laut.de-Kritik
Lebensbejahung statt Beziehungstrübsinn.
Review von Matthias MantheMinimalismus bleibt weiter das Haupt-Strukturelement für Raz Ohara-Langspieler. Mit "II" legt der gebürtige Däne Patrick Rasmussen aber nicht nur im Titel reduktionistisch nach – schon der 2008-Release war selbstbetitelt -, sondern geriert sich auch musikalisch erneut nicht als Prahlhans. Und so wie Rasmussen aka Raz Ohara die schwer beziehungsdepressive Vorgänger-LP mit einem vogelzwitscherndem Hoffnungsschimmer gen Frühling abschloss, ist "II" nun die luftig-leichte Sommerplatte.
Dafür zog sich der Künstler mit seinem Gitarristen Tom Krimi im Sommer aus der Großstadt aufs Land zurück. Im Zuge zahlreicher Jam-Sessions sind einige hübsche Pressefotos entstanden, die Rasmussen, Krimi und Langzeit-Kollaborateur Oliver 'The Odd Orchestra' Doerell in rustikalen Verschlägen oder ganz entspannt am See zeigen. Sie betonen die Natürlichkeit des Entstehungsprozesses, das sukzessive Zueinanderfinden einzelner musikalischer Versatzstücke ohne Zeit- und Leistungsdruck.
Zurückgenommene Gitarrenakkorde wurden geloopt und gelayert, dann wieder Naturgeräusche der Umgebung eingefangen, bis sich Doerell schließlich wie schon vor über zwei Jahren im Studio ans finale Arrangement machte. Hie und da ergänzen nun Pedal Steel, Synthies sowie dezente Streicher- und Bläser-Samples Oharas wundervoll sanfte Intonation an der Akustikgitarre. Diese schöne hohe Stimme wird wie zuvor von einem mitunter herrlich geshuffelten Jazz-Schlagzeug begleitet.
Mehr noch als zur Selftitled-Zeit atmet hier jeder Moment Kontemplation und die frische Luft des Freiraums Natur. Wäre "II" nicht bar jeder politischen Botschaft, man könnte es als Aussteigerplatte bezeichnen: Viele Songs kommen nicht nur ganz ohne Refrains aus; dem Jam-Ursprung geschuldet, fließen sie häufig minutenlang in unkonkrete Terrains hinaus, die nach Krautrock-induziertem Hippiefolk Marke Jefferson Airplane klingen ("Wildbirds") oder sich im Elektroakustik-Metier einrichten.
Dem Geräusch wird dabei zu jeder Zeit mindestens die zweite Hauptrolle eingeräumt: "Losing My Name" erinnert uns mit seinen rückwärts abgespielten Loops daran, dass Raz Oahara eine ganze Zeit lang zur erweiterten Beck-Verwandtschaft zählte. In "Kingdom" ist es das Xylophon, das durch den Sampler in die Unendlichkeit verlängert wird. Letztgenanntes Stück ankert als einziges hörbar in jenen Gefühlszuständen, die auf "I" düster schwelten, während sich der Rest des Albums an seiner ereignisarmen, aber grundsätzlich zuversichtlichen Genügsamkeit erfreut.
In Anbetracht von so viel Unterstatement wirkt der tatsächlich sehr gelungene Jazz-Ausflug "The Burning" – das Highlight der Platte - geradewegs uptempo und aufwühlend. Ein Mehr solch sommerlich leichter, aber doch mit einem Grundgroove versehenen Motive wären wünschenswert gewesen.
So wirken die flachen Spannungsbögen und sehr offenen Songstrukturen, als sei des Männertrios einzige Zielsetzung gewesen, den schönen Sommer bilderbuchmäßig festzuhalten. Eine rein private Angelegenheit halt. Bloß sind Diashows für Außenstehende eben oft mitunter nur halb so spannend.
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