25. September 2015

"Bevor wir Schmarrn machen, machen wir nix"

Interview geführt von

Zwei Teile vom Blumentopf erzählen, warum sie ohne den Rest unterwegs sind. Außerdem geht es um politische und radiotaugliche Songs, den Umgang mit Kritik, Waldorfschul-Nazis, Idole und eine missglückte Kendrick Lamar-Platte.

"Roger & Schu vom Blumentopf veröffentlichen mit 'Clap Your Fingers' am 18. September 2015 ein erstes gemeinsames Soloalbum." Als uns diese Nachricht erreichte, fragte man sich fast zwangsläufig: Und was macht der Rest vom Topf?

Um dieser und anderen Fragen auf den Grund zu gehen, treffen wir uns an einem sonnigen Mittwochvormittag in einem Berliner Mittelklasse-Hotel. Roger heißt mich gut gelaunt willkommen, während sich Schu noch was vom "Schwarzen Gold" nachgießt. DJ Sixkay, der die beiden bei ihren Live-Auftritten unterstützt, sitzt ebenfalls mit am Tisch.

Nach den ersten Sätzen erkennt Roger direkt meinen unversteckbaren schwäbischen Akzent. Als Teenager wohnte er nur unweit von meinem Heimatkaff entfernt. Wir quatschen bissle über die Stuttgarter Vorstädte: "Schwaikheim ist die Talentschmiede Nummer eins, das Silicon Valley der Rap-Industrie Deutschlands, sozusagen. Haha, da gibt es halt gute Luft und Dorfnamen, ey ... Zipfelbach (lacht). Na, egal, lass uns anfangen."

Was macht ihr hier in Berlin? Roger meinte schon, dass ihr auf Promo-Tour seid.

Roger: Berlin ist cool, weil wir hier Connections haben. Wir verbinden die Promo mit Leute treffen, das ist ganz geil.

Also chillt ihr auch ein bisschen und schaut euch die Stadt an?

Schu: Naja, ne. Den Reichstag und so haben wir uns schon angeschaut. Wir haben heute aber viele Interviews, das zieht sich bis zum frühen Nachmittag. Morgen werden wir dann noch Freunde treffen.

Roger: Das Touri-Programm haben wir, glaube ich, vor 20 Jahren schon erledigt.

Zieht ihr abends noch um die Häuser?

Roger: Klar!

Wohin gehts?

Roger: Heute habe ich erfahren, dass es in der Bar ohne Namen so einen Sketch-Circle gibt, da soll es gutes Bier geben. Das weiß ich für heute. Da hangelt man sich dann von Augustiner zu Molle, dann geht es in die Gosse, und morgen geht es dann sehr viel schlechter (grinst).

Dann verbindet ihr euren Aufenthalt hier also durchaus auch mit Privatem.

Roger: Das Musikmachen ist so halb privat. Ich würde jetzt nicht meine Freunde mit zum Interview-Marathon nehmen. Aber das Ding ist, die meisten hier kenne ich über das Musikmachen. Und die treffe ich dann hier wieder. Ich weiß gar nicht, wo die Grenzen zwischen Privatem und Geschäftlichen sind. Die sind bei mir fließend.

(An Schu gewandt) Geht dir das ähnlich?

Schu: Jaja, klar, ich habe hier auch 'ne Menge Freunde (lacht).

Stressen euch Interviews?

Beide: Ne, überhaupt nicht.

Schu: Ich mein', deswegen sind wir ja losgefahren. Wir haben ein Album gemacht, und es wäre cool, wenn einige darüber reden würden und es einige kaufen. Wenn uns Interviews stressen würden, wären wir hier falsch. Es gibt Künstler, die das stresst, aber dazu gehörten wir eigentlich nie. Nicht jedes Interview ist cool, das kann schon auch mal stressig sein, aber das kommt sehr selten vor.

Ihr seid ja jetzt nur noch zu zweit. Warum? Was ist mit dem Rest vom Blumentopf?

