Porträt

laut.de-Biographie

Paul Kuhn

Dass Jazz in Deutschland zu Hause sein kann, beweist vor allem der am 12. März 1928 in Wiesbaden geborene Bandleader, Komponist, Arrangeur und Sänger Paul Kuhn.

Paul Kuhn: Der Pianist und Entertainer ist tot Aktuelle News
Paul Kuhn Der Pianist und Entertainer ist tot
Das Urgestein der deutschen Unterhaltungsmusik starb im Alter von 85 Jahren.

Bereits in frühester Jugend zeigt sich Pauls musikalische Neigung im Ziehharmonika- und Akkordeon-Spiel. Folgerichtig vertieft der Jugendliche seine Begabung durch den Besuch des Musischen Gymnasiums Frankfurt, bis er im Alter von 17 Jahren zum Wiesbadener Konservatorium wechselt. Bereits in diesen Tagen erprobt er sein Talent als Pianist bei einer Vielzahl von öffentlichen Auftritten, sogar in Clubs der amerikanischen Besatzungs-Armee. Sein Können bleibt nicht verborgen, und in den fünfziger Jahren erarbeitet er sich rasch einen Stammplatz in vielerlei TV-Sendungen.

Für seine Arbeit in der sich gerade entwickelnden Unterhaltungskultur des Nachkriegs-Deutschland wendet er sich oft ab von reinem Jazz, und flirtet erfolgreich mit dem populären Schlager. Zu Evergreens und Gassenhauern entwickeln sich die Songs "Der Mann Am Klavier" (1953) und "Es Gibt Kein Bier Auf Hawaii" (1963). Als Produzent ebnet er späteren Stars wie Howard Carpendale und Rocco Granata ("Marina") den Weg. Besonders die Jahrzehnte der Sechziger und Siebzigern zementieren seinen künstlerischen Erfolg. Kuhn steht in diesen Tagen unverrückbar in der vordersten Reihe populärer Künstler.

Er leitet die Big Band des Sender Freies Berlin, und das dazugehörige Tanzorchester. Die TV-Show "Paul's Party" entwickelt sich zum Quotenrenner. In abgewandelter Art übernimmt später Harald Juhnke das Konzept für seine Reihe "Willkommen Im Club". Doch zu Beginn der Achtziger sinkt Kuhns Stern, was die öffentliche Wahrnehmung angeht. In Sachen Präsentation und Musik-Auswahl vermeintlich zu altbacken, werden seine TV-Auftritte spärlicher, die SFB-Big Band ereilt das Aus, ein bestehender Plattenvertrag erfährt keine Verlängerung.

Doch Kuhn zeigt sich als zäh und kampflustig. In Eigenregie stellt er ein eigenes Orchester zusammen, mit dem er neben Eigen-Auftritten auch Tourneebegleitungen (u. a. Peter Alexander) in Angriff nimmt. Ab den neunziger Jahren besinnt sich der Künstler auf seine Jazz-Anfänge, und wendet sich verstärkt von der leichten Unterhaltungsmusik ab. Mit dem Paul Kuhn Trio interpretiert er alte und neue Jazz-Standards.

Paul Kuhn - The L.A. Session Aktuelles Album
Paul Kuhn The L.A. Session
Piano-Akkorde wie frisch geschliffene Diamantensplitter.

Im neuen Jahrtausend erschließt sich dem Musiker dank dieser Arbeiten ein interessiertes jüngeres Publikum. Zusammen mit der SWR Big Band, und den Orchesterleiter-Kollegen Max Greger und Hugo Strasser, begeistert er auf einer als "Swing Legenden" betitelten Live-Tour. Neu eingespielte Alben wie "As Time Goes By" (2008) und "Unforgettable Golden Jazz Classics" (2009) ernten großen Zuspruch. Neben unzähligen anderen Auszeichnungen erhält er 2010 den ECHO Jazz-Preis fürs Lebenswerk als Dirigent, Komponist und Pianist.

2010 begeistert er mit einer charakterstarken Nebenrolle im Kinostreifen "Schenk Mir Dein Herz", in dem er quasi sich selbst spielt. Im Rahmen des 85. Geburtstags 2013 erfüllt sich mit dem Album "The L.A. Session" ein langgehegter Traum. Auf den Spuren von Frank Sinatra spielt Kuhn mit den Diana Krall-Musikern Jeff Hamilton und John Clayton 18 Songs in den Capitol-Studios ein. Die Zusammenstellung aus Eigenkompositionen und Jazz-Standards erntet begeisterte Kritiken. Ruhestand bedeutet für den rührigen Musiker ein Fremdwort, und so absolviert er im März/April erneut eine Tournee.

Längst hat sich Paul Kuhn einen festen Platz als Wegbereiter der Akzeptanz von Jazz und Swing-getränkter Unterhaltungsmusik gesichert. Ob allein am Klavier oder als Leiter einer Band: seine Art der Präsentation ist stets von lässiger, altersweiser Eleganz und nonchalantem Humor geprägt.

Zu den geplanten Auftritten anlässlich der Leverkusener Jazz-Tage im November kommt es aber nicht mehr. Verstärkt auftretende gesundheitliche Probleme machen einen Herzschrittmacher unumgänglich. In der Nacht vom 22. auf den 23. September 2013 stirbt Paul Kuhn während eines Kuraufenthaltes im nordhessischen Bad Wildungen im Beisein seiner Ehefrau.

 - Aktuelles Interview
Paul Kuhn "Jazz ist durch"
Über Carpendale, Knef, Heino, Raabe und Sinatra - ein Rückblick mit 85 Jahren.

Mit Kuhn verliert die deutsche Unterhaltungsmusik und Jazzszene einen ihrer bekanntesten Vertreter. "Paulchen", wie er von Fans und Presse gerne tituliert wurde, bleibt in Erinnerung als Urgestein, dessen musikalische Klasse erst in den späten Jahren die gebührende Würdigung erhielt.

Zeitlebens gefiel er sich in der Rolle des Grenzgängers. Ob Schlager wie "Es Gibt Kein Bier Auf Hawaii", oder American Songbook-Klassiker des Kalibers "As Time Goes By": für Kuhn keine Unvereinbarkeit. Doch stets besaß der Jazz für ihn die oberste Priorität.

Im kurz vor seinem Tod mit laut.de geführten Interview erläuterte Kuhn zum heutigen Stellenwert des Genres: "In der künstlerischen Entwicklung ist Jazz wohl durch. So, wie sich heute die Klassik anhört - Haydn, Mozart, Beethoven, das ist auch eine 'fertige' Sache, die die Leute dennoch immer wieder hören wollen - zumindest hoffe ich das."

Interviews

News

Alben

Surftipps

  • Die Welt

    Würdigung des Künstlers zum achtzigsten Geburtstag.

    http://www.welt.de/kultur/article1789696/Paul_Kuhn_der_Mann_am_Klavier_wird_80.html
  • Badische Zeitung

    Interview mit der Badischen Zeitung zum 85. Geburtstag.

    http://www.badische-zeitung.de/rock-pop/man-muss-spielen-gut-und-jetzt--69949122.html
  • Die Welt

    Weiteres Interview zum 85. Geburtstag.

    http://www.welt.de/kultur/buehne-konzert/article114341536/Swingen-mit-dem-heiligen-Mikrofon-von-Frank-Sinatra.html

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