarrenmeister in dem Interview. Er habe die Einnahmen des fraglichen Songs sowieso längst verbraten, fügte er süffisant hinzu. Seine Ex-Frau habe den ganzen Batzen bei ihrer Scheidung abgesahnt.

Unbewusste Urheberrechtsverletzung?

Bleibt also noch zu klären, wie hoch die Schadensersatzansprüche zu bemessen sind, die der Kläger gegenüber Moore und seiner Plattenfirma Virgin geltend machen kann. "Das Gericht hatte keine Anhaltspunkte dafür, dass die Übernahme bewusst erfolgte; allerdings stellt auch eine nur unbewusste Übernahme eine Urheberrechtsverletzung dar", so der Pressesprecher zum derzeitigen Stand. Die Forderung Winters, die Weiterverbreitung und Aufführung des Hits zu stoppen, lehnen die Richter vorerst ab.

Kommentatoren kritisieren die Entscheidung mehr oder weniger einhellig; die SZ nennt den Fall insgesamt "haarsträubend" und das Urteil des Landgerichts "absurd", weil die Akkordfolgen viel zu simpel und gängig seien: "Wenn Gary Moore geklaut hat, dann bei ungefähr dreihundert Urhebern gleichzeitig."

Fotos

Gary Moore

Gary Moore,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Gary Moore,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Gary Moore,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Gary Moore,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Gary Moore,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig) Gary Moore,  | © laut.de (Fotograf: Peter Wafzig)

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laut.de-Porträt Gary Moore

An Gary Moore scheiden sich die Geister. Die einen halten ihn für einen energischen Rocker, der fälschlicherweise den Blues entdeckt hat, andere mögen …

40 Kommentare mit 2 Antworten

  • Vor 16 Jahren

    @Prometheus77 (« @Madi (« was, zur hölle, ist krautrock :suspect: »):

    (Harte) Rockmusik deutscher Herkunft, bevorzugt der siebziger Jahre! Bin zwar selber kein Deutscher, kann mir also egal sein, aber ich finde den Begriff unglaublich dumm! Hat so was miefiges! »):

    und der name jürgen winter klingt auch richtig nach rock'n'roll :o

  • Vor 4 Jahren

    Unter dem Genre Krautrock wurde ab Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre die Rockmusik primär westdeutscher Bands eingeordnet, die teilweise auch international bekannt wurden. Allen klassischen Krautrockbands ist außer der geographischen Herkunft der Hang zur experimentellen, improvisationsgeprägten Rockmusik gemein.

  • Vor 4 Jahren

    Unter dem Genre Krautrock wurde ab Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre die Rockmusik primär westdeutscher Bands eingeordnet, die teilweise auch international bekannt wurden. Allen klassischen Krautrockbands ist außer der geographischen Herkunft der Hang zur experimentellen, improvisationsgeprägten Rockmusik gemein.