Roger: Naja, wir haben ja schon öfter Solo-Sachen gemacht. Das ist halt jetzt untypisch, dass zwei von uns was zusammen machen. Aber der Holunder hat geschäftlich zu der Zeit was ganz anderes gemacht, Sepalot produziert eh wild in der Gegend herum und Cajus hat ein Strand-Café am Weißensee gepachtet. Wir waren eben die Typen, die im Backstage-Raum standen und Bock hatten, Tracks aufzunehmen. So hat das angefangen. Das war einfach für alle am besten, das so zu machen. Wenn man es schon abseits von den Topf-Dingern macht, dann richtig. Wenn, dann muss man nur wenige von uns dabei haben. Weil sonst hat man gar nicht diesen Urlaub von den anderen und es ist immer das Gleiche, nur dass eben einer mal nicht mitrappt. So haben wir uns extra andere Produzenten geholt, und der DJ Sixkay ist jetzt auch mit auf der Bühne, nicht Sepalot. Das muss sich einfach so ein bisschen trennen.

Und das machen wir einfach, glaube ich, weil jeder so in seiner Phase steckt. Ich bin da so ein kleiner Fanatic. Wenn die anderen Urlaub machen, dann denke ich: 'Kommt, jetzt noch ein Lied.' Und Schu geht es da, glaube ich, ähnlich. Wobei, der braucht mehr Urlaub als ich, weil der sich auch um die ganzen Videos und so kümmert. Der ist auch bei Blumentopf so der Verlink-Typ, der Kommunikator. Man fragt ihn, wenn sich keiner meldet.

Schu: Genau, wenn sich keiner meldet, werde ich angerufen von den Externen und gefragt: 'Warum meldet sich denn keiner?' (Beide lachen)

Bleibt ihr jetzt erst einmal zu zweit?

Roger: Das kann man echt nicht sagen. Wir haben jetzt drei bis vier Auftritte gegeben und machen dann 'ne kleine Tour. Aber auch bei Blumentopf war das nie so fest. Als wir die zweite Platte gemacht haben, wussten wir auch nicht, bleibt das jetzt so? Machst du das jetzt für immer? Ich habe keine Ahnung. Wir machen einfach das jetzt mal zu zweit und gehen immer von einem zum nächsten. Also das bleibt wahrscheinlich so, dass man immer so vom einen ins nächste stolpert.

Aber ihr könnt euch schon vorstellen auch mit den anderen wieder was zu machen, oder?

Schu: Ja, klar kann man sich schon vorstellen. Aber es sieht halt so aus, als würden sich da die Lebensentwürfe der anderen anders gestalten als hier jetzt noch wirklich hardcore Musik zu machen. Müssen wir sehen.

Roger: Blumentopf wird auf jeden Fall noch auf der Bühne stehen! Aber was da jetzt in der Zukunft Release-mäßig passieren wird, das ist total offen. Aber das hat eigentlich vor vier Platten schon angefangen, dass man nie wusste, ob noch was kommen wird. Und bevor wir Schmarrn machen, machen wir nix.

Eure gemeinsame Facebook-Seite ging im Januar schon online. Da wart ihr aber doch bestimmt noch mit der Texta-Kollabo "#HMLR" beschäftigt. Hat sich da schon herauskristallisiert, dass die anderen nicht mehr so viel Bock haben?

Schu: Was heißt 'nicht mehr so Bock haben'? Dass Roger und ich gemeinsam ein Album aufnehmen wollen, war eigentlich vor dem Texta-Ding schon klar. Wir hatten an unserem Album gearbeitet, und dann sind wir so in dieses #HMLR-Texta-Ding reingeschlittert. Das hat halt super Spaß gemacht. Das kam dann eben dazwischen. Aber dass wir ein Album machen, war vorher schon klar.

Roger: Wir wollten auch nicht, dass unser Ding jetzt total im Weg steht. Wir wollten nicht auf die Medien-Partner zugehen, Interviews geben nur um einen Monat später zu sagen: 'Hey, wir sind schon wieder da.' Sind ja dann doch immer die gleichen Typen. Wir waren gestern zum Beispiel bei N-Joy Hip Hop Soundfiles, und vor zwei Monaten eben auch schon. Also in der gleichen Besetzung, nur dass eben der Cajus noch mit dabei war. Wir kennen auch die Moderaten jetzt schon so gut, ich war bestimmt schon sechs oder sieben Mal da. Der weiß ja gar nicht mehr, was er mich noch fragen soll.

Die Songs von eurem Album gibt es also schon eine ganze Weile?

