laut.de-Kritik
Der Verlust als Missing Link.
Review von Matthias MantheManche Analogien gehören sich einfach nicht. Die Floskel "Das Herz ist ein Ozean" etwa. Verbrauchtes Satzgut, verbalschnulzige Gefühligkeit, verneinenswerter Kitsch, oder? Wohl nicht ganz, denn: Da rempelt ein in Berlin lebender Däne, vom Seewetter gezeichnet, nonchalant das Kritikergerüst an und bringt ganz beiläufig die popkritische Metaebene zum Einsturz.
Raz Ohara hat mit Freund Oliver Doerell (The Odd Orchestra) die definitive Trennungsplatte des Wintersemesters 08 geschaffen. Seit fast einer Dekade dem Plattenmachen verschrieben, galt der Sänger in der Vergangenheit mal als Mittler von Prince-Funkness und Beck-Slackertum, verdingte sich als Member einer Breakbeat-/Hip Hop-Crew und bereiste schließlich die Clubs mit Acts wie Alexander Kowalski und Apparat.
Nun die Rückkehr auf die Pfade ruhiger Singer/Songwriter-Introspektion, welche Ohara das letzte Mal betrat, nachdem sein Kapitänsvater auf hoher See das Leben gelassen hatte. Verlust als Missing Link zwischen 2001 und jetzt. Dass auch seine Gegenwart Anlass zu Agonie gibt, stellt jede der elf Songperlen außer Zweifel. Sie tragen so viel persönliche Last mit sich, sie wollten sich am liebsten gleich wieder in die Muschel verkriechen, den Vorhang zuziehen und ihrem Schöpfer lauschen, der in sentimentaler Intimität über den Beziehungs-Breakup reflektiert.
Ohara zeichnet dafür eine nostalgische Klangtapete für noch in Auflösung befindliche oder schon vergangene Momente. Fragmentierte Streicher, plätscherndes Schlagzeug und miniaturisierte Keyflächen rücken stets dessen milde Kummerstimme nach vorne. Mitunter bricht sich stream-of-consciousness-artiger Sprechgesang Bahn durch die schwarzgehaltene Garderobe. Man höre, wie der spooky Pinseljazz "Counting Days" den Horror unstillbarer Sehnsucht vertont.
Wie ein Flüstern im Halbschlaf hält das erzählerische Ich uns darin wach, bis in "Love For Ms. Rhodes" die Vögel frühlingshaft zwitschern, wir uns die Augen reiben und seltsam entrückt fühlen. Der untypischste Release auf dem Tanzlabel Get Physical schwimmt im Blues und fordert alle erdenkliche Aufmerksamkeit. Das Herz ist ein Ozean. Und vorliegendes Album die dazugehörige Seekarte.
Noch keine Kommentare