Der Berliner Rapper blickt auf den aktuellen Zustand des Mullah-Regimes. Sein Fazit: "So schwach wie jetzt war es noch nie."

Berlin (dol) - Die Situation in Nahost beherrscht die Nachrichtenlage. In den frühen Morgenstunden des 13. Juni 2025 hat Israel die Operation "Rising Lion" gestartet, mit der sie iranische Atomanlagen, Militärstützpunkte sowie Kommandeure und Kernphysiker der Islamischen Republik ins Visier nehmen. Auf den "Präventivschlag", wie ihn Verteidigungsminister Israel Katz nannte, antwortete der Iran mit Gegenangriffen auf israelische Wohngebiete - und zeigt sich doch deutlich geschwächt.

Der Rapper Basstard ist 1982 in der iranischen Hauptstadt Teheran zur Welt gekommen. Seit vielen Jahren beobachtet er die Entwicklung in Nahost und verarbeitet sie in Interviews, in sozialen Netzwerken und in musikalischer Form. 2022 widmete er etwa einen Song Jina Mahsa Amini, die wegen eines falsch getragenen Hidschab von der Sittenpolizei verhaftet worden war, kurz darauf verstarb und dadurch zur Symbolfigur des iranischen Widerstands aufstieg.

Basstard über die israelischen Angriffe und die Reaktion der Mullahs:

"Seit knapp einer Woche herrscht Krieg im Iran. Ich muss ehrlich zugeben: Ich habe lange darauf gehofft, dass Israel und die USA den Iran angreifen und dem Mullah-Regime ein Ende setzen würden – so sehr, dass ich sogar Trump (entgegen meiner tiefsten Überzeugung) den Wahlsieg gewünscht habe. Wie viele andere Iraner habe ich mich am ersten Tag sehr über den Tod hochrangiger Militärführer gefreut. Doch schon einen Tag später kamen Zweifel, Ängste und Sorgen auf.

Ich kommentierte Instagram-Posts mit den neuesten Nachrichten und schrieb: 'Wenn es einen Regimewechsel geben soll, muss dieser von innen kommen – ohne fremde Einmischung.' In den darauffolgenden Tagen wurde mir jedoch bewusst, dass das ein romantischer Wunschtraum ist. Das oberste Ziel des Mullah-Regimes ist das eigene Überleben. Sie haben mit den Revolutionsgarden eine Armee geschaffen, die nicht etwa dem Schutz des Landes, sondern dem Schutz des Regimes vor der regulären Armee dient. Sie bringen jede Stimme, die nach Freiheit ruft, sofort gewaltsam zum Schweigen – ob Filmemacher, Maler, Musiker oder Journalisten.

Und jetzt, wo es im Bunker eng wird, bieten sie Europa und den USA plötzlich Verhandlungen an. Khamenei richtet sich mehrfach an das 'iranische Volk' und beschwört dessen Einheit gegen den äußeren Feind – alles, um ihr eigenes Überleben zu sichern. Dafür haben sie alle nur denkbaren Vorkehrungen getroffen. Wofür sie jedoch keine Vorkehrungen getroffen haben, ist das Überleben der Bevölkerung. Es gibt keine Bunker, keine Sirenen, keine Warn-SMS oder Anrufe für die Zivilbevölkerung.

Dass sie technisch durchaus in der Lage wären, solche Warnsysteme einzusetzen, haben sie oft genug bewiesen – etwa wenn sie den Bürgern per SMS drohten, nicht an Protesten teilzunehmen. Stattdessen kappten sie Internet und Telefonleitungen – das Internet, das in Kriegszeiten die einzige Möglichkeit ist, sich darüber zu informieren, wo Raketen einschlagen könnten. Ausgerechnet über die Social-Media-Kanäle der israelischen Armee (IDF), die die Bevölkerung auffordern, bestimmte Gebiete rechtzeitig zu evakuieren, erhalten die Menschen Informationen. Inzwischen scheinen viele Iraner dem israelischen Militär mehr zu vertrauen als dem eigenen Regime – denn wenigstens versuchen die Israelis, die Zivilbevölkerung zu warnen.

Ich mache mir keine Illusionen über die Motive Israels und der USA. Es geht ihnen darum, Iran um jeden Preis nuklear zu entwaffnen und das Atomprogramm auf lange Sicht unschädlich zu machen. Wenn dabei ein Regimewechsel herausspringt – umso besser. Die Iraner hingegen wollen sich nicht von Netanjahu instrumentalisieren lassen. Sie fürchten, damit das Narrativ des Regimes zu bestätigen, wonach sie israelische Spione seien, was einem Todesurteil gleichkommt. Derzeit sind sie vielmehr damit beschäftigt, ihre Familien aus Teheran in Sicherheit zu bringen, Benzin, Wasser und Lebensmittel zu beschaffen.

Die große Frage ist: Was käme nach einem möglichen Sturz des Regimes? Viele blicken nervös auf die Nachbarländer Afghanistan und Irak oder fürchten eine Militärdiktatur unter den Revolutionsgarden. Die lautesten Stimmen in der Exil-Opposition sind derzeit die monarchistischen Anhänger von Reza Pahlavi, der sich als Übergangsfigur für eine säkulare Demokratie anbietet. Doch echte Alternativen fehlen – und viele Iraner sträuben sich, ihn zu unterstützen, wegen der dunklen Vergangenheit seines Vaters, des Schahs. Auch die Frage nach all den Soldaten, Helfern und Helfershelfern, die sich dem Mullah System angebiedert haben, bleibt unbeantwortet. Realistischerweise müsste man ihnen eine Zukunftsperspektive anbieten.

So wird unter Exil-Iranern leidenschaftlich diskutiert, während die Stimmen der Menschen im Iran selbst im Raketenhagel verstummen. Am Ende sind sie es nämlich, die entscheiden müssten, ob sie erneut ihr Leben auf den Straßen riskieren – unbewaffnet in die Gewehrläufe der Mullah-Handlanger blickend – um Netanjahu und Trump den unbedingten Willen zum Wandel zu zeigen, damit diese sich die für einen Regime Change benötigten Bodentruppen sparen können. Ob das wirklich helfen würde, ist fraglich. Sehr wahrscheinlich jedoch ist es die einzige und letzte Chance der iranischen Bevölkerung, einen Wandel im Land selbst herbeizuführen.

So schwach wie jetzt war das Mullah-Regime noch nie."

Text von Basstard

Für 'laut.de Politics' sammelt Dominik Lippe Gastkommentare von Rappern, Musikern und Vertretern der Branche zur tagesaktuellen Nachrichtenlage oder gesellschaftlichen Themen beständiger Relevanz.

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