Schu: Die Idee davon gibt es schon seit einer ganzen Weile. Wir haben vor allem im letzten Monat noch super viele Songs gemacht. Es hieß halt: 'Könnt ihr das Album schon in einem Monat abgeben?' Dann haben wir kurz überlegt und gesagt: 'Das wird krass, aber kriegen wir schon irgendwie hin'. Die (Label: Showdown Records, Anmerkung der Redaktion) meinten, es gebe halt Gründe, dass es cool wäre, wenn es früh rauskommt. Und in der kurzen Zeit sind bestimmt noch einmal fünf Songs entstanden. Aber auf der TNT-Tour ist wenig entstanden, so viel kann ich sagen. Das hatten wir zwar vor, aber das hat nicht ganz geklappt. Uns war es dann doch wichtiger, mit den anderen Spaß zu haben, anstatt sich nach der Show irgendwo zu vergraben und Songs zu machen.

"Da siehst du mal, wie underground wir ticken!"

In dem Song "Frieden" bezieht ihr politisch Stellung. Da habe ich mich gefragt, ob ihr es euch vorstellen könntet, auch mal über die Flüchtlings-Situation zu schreiben.

Schu: "Frieden" ist ja eher humorvoll. "Ein bisschen Frieden", das ist ja schon ein ganz schlechter Satz. Was ist bitte ein bisschen Frieden? Also, was soll das? Darauf baut das ja auf. "Wir wollen ein bisschen Frieden, aber nicht zu viel." Das spiegelt wieder, wie es gerade ist.

Roger: Ich will nur meine Ruhe haben.

Schu: Genau. Bitte hier bei uns Frieden, aber wenn irgendwo anders auf der Welt Krieg ist, dann ist es uns auch Wurscht. 'Bitte ein bisschen Frieden hier bei uns.' Das ist ja eher eine ironische Herangehensweise an dieses politische Thema.

Roger: Man traut sich einfach oft nicht, etwas Schlaueres als alle anderen in dreieinhalb Minuten über Griechenland oder die Flüchtlinge zu sagen. Und es dabei gleichzeitig noch unterhaltsam zu machen. Das entspricht meinem musikalischen Schaffen eigentlich nicht. Ich finde schon, dass man Statements drin haben sollte, die ich mir zutraue und die ich gut machen kann.

Schu: Das ist eben so das Problem. Unsere Musik soll unterhalten. Und ich finde, gerade bei der Flüchtlings-Politik, da geht mir dieser Unterhaltungs-Spaß-Faktor verloren. Da wäre die Ansage gegen diese Flüchtlingsfeindlichkeit so krass, da geht mir selber der Humor langsam verloren. Da weiß ich nicht, ob ich ein unterhaltendes, lockeres Lied zu dem Thema hinkriegen würde. Das wäre sehr verbittert und radikal.

Das heißt, ihr habt den Anspruch, mit eurer Musik zu unterhalten.

Schu: Das macht halt Spaß. Und ich hätte keinen Spaß daran, einen Nazis-Raus-Song zu schreiben, obwohl es vielleicht an der Zeit wäre. Aber darauf habe ich keine Lust. Das hat nix zu tun mit der Musik, wie ich sie mache.

Roger: Wir spielen dann lieber "Pussy Drugs Money" live auf einer großen Demo in München, bei der gegen die schlechte Flüchtlings-Politik demonstriert wird. Das ist eher so unser Ding. Wir versuchen uns da schon zu engagieren, aber auf unsere Art und Weise. Das finde ich auch ganz geil, wenn man so seinen Platz kennt. Und wir versuchen da schon mitzumischen, denn es ist natürlich totale Scheiße die da abgeht.
Man kann es schon machen, aber es ist ein sehr heikles Thema. Und darüber ein richtig geiles Lied zu machen, ist oooberschwer. Vor allem, weil es ja oft auch vom Tagesgeschehen abhängig ist. Übermorgen passiert das, und gestern fertig geschrieben - kann man direkt wieder umschreiben. Nein, es ist einfach schwer.

DJ Sixkay: "Frieden" ist ja eher ein subtileres Ding und kein Zeigefinger-Song. Aber wenn man aktiv zuhört, dann können die Leute darüber auch nachdenken. Es ist ja immer schwierig, wenn man sagt: 'Du machst was falsch', anstatt einen Track zu machen, bei dem man nach dem Hören denkt: 'Ah, ja, stimmt, könnte sein.'

Roger: Es war ja schon immer Blumentopf-Tradition, dass man versucht, einen anderen Ansatz zu haben als alle anderen bei so einem Thema. Egal, ob "Danke Bush" oder "Da Läuft Was Schief": Das waren auch politische Songs, aber jetzt nicht (ahmt eine brüllende Metal-Stimme nach) Ihr müsst alle raus! (lacht)

Was sind denn Waldorfschul-Nazis?

