Eigentlich lief es wie mit Porno-Rap: Obwohl verpönt, etablierte sich der Tanz im Mainstream. Nun schwofen auch Rock, Folk, Soul und Metal im Walzertakt.
Wien (laut) - Hach ... im Walzertakt schwelgen! Was für ein edles, erhabenes Bild! Kaum zu glauben, dass der gediegene Tanz einmal so etwas wie der Porno-Rap seiner Zeit war. "In keiner anständigen Gesellschaft wird man dulden, dass ein Herr die neben ihm sitzende Dame um die Taille fasse und an sich drücke", echauffierten sich selbsternannte Hüter*innen von Anstand und Moral in der 1886 erschienenen "Grammatik der Tanzkunst". Sie behielten, wie so oft in der Musikgeschichte, nicht Recht.
Bereits in den zwanziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts hatte ein Buchbinder aus Wien auf Komponist und Kapellmeister umgeschult. Er gründete das erste Reiseorchester der Welt, erfand damit quasi das Tournee-Business, und seine größten Erfolge feierte er ausgerechnet mit den angeblich so sittenzersetzenden Walzern, zu deren König ihn die Nachwelt krönte. Gestern, am 25. September, jährte sich der Tod von Johann Strauss. Aus diesem Anlass haben wir herumgestöbert und festgestellt: Von Folk und Soul über Rock und Pop zu Metal: Überall gibt es ...
Zwar dreht sich keineswegs alles im Dreivierteltakt, Walzer tanzen lässt sich aber zu allen Songs dieser Auswahl. Sofern man es denn kann. Der Walzer erwies sich also als erstaunlich langlebig, genau wie der Titel "Walzerkönig": Er ging von Johann Strauss, dem Älteren, nahtlos auf dessen gleichnamigen Sohn über. Der war gegen den erklärten Willen seines Vaters in dessen berufliche Fußstapfen getreten, riss sich nach dem Ableben seines alten Herren auch gleich dessen Orchester unter den Nagel, fusionierte es mit seinem eigenen und schrieb die Strauss'sche Walzergeschichte fort.
Wobei ... vielleicht ist an der Mär vom Sittenverfall durch Walzer aber doch etwas dran? Johann Strauss, der Vater, scheint zumindest ein ganz schöner Hallodri gewesen zu sein: Mit seiner Ehefrau Anna hatte er fünf Kinder. Als das sechste unterwegs war, ließ er sie sitzen, um mit einer Putzmacherin durchzubrennen, mit der er acht weitere Bälger in die Welt setzte.
Späte Rache
Für seinen nach ihm benannten Sohnemann hatte Strauss, Vater eigentlich eine Beamtenlaufbahn im Sinn gehabt, etwas Solides, eben. Möglicherweise war es die späte Rache seiner verlassenen Gattin, dass diese, um ihrem untreuen Alten eins auszuwischen, Johannn Strauss, den Jüngeren in seinem Bestreben, Musiker zu werden, massiv unterstützte - und nicht nur ihn: Alle ihre drei Söhne von Johann Strauss, dem Älteren wurden Komponisten und verschrieben sich dem Walzer.
Der scheint auch bei Johann Strauss Sohn seine Wirkung nicht verfehlt zu haben: Er heiratete nicht ein-, nicht zwei-, sondern gleich dreimal. Um sich von seiner zweiten Gemahlin scheiden lassen zu dürfen, gab er sogar die österreichische Staatsbürgerschaft auf und wechselte in die Stadt der zweifellos weltbesten Bratwurst: Im Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha waren sie liberaler drauf als im katholischen Wien. Wahrscheinlich haben sie dort einfach mehr Walzer getanzt.
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