Auf 336 bildgewaltigen Seiten fasst "Catalogue" die nunmehr 20-jährige Karriere des britischen Popduos zusammen.
Konstanz (mis) - Dieses Jahr feiert das Pet Shop Boys-Debütalbum "Please" 20-jähriges Jubiläum. Neben dem aktuellen Doppel-Livealbum "Concrete", das mit dem BBC-Orchester und einigen Stargästen aufgenommen wurde, blickt mit "Catalogue" nun ein ausnehmend hochklassiger Bildband auf das visuelle Wirken der Popgruppe zurück. In Stil und Form an einen musealen Ausstellungskatalog erinnernd, beinhaltet das bei Schwarzkopf & Schwarzkopf (49,90 Euro) auf deutsch erscheinende, 336 Seiten starke Werk sämtliche Plattencover der Band bis hin zur Promosingle in großen Abbildungen.
Außerdem zeigt es Impressionen der schillernden Liveshows und ruft anhand von Video-Stills die Clipkunst des Duos in Erinnerung. Biographie, Diskographie, ein Vorwort des Historikers Philip Hoare und ein aktuelles Interview mit Neil Tennant und Chris Lowe runden den farbenfrohen Nostalgietrip ab. Das starke Interesse an Mode, Design, Fotographie und Kunst setzt das Duo optisch bereits früh von zeitgenössischen Popbands ab. Zwar zielt das legere Nike-Sportleroutfit, das die beiden auf der 1984 in den Beneluxstaaten veröffentlichten Single "One More Chance" zur Schau tragen, noch deutlich auf die Liebe zur New Yorker Straßenmode jener Zeit ab.
Doch schon mit dem kommerziellen Durchbruch von "West End Girls" im Folgejahr bildet die Gruppe ihre spezifische Coverästhetik heraus: ein strukturbetontes, von kommerziellen Gesichtspunkten unabhängiges Design prägt von nun an ihre Veröffentlichungen, in deren Mittelpunkt stets das Bandfoto selbst als Logo firmiert. Bald wird allein Lowes "Boy"-Kappe zum Markenzeichen. "Im Grunde", so Tennant 1995 in einem Interview, "schuf Chris damals eine Art modernes Aussehen." Ein Keyboarder hatte "eine Baseballkappe zu tragen und mürrisch auszusehen."
Der populäre Videoclip zu "West End Girls", in dem der Keyboarder scheinbar vom Geschehen unbeteiligt immer ein paar Schritte hinter Sänger Tennant durchs Londoner East End läuft, feuert das Image der Pet Shop Boys als beobachtendes, unglamouröses und die Langeweile des Alltags verarbeitendes Duo weiter an. Im Trubel eines konsumwütigen Zeitgeistes, legt die Band den Fokus bewusst auf Natürlichkeit, was 1987 im Albumcover von "Actually" kulminiert, auf dem Tennant demonstrativ gähnt.
Zu ihren schönsten Designs zählt das minimalistische, weiße "Please"-Albumcover, auf dem das Bandfoto in der Größe einer Briefmarke mittig abgebildet ist. Die Singles "Suburbia", "Rent" und "Heart" vermählen kunstvolle Fotographien mit einer klaren Typographie, "Left To My Own Devices" huldigt Marcel Duchamp und das Cover zu "DJ Culture" fasst das Profil der Gruppe scheinbar in einem Bild zusammen: Das Duo steht in einem Tonstudio vor imposanter HiFi-Kulisse, vor ihnen platziert sind zwei Plattenspieler, während Lowe die obligatorische Kopfbedeckung und Sonnenbrille trägt und Tennant grübelnd in die Ferne blickt.
Mit den cartoonartigen Outfits des "Very"-Albums setzt die Band 1993 einen visuellen Kontrapunkt zur auf Normalität abzielenden Grunge-Welle, das 1996 erscheinende Album "Bilingual" klingt mit seinen lateinamerikanischen Bezügen wie eine ruppige Antwort auf den grassierenden Britpop-Hype. Somit gelingt es "Catalogue", ein Kernelement in der Karriere der Gruppe heraus zu arbeiten, indem es die allgegenwärtige Musik der Pet Shop Boys mit der stets auf Weiterentwicklung bedachten Ästhetik ergänzt. "Wir wurden hauptsächlich von dem Wunsch motiviert, Sachen anders zu machen als alle anderen", fasst es Chris Lowe an einer Stelle prägnant zusammen.
Unter diesem Blickwinkel wirkt auch die aus heutiger Sicht verrückte Entscheidung nachvollziehbar, erst nach dem dritten Album auf Tournee zu gehen. Vom gesichtslosen Italo Disco-Genre kommend, sahen sich die Pet Shop Boys stets als strikten Gegenentwurf zum 80er Jahre Stadionrock und dessen Initiationsriten. Erst nach einem Treffen mit dem Filmemacher und Opernregisseur Derek Jarman im Jahr 1989 reifte die Idee für eine extravagante Kostümreise heran, die in "Catalogue" ebenfalls reichhaltig zur Geltung kommt. Somit fasst ein Zitat Neil Tennants die Leistung seiner Band noch beinahe bescheiden zusammen: "Die visuelle Seite wurde von uns nicht überbewertet, aber immer als gleichrangig betrachtet."
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