Zu spät, ihr Scheißer: Tommi Stumpff ist tot

Der streitbare Düsseldorfer EBM-Pionier förderte den Boom aggressiver elektronischer Tanzmusik in den 1980er Jahren. Nun starb er nach schwerer Krankheit.

Düsseldorf (mis) - Der Düsseldorfer Szene-Pionier und Elektro-Punk Tommi Stumpff, bürgerlich Thomas Peters, ist tot. Er starb am 28. Juli im Alter von 65 Jahren in seiner Heimat nach schwerer Krankheit. Das Label Danse Macabre veröffentlichte die Nachricht am Wochenende auf seiner Homepage: "Mit tiefem Bedauern haben wir vom Ableben unseres Künstlers und Freundes Tommi Stumpff erfahren, der am 28. Juli nach einem langen Kampf gegen seine schwere Krankheit in Düsseldorf verstarb. Tommi Stumpff hinterlässt eine einzigartige künstlerische Spur als Visionär, Rebell und Nonkonformist."

Laut, hart, kompromisslos: Nach einem solchen Sound strebt Stumpff von Beginn an. Der in Paris und Brüssel aufgewachsene Musiker gründet Ende der 1970er Jahre in Düsseldorf die Punkband KFC ("Gefangen In Der BRD"), zu der auch der spätere Tote Hosen-Mitgründer Trini Trimpop gehört. Nach zwei Alben erfindet Peters für sich die Kunstfigur Tommi Stumpff und startet eine Solokarriere. Mit welcher Art von Texten man es hier zu tun bekommt, verdeutlicht der Titel seines Solodebüts aus dem Jahr 1982: "Zu spät ihr Scheißer. Hier ist: Tommy Stumpff". Darauf verwendet er ausschließlich analoges Equipment. Das Original, das auf dem Düsseldorfer Label Schallmauer Records erscheint, geht seinerzeit 3000 Mal über den Ladentisch und ist heute unter Vinyl-Fans ein gesuchtes Sammlerstück.

Im Vergleich zu den Lokalrivalen Kraftwerk schwebt Stumpff eine aggressive Form von elektronischer Popmusik vor, die man bald Electronic Body Music (EBM) nennt. Diese Vision verstärkt sich nach dem Besuch eines Suicide-Konzerts. Auch Kraftwerk-Produzent Conny Plank ist begeistert und nimmt 1983 mit Stumpff die Single "Contergan Punk" auf. Besonders seine energiegeladenen Konzerte erregen Aufsehen und machen ihn in der Szene bekannt. In Zeiten der aufgesetzt fröhlichen Neuen Deutschen Welle schaltet Stumpff schonungslos auf Angriff: "Die Entarteten greifen euch an (...) sie schütteln ihre kleinen Arme in eurem lächerlichen Takt - Contergan Punk!" Die Medien reagieren entsprechend ablehnend.

1988 veröffentlicht Stumpff nach einer Reihe von Maxisingles sein Album "Terror II", das gemeinsam mit "Front By Front" der belgischen Band Front 242 zu einem der bekanntesten EBM-Alben wird. 1989 folgt "Ultra", das seinen Hit "Massaker" beinhaltet. Zu großer Popularität bringt es vor allem die 13-Minuten-Version des Songs, die in einschlägigen Diskos vom Berliner Linientreu bis hin zum Abby in Meßkirch auf Dauerrotation läuft. Stumpff bezeichnete sich selbst angesichts dieses Erfolgs scherzhaft als "One-Hit-Wonder". Auf der ersten Ausgabe der für die Wave-/Gothic-Kultur stilprägenden Compilation "German Mystic Sound Sampler" 1990 ist er mit "Massaker" ebenso vertreten wie in zahlreichen Heften des frisch gegründeten Magazins Zillo.

1993 zieht er sich aus dem Musikbusiness zurück und arbeitet in der IT-Branche. 2015 wagt er mit zwei Kollegen ein Bühnencomeback als Band namens Stumpff und gibt diverse Konzerte, unter anderem auf dem Leipziger Wave-Gotik-Treffen. Auf Social Media macht kurze Zeit später ein Rant die Runde. Stumpff hört zufällig zwei alte Coverversionen der Band Das Bierbeben um Tocotronic-Bassist Jan Müller ("Gnadenlos", "Sturm brich los") und ledert in alter Manier ab: "Ihr habt zwei meiner Lieblingsstücke für immer verunstaltet. Diese Schande kann nur mit Blut gewaschen werden."

2020 kommt es zu einer Wiedervereinigung von KFC. Mit Basser Käpt'n Nuss und Schlagzeuger Markus Boehlke spielt Stumpff im Rahmen des Düsseldorfer Lieblingsplatte Festivals im Dezember 2021 das zweite Album "Knülle im Politbüro" am Stück. Es ist der erste offizielle Live-Auftritt der Band seit 1981. Nach einer Reihe von Wiederveröffentlichungen alter Soloalben auf Danse Macabre veröffentlicht Stumpff 2021 sein letztes Studioalbum "Alles Idioten". Bruno Kramm von Das Ich schreibt in seinem Nachruf: "Tommi hatte gerade erst wieder Fuß gefasst und mit seinem letzten Album an die frühen Erfolge angeknüpft. Auch wenn Tommi oft als streitbarer und provokanter aber auch konservativer Freigeist angeeckt ist, war er im Grunde seines Herzens ein Romantiker und tierliebender Idealist."