Hot Chip, Bilderbuch, Oddisee, Get Well Soon, Schnipo Schranke, Stabil Elite u.a. beim Open-Air auf der Galopprennbahn in Düsseldorf.
Düsseldorf (hns) - Die elfte Version des Open Source ist zwei Stunden zugange, bevor sich das Publikum auf der Tribüne der Galopprennbahn noch eine inoffizielle Begrüßung abholen durfte: "Hallo, ihr Arschlöcher!"
Jonny Bauer, Sänger der lokalen Punkheroen Oiro, rückt das Picknickdeckenmeer auf der leichten Anhöhe vor der Bühne erst mal zurecht. Das folgende Bühnenprogramm läuft entsprechend: Oiro singen von Scheißbanken, Bürgermeister-Arschlöchern und Mofa fahren, als wäre Punk nie aus Düsseldorf verschwunden. Vor der Bühne stehen diejenigen Familienväter, die sich schon warm getrunken haben, alle anderen sitzen lieber auf den Decken dahinter.
Schnell ist klar, was das kleine Festival – 6.500 Besucher fanden dieses Jahr den Weg an den beschaulichen Stadtrand – im Kern ausmacht. Zum größten Teil finden sich die Indie-Jünger im liebevoll aufgemachten Festivalareal ein, das mit drei Bühnen, mehreren Installationen der Kölner Kunsthochschule und einer Art Info-Flohmarkt aufwartet. Fein ziselierte geometrische Formen hängen an den Hälsen und bevölkern die Unterarme, der Man-Bun sitzt. Aber eben auch: besagte karierte Decken.
Nicht nur Indie-Einheitsbrei
Dass die Festivaluniformität anno 201X beizeiten aufreißt, ist angenehm und seitens der VeranstalterInnen durchaus gewollt. Neben der Hauptbühne und einer Bühne für Young Talents, setzt die sogenannte Work-in-Progress-Bühne vielschichtige Akzente. Das aus den 70ern wiederauferstandene Kollektiv Idris Ackamoor & The Pyramids flutet am späten Nachmittag den hinteren Teil des Geländes mit ausladenden Jazzimprovisationen. Montreux scheint plötzlich nicht mehr so weit weg. Der Berliner Max Graef nimmt das Motto der Bühne ebenfalls ernst und wartet anschließend mit lose verbundenen, elektronischen Songskizzen auf.
Auf der Hauptbühne kommen Schnipo Schranke eher schleppend in Fahrt. Trotz großem Andrang, der für sie sicherlich keine Überraschung darstellt, fehlt Fritzi, Daniela und Ente zunächst etwas an Tempo. Aber während sich Düsseldorf hinter vorgehaltener Hand (hihi, Oralsex) warmtanzt, fangen sich die Schnipos. Auch Get Well Soon erwischen einen stockenden Start: Gitarre läuft nicht. Erst zum dritten Song erhellt sich das gegrämte Gesicht von Maximilian Schenkel wieder, aber Sonne und Picknickdecken spielen dem eher melancholischen Sextett nicht gerade in die Karten. Nicht mal der schöne LOVE-Schriftzug im Fond der Bühne leuchtet auf.
Auf die Headliner ist Verlass
Zwischen Stadtfest-Feeling und jugendlichem Distinktionszirkus springt, abseits der Mainstage, der Brooklyner Rapper Oddisee mit dem interessantesten Auftritt in die Bresche. Im Parallel-Slot zu Bilderbuch hat aktueller Conscious Rap in funkiger Bandversion – "The name of the band is Good Company. Don't you agree?" – einen schweren Stand. Ohne Moralpredigt, aber mit brandaktuellen Zeilen kämpft er gegen das allgemeine Schulterzucken an. Nicht zu Unrecht füllt sich der Zuschauerraum sogar neben und hinter dem Tonzelt, einige Arme schnellen beim eher genre-unbedarften Publikum in die Höhe. Die Zugabe liefert der mitgereiste Bruder Oddisees, eigentlich Bandfotograf, mit einem dreiminütigen Freestyle.
Nach kurzfristiger Absage von Gaika startete bereits das frühe Programm auf der Work-in-Progress-Bühne deutlich verspätet. Der randvollen Rennbahn-Tribüne gehts da nicht anders: Ob Hot Chip als Headliner aus organisatorischen oder technischen Gründen 30 Minuten zu spät auftraten, war nicht zu erfahren. Allerdings lässt eine heftige Mikro-Rückkopplung zu Beginn des Konzerts eher letzteres vermuten. Doch wie schon Bilderbuch im vorherigen Slot, beeindrucken Hot Chip durch ein absolut professionelles und motiviertes Set.
Pure Vernunft darf niemals siegen, oder?
Da wird ordentlich geliefert, doch um halb zwölf gehen Alexis Taylor, Joe Goddard und Anhang ohne Zugabe von der Bühne. Es werden alle gewünschten Anschlusszüge erreicht, wie es im DB-Jargon heißt. Eigentlich schade, denn für eine gute Dreiviertelstunde haben Hot Chip zu viel Bombast im Gepäck. Pure Vernunft hat wieder mal gesiegt, Dirk. Selbst auf so einem verflucht sympathischen und vielseitigen Festival wie dem Open Source!
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