laut.de-Biographie
Sara Tavares
Von der Herumtreiberin auf Lissabons Straßen über das nationale Pop-Aushängeschild zu einer der Gallionsfiguren der jungen Garde kapverdischer Musikerinnen: Sara Tavares markiert ihren verschlungenen Lebensweg mit Alben, die weit über die Grenzen ihres kleinen Heimatlandes hinaus Beachtung finden.
Tavares kommt 1978 als Kind kapverdischer Eltern in Lissabon zur Welt. Nachdem sich der Vater in die USA und die Mutter "nach Süden" abgesetzt haben, wächst sie in der Obhut einer älteren Portugiesin auf. Einen wesentlichen Teil ihrer Erziehung übernimmt allerdings die Straße. Sara treibt sich herum und lernt in dieser Zeit die Zurückweisung und Verachtung der Gesellschaft kennen.
Das ändert sich schlagartig, als sie, gerade 15-jährig, die beiden wichtigsten Songwettbewerbe Portugals für sich entscheidet. Sie trägt den Sieg beim RTP Song Contest davon und gewinnt die nationale Ausscheidung zum Eurovision Song Contest. Am 30. April 1994 vertritt sie ihr Land in Dublin mit "Chamar A Música" und erringt - sehr knapp hinter Norwegen und Frankreich - einen achten Platz.
Sara Tavares bringt es in Folge dessen in kürzester Zeit zu nationaler Berühmtheit. Ihr Debütalbum "And Shout" verbindet Gospel, Soul, Funk und Pop. Sie wandelt auf den Pfaden ihrer Vorbilder, amerikanischer R'n'B-Diven wie Whitney Houston und Aretha Franklin - und fährt damit gar nicht schlecht. Tavares tritt in den einflussreichsten portugiesischen Fernsehshows auf, konzertiert inner- und außerhalb Portugals und gibt erstmals ein Gastspiel in der Heimat ihrer Eltern, auf den Kapverdischen Inseln.
Ihr Beitrag zum Soundtrack der Walt Disney-Produktion "Der Glöckner Von Notre Dame" kennzeichnet eine weitere Stufe auf ihrer Erfolgsleiter. "God Help The Outcast" trägt ihr erneut eine Auszeichnung ein.
Die Begegnung mit Lokua Kanza initiiert eine musikalische Wende. Der in Paris lebende nigerianische Musiker und Produzent, der bereits für Afro-Superstars wie Miriam Makeba, Papa Wemba, Youssou N'Dour und Manu Dibango tätig war, nimmt Sara unter seine Fittiche. Kanza produziert Saras zweites Album und wird während der Arbeiten daran zu ihrem künstlerischen Mentor. Er animiert sie zur Suche nach ihrer wahren Identität, zur Rückbesinnung auf sich selbst und ihre Wurzeln.
1998 zieht sich Tavaares aus der Öffentlichkeit zurück und stellt ihre Auftritte vorerst ein. Sie beschäftigt sich ausgiebig mit Musik (und Musikern) aus Westafrika, bereist verschiedene afrikanische Länder und widemt ihre Aufmerksamkeit den Kapverden, wo ihre Ahnen zu Hause sind und ihre Wurzeln liegen.
Nach einer langen Phase der Introspektion erscheint 2001 ihr zweites Album "Mi Ma Bô". Sara verfasst die meisten Lieder selbst. Komponieren betrachtet sie für sich als eine Art der Meditation. Die überfrachteten Poparrangements ihres Debüts gehören der Vergangenheit an. Sara Tavares setzt nun auf afrikanische Rhythmen und melodische, stark gesangsorientierte Popsongs mit minimaler instrumentaler Begleitung. Sie singt in portugiesischer, englischer und erstmals in kreolischer Sprache. "Mi Ma Bô" holt in Portugal Gold, heimst den BBC Worldmusic-Award ein und verkauft sich weltweit wie warme Semmeln.
Für ein Nachfolgealbum lässt sich Sara Tavares Zeit: "Balancê" erscheint im Februar 2006 und behält die mit "Mi Ma Bô" eingeschlagene Richtung bei. Inzwischen komponiert und produziert sie selbst und spielt auch viele der Instrumente persönlich ein. Tavares bezeichnet ihre Songs, in denen die Wertschätzung der eigenen Person das zentrale Thema darstellt, als "Wiegenlieder für sich selbst." Mit "Alive In Lisboa" folgt 2008 ein Ton- und Filmdokument, das ihren Weg seit "Mi Ma Bô" auf einer 2CD & DVD-Box hervorragend nachzeichnet.
Ein Jahr später freut sich die Weltmusikgemeinde über "Xinti", bei dem "es nicht um Songs geht, sondern um Gefühle. Das Leben muss sich immer weiterbewegen, wie das Meer. Es muss sprudeln. Man kann es mit einer Suppe vergleichen, die erst kräftig umgerührt werden muss, damit sie gut schmeckt. So muss manchmal auch das Leben schwer sein, bevor es rein wird."
Die schweren Seiten des Lebens sollen in den nächsten Jahren jedoch überwiegen: Noch im selben Jahr wird bei Tavares ein Hirntumor diagnostiziert, der sie zu einer längeren Schaffenspause zwingt.
2017 veröffentlicht Sara ihr sechstes Studioalbum "Fitxadu". Die Electro-lastige Platte wird für den Latin Grammy Award nominiert. Im September 2023 erscheint ihre letzte Single "Kurtidu". Zwei Monate später stirbt Tavares an den Folgen ihres Hirntumors.
Noch keine Kommentare