laut.de-Kritik
Die große Pop-Geste: leicht, elegant und unbekümmert.
Review von Eberhard DoblerErfrischend anders. Endlich mal Musiker, die auf die Frage, weshalb sie drei Monate in Berlin verbrachten, um ein Album zu kreieren, antworten: "Wir haben uns nach einem Studio umgesehen und das unprofessionellste gewählt." Das nennt man dann wohl den sprichwörtlichen Charme der Franzosen. Die Crew der Planet Roc-Studios wird es ihnen verzeihen.
Aufgenommen wurden zehn Songs, die Phoenix mit einer melodiösen Leichtigkeit, ruhiger Eleganz und doch unbekümmerter Attitüde vortragen, wie es im Indie-Bereich - machen wir uns nichts vor - nur die Franzosen können. Was hierzulande gerne als pompös oder cheesy empfunden wird, ist eigentlich Furchtlosigkeit. Phoenix haben die große Pop-Geste drauf, die mehr Leute umarmen kann als nur das Szene-Personal - und setzen sie auch ein. So zum Beispiel beim Refrain von "Rally". Mit seinen 6/8-Parts stellt der Song ein absolutes Highlight des dritten Longplayers dar.
Im Vergleich zu den beiden Vorgängern spielt Elektronik diesmal eine untergeordnete Rolle - von den leisen Daft Punk-Synthies in der Stophe der hervorragenden Single "Long Distance Call" mal abgesehen. Der Song mit seinem kurzen Surfrock-mäßigen Intro zeigt, dass eine fähige Gitarren-Band, die eine starke Stimme mit starken Melodien besitzt, beruhigt in die Zukunft blicken kann. Beides Voraussetzungen, die Thomas Mars mitbringt. Er schafft es Melancholie, verhaltene Euphorie und Optimismus in einem Song zu verschmelzen.
Das französische Quartett darf überhaupt als kleines Pop-Phänomen betrachtet werden. Überall auf der Welt beliebt, bucht man ihre Musik für kultige Film-Projekte wie Sofia Koppolas "Lost In Translation", und natürlich liegt der Anteil von hübschen Mädchen bei ihren Konzerten in den ersten zehn Reihen bei über 90 Prozent. Was der Open Air-Tauglichkeit des Quartetts aber erstaunlicherweise nicht schadet. Im Gegenteil.
Man sollte nicht meinen, dass die im Grundsatz unbekümmerten oder verträumten Songs ein alternatives Festival-Publikum derartig mitreißen können. Sicher, live geben sie sich, von Drummer und Orgler unterstützt, meist raunziger als auf Platte. "It's Never Been Like That" ist rockiger als sonst geraten und sollte dem nur förderlich sein. Insgesamt klingt die Platte recht kompakt produziert. Fast so, als stünde man gemeinsam mit der Band in den Planet Roc-Studios.
Im Arrangment lassen die Songs dagegen viel Platz. Manchmal denkt man sogar, irgendetwas fehlt. Das könnte auch an den recht spärlich gespielten und kontrollierten Drumspuren liegen. Bei Phoenix dient das Schlagzeug, ob elektronisch bearbeitet oder nicht, einzig und allein dem Song. Der Drum-Groove soll den vier Musiker die Möglichkeit geben, ihre Virtuosität zu zeigen. Wahrscheinlich besitzt die Band deshalb keinen festen Drummer. Doch am Ende der Stücke hat sich diese vermeintliche Mangel-Erscheinung jedes Mal in Luft ausfgelöst.
Phoenix ist eine Band von internationalem Format, die die Gratwanderung zwischen Indie und Mainstream mit traumwandlerischer Sicherheit meistert. Gitarren-Pop, wie er sein soll.
5 Kommentare
nur noch 6 tage...
und long distance call (http://switchboard.real.com/player/email.h…) klingt zumindest schonmal vielversprechend!
sind das die "Everything Is Everything"-Phoenix?
nett auch auf myspace (http://www.myspace.com/wearephoenix)
@minime (« sind das die "Everything Is Everything"-Phoenix? »):
Ja! Dieses Jahr wieder auf dem Melt, die Burschen.
Hatte die Platte seit ein Paar Jahre, kaum reingehört und Mittelmässig gefunden (Die Wahrheit war: Zu leise an-gehört und nicht genau hin), hab sie jetzt neuendeckt und höre sie andauernd! Rally, One time too many, das sind kleine Popschätze! Sehr, sehr empfehlenswert.