Roger: Welche, die das Hakenkreuz tanzen können. (Alle lachen) Der Song "Nazis" hat damit angefangen, dass es in meinem Freundeskreis einen extremen Xbox-Nazi gibt.

Schu: Ich glaube, das ist auch verbreiteter als man so denkt. Das gibt es überall so ein bisschen.

(Alle zählen ein paar Nazis auf): Musik-Nazis, Rap-Nazis, Underground-Nazis.

Roger: Das war ziemlich schwer. Bei dem Lied haben wir drei bis vier Ansätze gehabt. Es hieß erst "Rassismus". Aber das hatte dann so einen Kabarett-Ansatz, bei dem man aufpassen muss, dass man nicht total abgleitet. (Schaut zu Flo) Ich darfs doch kurz zugeben, oder?! Der Grundansatz war: 'Rassismus ist schwul', und ich hatte diese Vision vor mir. Du kennst doch diesen FIFA-Clip, in dem alle so mit dem Gesicht zu sehen sind und sagen: "No racism". Und ich saß da so, hatte vielleicht einen zu viel geraucht, und dachte dann so: Wenn jetzt Lukas Podolski kommen würde und sagt: 'Rassismus ist schwul', dann wäre das der Spot des Jahres. Einfach, weil diese Aussage einfach so dumm wäre. Aber als wir es dann live zwei, drei Mal gemacht haben wurde uns klar, dass das einfach zu dumm ist. Manchmal ist das der richtige Weg, ich weiß, aber wir haben es dann doch gelassen. Wenn man da vor einer Pegida-Demo steht und singt "Rassismus ist schwul", das geht einfach nicht.

Also habt ihr so partout nichts gegen Waldorfschulen?

Beide: Ne!

Schu: Das sind ja so viele verschiedene Bilder. Und gegen manche hat man halt total was. Aber gegen den Doppelreim-Nazi hast du natürlich auch was, aber eben keinen Hass. Wir haben auch unseren Xbox-Nazi ganz gern.

Ihr hattet auf eurem letzten Blumentopf-Album so einen richtigen Radio-Song ...

(Beide unterbrechen empört) Echt? Komm hör' auf!

Schu: Warum hast du nicht Bescheid gesagt, dass wir im Radio laufen?

Roger: Was meinst'n jetzt? "So Lala"?

Ne, ich rede von "Bin Dann Mal Weg". Ich meine, auch mal in einem Interview gelesen zu haben, dass ihr den Song fürs Radio geschrieben habt.

Schu: Jaaa, was heißt 'fürs Radio geschrieben'? Als der Beat von "Bin Dann Mal Weg" stand, war früh klar, dass der jetzt nicht so Hip Hop-mäßig, sondern eben sehr musikalisch ist. Und Cajus hat den Chorus am Anfang gesungen gehabt. Aber dann fanden wir es geil, wenn das jemand Radio-mäßiger singt, wenn man so sagen will.

Roger: Das wäre bei dem Lied eben verschenktes Potenzial gewesen. Dann haben wir den Pohlmann geholt und wussten dann schon, für manche wird das vielleicht zu ... Wir sind da immer super selbstkritisch. 'Können wir sowas machen mit so einem Sänger? Wie machen wir das live?' Ich finde den Song cool, aber den hatten wir selten in unserer Live-Playlist, und der geriet schon fast in Vergessenheit. Deshalb, als du Radio-Song gesagt hast ...

Ich wollte euch damit jetzt nicht auf den Schlips treten!

Schu: Da siehst du mal, wie underground wir ticken. Da sagt jemand 'Radio-Song', und wir ticken aus (lacht).

Roger: Genau, wir haben keine Radio-Songs!

Worauf ich hinauswollte: Ihr seid Musiker, ihr lebt davon. Also wollt ihr Platten verkaufen. Radio-Songs, viel geklickte Videos bei YouTube bedeuten Promo. Ein viel gespielter Radio-Song heißt ja dann auch, dass ihr mehr Platten verkauft.

Schu: Ja, sollte so sein, ja. In der Regel schon, klar.

Und ich hatte mich gefragt, wie wichtig euch dieser Aspekt ist, da es auf "Clap Your Fingers" so einen Song nicht gibt.

