Was reimt sich auf "Sinaloa"? "Treppenkorridor", ist doch klar. Der Boss und sein Alpha Music Empire-Schützling machen Werbung für "Nazizi".
Warnemümpel (ynk) - Willkommen im freitäglichen Rap-Video-Stadl. Yo Mama hat euch heute "Sinaloa", Fards Kollabo-Track mit Asche und Kollegah mitgebracht - und eine große Portion Oldschool-Unverständnis. Ich hab' so viele Fragen ... aber hören wir doch erst einmal:
Fard wirbt mit "Sinaloa" für "Nazizi", sein "Streetalbum", das am 28. August erscheint. Was an einer Doppel-CD-Box für gute 40 Euro explizit "Street" ist: keine Ahnung. Aber ich versteh' ja vieles nicht.
Musikalisch geht "Sinaloa" im Grunde klar. Den Beat von Buaka & B-Case find' ich zwar nicht sonderlich aufregend oder originell, es passiert einfach nicht viel. Die Melodie, durchzogen von der gängigen leisen Traurigkeit, dudelt aber recht widerstandslos ins Ohr. Kann man nicht hassen, höchstens bemängeln, dass sich über knapp vier Minuten wirklich keinerlei Entwicklung vollzieht.
Das Video speist sich aus inzwischen bis zur Ausgelutschtheit vertrauten Bildern: Wir sehen im Wechsel abgeranzte Wohnblocks, davor - Kontrast, Kontrast! - den glänzenden "Benz, all black, vor dem Tor", mit dem die Herren Protagonisten dann durch die nächtlichen Straßen gurken. Ach, ja. Wie soll ich das 2020 noch kommentieren? Am besten gar nicht.
Nix reimt sich auf "Sinaloa"!
Weil "Sinaloa" musikalisch nicht wirklich flasht und optisch nichts hergibt, hab' ich Zeit, mich auf den Text zu konzentrieren. Fraglich, ob das dem Track dient. Mit dem Titel geht die Fragerei nämlich schon los: "Sinaloa", was soll das überhaupt heißen? Wikipedia ist mein Freund, ich lerne: "Als Sinaloa-Kartell bekannt ist die mexikanische Verbrecherorganisation, die Geschäften im Drogenhandel, der Geldwäsche und dem Menschenhandel nachgeht. Das Kartell hat seine Basis in Culiacán, Sinaloa, agiert aber in mehr als 20 mexikanischen Bundesstaaten."
Was das mit Fard, Kollegah, Asche, dieser Nummer oder dem restlichen Text zu tun hat, bleibt mir komplett verborgen. Der erzählt weder von Mexiko, sondern von Nordrhein-Westfalen (das Kollegah wiederum mit der Bronx gleichsetzt) noch von Drogen- oder Menschenhandel. "Erzählen" erscheint mir angesichts dieser Zweckreim-Assoziationsketten eh arg hochgegriffen. "Treppenkorridor", muss ich mehr sagen? Existiert so etwas überhaupt und, wenn ja, hat dieses Wort zuvor schon jemals jemand benutzt? Es reimt sich halt sonst nix auf "Sinaloa", wat willste machen?
Kollegah wiederum reimt "Drive-by-shot fliegt" auf "Tscha-i-kows-ky", was ich einigermaßen kreativ finde. Abgesehen davon erschließt sich mir halt echt auch nach Jahren immer noch nicht, wie man einerseits "Lifestyler-Bilder voll mit Weichzeichnerfilter" als "erbärmliches Business" schmähen, gleichzeitig aber im Designerbademantel rumlatschen und drauf Wert legen kann, dass der Sweater, der die Beretta verdeckt, nur ja von Dior kommt.
Spieglein, Spieglein, an der Wand ...
Gleiche Diskrepanz bei Asche: Er mimt den harten Streetfighter-Underdog aus der miesen Wohngegend, stopft aber seinen halben Vers mit eitlen Äußer- und Oberflächlichkeiten voll: "Aschkobar, ich kläre bildhübsche Bitches, weil meine Fresse die von einem Filmbösewicht ist, Topmodel-Stil, Ostblockprofil, meine Züge klassisch, so wie Lokomotiven", dreht er sich vor dem Spiegel wie Schneewittchens neidische Stiefmutter. Ich möchte mir bildlich vorstellen, wie ein auf Krawall gebürsteter Gegner, beblendet von Asches strahlend heroischer Schönheit, in der Ausholbewegung erstarrt und sich denkt: "Nein. So einem hübschen Jungen die Visage zu verunstalten, das wäre Frevel, das kann ich nicht tun." Ein Hollywood-Happy-End. Was ist überhaupt schon wieder ein "Holzrussen-Mob", bitte?
Kollegah und sein Alpha Music-Empire-Schützling legen vor, der Gastgeber kommt erst ganz am Schluss zum Zug. Die alte Regel, dass, was zuletzt genannt wird, besonders gut im Gedächtnis haftet, scheint hier außer Kraft gesetzt: Fards Part hatte ich tatsächlich schon vergessen, während er noch lief. Beim Nachlesen stell ich allerdings fest, dass er eine Antwort auf alle meine Fragen hier schon geliefert hat, wenn auch keine sehr befriedigende: "Ihr Hurensöhne, ich muss keinem meine Kunst erklär'n." Fard will also nicht, ich kann's nicht. Sorry. Wir werden dumm sterben müssen.
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