Casper, Kraftklub, Layla, Seeed und wenigstens Machine Gun Kelly: Deutsche Acts dominieren das Re-Opening des Berliner Festivals.
Berlin (laut) - Gelungenes Re-Opening für das Lollapalooza Festival: Im Jahr eins nach der coronabedingten Livemusik-Zwangspause feierten am Wochenende rund 100.000 Zuschauer auf dem Berliner Gelände. Glaubt man dieser offiziellen Angabe, dann übertrafen die Veranstalter damit den Zuschauerschnitt von 2019, auch wenn sie hier ein wenig nachgeholfen haben: Besitzer von 2-Tage-Tickets fanden am Samstag in ihrem Account die Info vor, dass sie am Folgetag eine Person gratis mitbringen dürfen.
Immerhin hatte das Festival nicht nur mit den Schlechtwetterprognosen zu kämpfen, sondern auch damit, die ursprünglich für 2020 angekündigten Headliner Miley Cyrus und Rage Against The Machine zu ersetzen, was in einem vorwiegend nationalen Line-Up mündete. Machine Gun Kelly war da am Samstag die große Ausnahme und durfte sich im Gegensatz zu vielen vorherigen Acts über ein volles Zuschauerfeld vor der Bühne freuen.
Die Regel war indes eher, dass man bei so gut wie jedem Act problemlos in die erste Reihe schlendern konnte, wodurch auch nur selten wirkliche Stimmung aufkommen wollte. Da das Lolla auch als Festival der weiten Wege bekannt ist, bemerkte man den Zuschauerrekord an keiner Stelle, vielmehr spielten einige Acts auf dem Olympiagelände vor wenigen hundert Leuten - es gab ja mit zahlreichen Ständen noch ein Rahmenprogramm: Bullriding, Chillen auf Hängematten oder bei Foodcourts anstehen. Von Sushi Wraps bis Handbrot gab es dort für jeden etwas. Neben dem alten Schwimmbecken des Olympiastadions befand sich der Weingarten, wo kleinen Künstlern eine Stimme gegeben wurde. Dort startete VIZE als dritter deutscher DJ auf der Perry Stage und brachte die Menge zum Tanzen und Mitsingen, beispielsweise bei "White Lies" oder "Paradise". Danach ging es zu Apache 207 auf der Main Stage North. Er begann sein Konzert verkleidet als Security. Bei seinem Hit "Boot" fuhr er mit einem Holzboot auf einer Plattform durchs Publikum und sang anschließend "My Heart will go on" aus "Titanic". Als Geheimtipp überzeugte Rapperin Layla, die mit den Songs ihres Debütalbum "Traboe" auf mächtig Gegenliebe stieß.
Furiose Release-Party für Kraftklub
Die Main Stages North und South stehen am östlichen Ende des Geländes gegenüber und wurden abwechselnd bespielt, so dass es einen fast nahtlosen Übergang von Act zu Act gibt. Machine Gun Kelly trat neben einem großen Helikopter-Modell auf die Bühne und lud zum Song "Fake Love Don't Last" Iann Dior auf die Bühne, der am Mittag schon seinen eigenen Auftritt hatte. Neben Kelly zählten am ersten Tag Annenmaykantereit zu den Publikumsmagneten, die frenetisch begubelt wurden, sowie die mit soeben veröffentlichtem Album headlinenden Kraftklub. AnnenMayKantereit starteten mit "Marie", später standen hier und da noch Blechblasinstrumente und ein paar Streicher auf der Bühne, um Hits wie "Oft gefragt" mehr Tiefe zu verleihen.
Während Robin Schulz im Stadion eher eine Club-Performance ablieferte und zu wenig mit dem Publikum interagierte, feierten Kraftklub auf der Main Stage South die selbsternannte Release-Party. Dabei holte Felix Kummer seine Schwester Lotta für "Fahr mit mir (4x4)" auf die Bühne. Somit konnte man mit seinem Bruder gleich drei Mitglieder der Kummer-Familie auf der Bühne erleben. Von den singenden Fans vor der Bühne wanderte die Energie sogar bis in die hinteren Reihen und entlud sich in etlichen Moshpits. Mit einem Feuerwerk wurde der erste Tag des Festivals erfolgreich beendet.
Gender Equality und Kidzapalooza
Am Sonntag fällt sofort ins Auge, dass weniger Musikfans auf vor Ort sind. Zudem macht die Nachricht die Runde, das die amerikanische Indie-Sängerin Clairo aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig abgesagt hat. Lari Lukes Beats bringen das ganze Stadion dann langsam auf Betriebstemperatur. Imanbek schließt sich an, besonders mit seinem Top-Song "Belly Dancer". Auch 2022 sind wieder einige Familien mit Kindern vor Ort. Diese konnten entweder im "Kidzapalooza" ein kinderfreundliches Programm erleben, sich auf dem Gelände musizierende Roboter anschauen oder eine Runde mit dem Riesenrad fahren.
Bei fast vollständig bedeckter Wetterlage sorgen Badmómzjay, Loredana, Anne-Marie, Alice Merton, Paula Hartmann und Joy Denalane für Stimmung - nur einige Beispiele für die Veranstalter-Bemühungen, ein Line-Up mit Gender Equality zu präsentieren.
Geburtstagsständchen für Birthday Boy Casper
Die Headliner erledigten ihren Job routiert: Casper wickelte die Masse auf einer in Blumen geschmückten Main Stage um seinen Finger und bekam zum 40. Geburtstag dafür ein Ständchen gesungen - mit Unterstützung von Drangsal. Seeed und Die Fantastischen Vier konnten sich auf ihren beeindruckenden Hit-Katalog verlassen. Solch eine Bühnenpräsenz sieht man selten. Nach einem kleinen Feuerwerk bei Tiesto auf der Perry Stage brachten Seeed ein außergewöhnliches Neon-Bühnenbild mit und trafen auf ein textsicheres Publikum.
Insgesamt fehlte der diesjährigen Lollapalooza-Version ein wenig der internationale Flair, der das Festival seit jeher auszeichnet. Bookings wie Billie Eilish, The xx, Foo Fighters oder Twenty One Pilots machten in den letzten Jahren für viele Zuschauer*innen den Reiz eines Besuchs erst aus. Hoffen wir, dass die Veranstalter 2023 mehr Glück haben und die verpflichteten Acts den Weg nach Berlin auch finden. Die kommende Ausgabe des Festivals geht am 9. und 10. September 2023 über die Bühne.
Text von Leon Löchle, Fotos von Rainer Keuenhof.
1 Kommentar
Joa, das Pariser LineUp war dann ein bisschen besser. Dass es AMK noch gibt wundert mich allerdings. Ich dachte, nach diesem grausigen Album hätte man für immer Ruhe.