Schu: Ne, aber das gab es ja auch bei Blumentopf nur zwei Mal. Das war "So Lala" und "Bin Dann Mal Weg". Das gabs auch sonst nie. Ich mein', wenn es passiert, dann ist es gut. Das hatte sich bei den einzigen beiden Radio-Songs, die wir je hatten, einfach so ergeben. Bei "So Lala" war die Idee da, dieses 'Schalala', und wenn man das cool macht dann kann da ein Radio-Song draus werden. Und bei "Bin Dann Mal Weg" war der Beat da und dann auch diese Idee. Dazu klang es noch sehr melodisch und halt Radio-mäßig. Und dann haben wir es einfach gemacht. Aber wir haben uns nie hingesetzt und aus dem Nichts einen Radio-Song geschrieben. Das wollen wir nicht machen. Ganz ehrlich, das können wir wahrscheinlich auch gar nicht so gut wie viele andere. Dafür müssten wir uns jemanden holen, weil so Musik machen wir gar nicht. Wir machen die Musik, wie wir sie wollen. Und bei "Clap Your Fingers" jetzt hat sich die Frage gar nicht gestellt, einen Radio-Song oder Hit zu machen. Ich finde "Deine Jungs / Meine Jungs", was wir gerade ausgekoppelt haben, hat jetzt vielleicht keine Hook, die du ständig mitsingen würdest, aber ich finde, das ist schon so ein Radio-Song. (Lacht)

Ehrlich? Ich finde "Hirnverbrannt" ist so ein heimlicher Hit.

Schu: Ah, ja? Dann lass' es doch bei euch mal laufen!

Roger: Ne, also wir denken gar nicht an Radios. Wie man heute auch nicht mehr an Musikfernsehen denkt. Wir machen selber eine Radio-Sendung und versuchen, darüber sehr viele Songs zu spielen. Die haben aber nichts mit der offiziellen Radio-Musik zu tun. Normales Radio spielt solche Musik eigentlich eh nicht. Du kannst vielleicht den Sido mal bringen oder den Cro mal ...

Schu: Cro ziemlich oft.

Zu oft.

Roger: Ja, aber das ist gar nicht unser Anspruch. Wir wollen in erster Linie geile Musik machen.

"Was willst du nach Eminem noch machen?"

Dann ist euch der ganz große Durchbruch echt völlig Wurscht?

Roger: Na, wir haben natürlich nichts dagegen, erfolgreich zu sein, aber wir bringen die Platte auf Showdown Records raus, wir teilen uns ein Doppelzimmer heute - da ist jetzt nicht das ganz große Budget dahinter. Wir wollen einfach, dass es gut ist und dass wir damit coole Konzerte spielen können. Und wir sind mit Blumentopf erfolgreicher, als viele denken. Das finanziert uns immer noch. Wir wollen gar nicht auf der Titelseite stehen, darum geht es gar nicht. Die Leute sollen sich unsere Platte mal anhören. Wer Bock hat, hört halt rein. Wer sie geil findet, kommt aufs Konzert. Und wer es nicht geil findet, der darf es auch scheiße finden. Wäre gut, wenn sie mir das dann nicht täglich schreiben würden, aber du bist nicht gezwungen, diese Platte zu feiern.

Apropos Konzerte: Mal angenommen, ihr steht vor einer Crowd, die weder von vornherein voll abgeht noch eure Texte auswendig kennt ...

Schu: Scheiß Stadt!

Roger: Wo sind wir hier? Scheiß Stadt, sag' den Städte-Namen ... Klingt schon komisch. (Allgemeines Gelächter)

Treibt es euch an, die Crowd dann anzufeuern oder deprimiert euch das eher?

DJ Sixkay: Die ist zu abstrakt, die Frage.

Roger: Ja, genau.

Schu: Ne, aber unser Album ist noch nicht mal draußen. Und wenn du dann auf einem Festival bist und Songs spielst, die noch kein Mensch kennt, was willst'n dann erwarten?

Roger: Ging aber bislang. Es war total gut, also wir haben diese Erfahrung noch gar nicht gemacht.

Schu: Ja, mei, die springen halt nicht von Anfang bis Ende durch, wie sie es bei "Safari" zum Beispiel machen. Bei keiner Band der Welt springen alle zu einem Song, den sie zum ersten Mal hören, im Gegensatz zu einem Song, den sie seit Jahren feiern.

Ich meinte mehr, was es für ein Gefühl ist, da oben zu stehen, alles zu geben und nur die ersten zwei Reihen bouncen ein bisschen, während der Rest unbeteiligt zuguckt.

Roger: Das passiert Gott sei Dank nicht so oft. Das ist ja auch die Aufgabe eines Live-MCs, die Crowd zu unterhalten. Aber du kannst es auch nicht erzwingen. Es kommt total auf die Situation an. Ich muss sagen, selbst wenn es passieren sollte, dass sich nur zwei freuen und der Rest desinteressiert daneben steht, musst dus als Profi halt durchziehen. Aber das ist uns in den ganzen Jahren so gut wie noch nie passiert.

Juckt euch, was wir, die Medien, so über euch schreiben? Ich hatte zu "Nieder Mit Der GbR" ein Interview in der Juice gelesen. Ihr wurdet zwar ganz nett interviewt, aber die Review ging dann in die Richtung 'irrelevante, nicht mehr zeitgemäße Musik'. Trifft euch das persönlich?

Schu: Das kommt immer darauf an. Gerade wenn du das Gefühl hast, jemand ist total nett und freundlich vornerum, aber hintenrum irgendwie so einen Stiefel auspackt, dann ist das eher ein persönliches Ding. Mich freut es natürlich nicht, sowas zu lesen, aber was mich nervt was anderes viel mehr: Wenn sich die Leute nicht mal mehr die Mühe machen, sich die Sachen überhaupt anzuhören. Ich beziehe mich jetzt nicht auf die Juice, aber es ist schon oft passiert, dass man Zeilen liest wie: 'Blumentopf, die rappen doch nur übers Kiffen, langweilig.' Ich mein', ganz ehrlich, was soll das? Die kriegen da Geld dafür, das ist deren Job. Also sollen die sich das auch verdammt nochmal anhören. Du darfst es gerne schlecht finden, aber hörs dir doch wenigstens an. Da sitze ich dann da, und das nervt mich, wenn jemand seinen Job nicht richtig macht. Es freut dich natürlich nicht, wenn du liest, dass Leute dein Zeug schlecht finden. Eigentlich ist es Wurscht, aber ja ... Passiert auch nur Künstlern und Musikern, weil sie nach draußen gehen und sagen: 'Kaufts euch.' Und dann kommen die Leute und sagen: 'Ja, finde ich scheiße.' In anderen Jobs passiert das ja gar nicht.

Roger: "Nieder Mit Der GbR" hat eigentlich sehr gut abgeschnitten. Juice hat mich gewundert, dass die das nicht so gut fanden.

Schu: Da war ich auch sauer.

Roger: Naja, ich war jetzt nicht persönlich sauer, aber ...

Also trifft es euch schon.

Schu: Wie gesagt, weil es persönlich eben anders rüberkam, als es dann zu lesen war.

Ich wollte jetzt gar nicht gegen die Juice wettern, ich wollte nur generell wissen, ob ihr euch Reviews über eure Platten durchlest.

Roger: Das Problem ist ja nicht, dass das nur ich lese. Sondern das lesen ganz viele andere auch. Und manche Leser hören dann vielleicht gar nicht mehr rein. Aber ich sag' mal so, beim Namen Blumentopf wissen ganz viele Leute sowieso schon, was sie davon halten. Wir sind ja so Urgesteine, die da rumtanzen. Manche können es auch, glaube ich, gar nicht verkraften, dass wir fast immer eine ausgebuchte Tour spielen. Selbst für mich ist das manchmal schwer zu glauben, dass das immer noch so gut funktioniert. Ich hätte eh nicht geglaubt, dass das ganze Ding so lange so gut läuft. Und dass wir immer noch in manchen Rap-Songs vorkommen, auch wenn es nicht positiv ist, überrascht mich. Wir scheinen in deren Leben eine Relevanz zu haben. Ich meine, spinnt ihr? Echt jetzt? Wenn ihr uns so wack findet, was soll das dann? Ich rede auch nicht über eine Videospiel, das ich vor 20 Jahren schlecht fand. Sowas gibt mir dann auch ein kleines Glücksgefühl.

Aber ihr surft jetzt nicht das Internet ab und lest euch Reviews über euch durch?

Roger: Ne, ich kann auch nur jedem Musiker raten, das nicht zu tun. Es sei denn, er will depressive Selbstmord-Musik machen. Manchmal liest man so rein, aber nach spätestens drei YouTube-Kommentaren trinkt man erst mal einen Kaffee.

Schu: (Lacht) Ja, genau. Ich lese morgens nicht die Zeitung, ich lese YouTube-Kommentare.

Roger: Edgar Wasser hat das bei seiner ersten CD gemacht. Er hat die dümmsten Kommentare in sein Booklet gepackt. "Hurensohn-haftig wack" - sehr geil.

Wer sind eure größten Rap-Idole? Wer hat euch am stärksten beeinflusst oder am meisten beeindruckt?

Roger: Oberkrass fande ich immer Pharoahe Monch. Ich flippe jetzt nicht mehr bei jedem neuen Download aus, aber er hatte schon zu früher Zeit eine unfassbare Technik und Vielseitigkeit, und textlich war er der lautmalerischste Rapper, der auch noch gut singen konnte. Das hat mich früher total beeindruckt. Organized Konfusion habe ich nur wegen dem angehört. Ich muss aber noch einen nennen: Sean Price. Er war der beste Alliterations-Pausen-Rapper, den es je gab. Er hat zwar nie etwas verändert, aber hat immer alles richtig gemacht. Eine Bärenstimme, live eine Bombe! Ich glaube auch, den findet jeder gut. Was willst du gegen Sean Price auch schon sagen? Wenn der den richtigen Beat hat, zerlegt er einfach alles.

Schu: Hatte.

Roger: Was?

Schu: Na, er ist doch tot.

Roger: Ja, klar, stimmt. Da war ich so traurig wie deine Oma wahrscheinlich, als Lady Diana starb.

Schu: Also das erste Eminem-Album habe ich mir kaum anhören können, weil ich dachte: Jetzt macht es auch keinen Sinn mehr, weiterzurappen. (Gelächter) Ja, das war halt so. Das hast du gehört und dich gefragt, was willst du da jetzt noch machen? Da war einfach alles besser. Ich habe echt lange gebraucht, bis ich es überhaupt ganz anhören konnte. Ohne Scheiß, ey: der Humor, die Reime, der Flow, die Delivery ... Es war der HAMMER! Was er jetzt macht, nervt halt so ein bisschen, muss man sagen. Aber davon muss man sich frei machen und sagen: Früher fand ich ihn gut.

Roger: Es hat aber auch alles gepasst: Der Underdog, der sich nach oben kämpft. Storytelling, Battle-Rap, alles war einfach am besten. Oder wie Sean Price gesagt hat: "Eminem nice, but Eminem white" (lachen). Haha, nur andersrum kann man das natürlich nicht sagen: "Dr. Dre wack, but Dr. Dre black" (Gelächter).

Apropos: Habt ihr euch das neue Album schon angehört?

Schu: Ja, das wurden wir gestern auch schon gefragt. DJ Sixkay hats gehört, aber wir nicht.

Roger: Also, ich lasse mir 40 Jahre Zeit, bis ichs mir anhöre.

DJ Sixkay: Es ist jetzt nicht das Album, das ich erwartet hatte.

Roger: Hast ihm das schon geschrieben? Auf Facebook?

DJ Sixkay: Haha, nein, aber das Album ist einfach 'Straight out of Beats', finde ich. Das ist für mich so ein missglücktes Kendrick Lamar-Album. Kompositions- und Arrangements-technisch hat er versucht, extrem musikalisch zu sein. Du hast nicht mehr die 16-Takt-Rap-Strophe, und dann kommt eine Hook, sondern das ist alles sehr wild, und dann kommt noch mal 'ne Bridge, etc. Es ist halt modern.

Roger: So ein bisschen wir unser Album. Er macht halt, was wir gemacht haben.

Schu: Ohne es vorher gehört zu haben. (Lachen)

DJ Sixkay: Ich glaube, die Leute, die erst spät angefangen haben, Rap zu hören und das ganze "Chronic"-Zeug gar nicht kennen, die feiern das total. Aber die Leute, die das damals gehört haben, die werden was anderes erwartet haben.

Roger: Das kommt immer wieder zur Sprache, glaube ich. Früher wurden wir immer gefragt, was wir von Bushido halten.

Schu: Ich glaube, ich muss das jetzt in der Pause noch anhören, um was sagen zu können. Obwohl mir das gefallen hat, das merke ich mir: "Compton" klingt wie ein missglücktes Kendrick Lamar-Album. (Gelächter)

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