laut.de-Kritik
Von wegen "Elektronikalbum": Nix Halbes, nix Ganzes.
Review von Olaf SchmidtWas macht ein Rockmusiker, wenn er beginnt, sich zu langweilen? Das hängt von der Stilrichtung ab. Während man im etwas breitbeinigeren Rock ein Seitenprojekt aufzieht oder als Gast bei anderen Künstlern mitspielt, kommt der geneigte Indie-Mensch offenbar auf die hübsche Idee, eine Elektronikplatte aufzunehmen. So möchte zumindest das Label Matador das neue Klangerzeugnis von Stephen Malkmus verkaufen und beweist damit die gleiche Orientierungslosigkeit, die auch wir beim Hören empfinden. "Groove Denied" ist alles Mögliche geworden, aber kein Elektronikalbum.
Doch der Reihe nach. Stephen Malkmus, seines Zeichens ehemaliger Frontman von Pavement, vergnügt sich seit vielen Jahren solo mit einer neuen Begleitkapelle. Die Jicks, mit denen er seine letzten drei Alben einspielte, blieben für "Groove Denied" allerdings zu Hause auf der Couch. Malkmus bastelte etwa zwölf Jahre lang alleine im stillen Kämmerlein an seinem neuen Werk herum und spielte alles selbst ein. Das Endergebnis kam bei seinem Labelchef so gut an, dass dieser 2017 zunächst von einer Veröffentlichung abriet. Die Zeit sei noch nicht reif. Warum diese Aussage zwei Jahre später keinen Bestand mehr hat, wäre interessant zu erfahren.
Sehr herausfordernd bleibt "Groove Denied" allemal. Der sperrige Auftaktbrocken "Belziger Faceplant" beweist exemplarisch, wie wichtig ein guter Einstieg in ein Album ist. Das Stück macht wenig Spaß und dient eher als experimentelle Übung im Bereich Synthesizer-Bedienung. Meine vorhandene Aufgeschlossenheit, als ich von einem "Elektronikalbum" las, hatte sich nach dieser ersten Prise Ungenießbarkeit jedenfalls zunächst in Luft aufgelöst.
Mit "A Bit Wilder" findet der Kalifornier anschließend zum Glück die Spur Richtung Songwriting wieder. Der Song mit prägnantem Gitarrenlick klingt wie eine verschollene Demo-Aufnahme aus den Frühzeiten von The Cure. Malkmus' Inspirationen leben in den 80ern. "Viktor Borgia" gemahnt an frühe Wave-Songs und auch die Eurythmics. Dazu passt nichts besser als dadaistische Lyrik, meint zumindest der gute Stephen. "Your eyes are like a present from a peasant", lernen wir. Wer weiß, was Bauern normalerweise schenken, schreibe bitte eine Mail an die Redaktion.
So ganz kann Malkmus aber doch nicht aus seiner Haut. "Come Get Me" klingt wie seine früheren Rocksongs und greift auf dementsprechendes Instrumentarium zurück. Kurz in kompositorischer Sicherheit gewiegt, konfrontiert der Musiker den Hörer danach mit "Forget Your Place". Was soll das denn bitte darstellen? Dreieinhalb Minuten monotones Gewaber, ein paar Zeilen Gesang, ein bisschen Gitarrengeplenke. Lassen Sie mich kurz subjektiv werden: ein grauenhaftes Stück, bitte schnell wieder vergessen.
Ab dort nimmt die Hörbarkeit des Albums deutlich zu, und Stephen Malkmus legt die Synthesizer-Experimente weitgehend zu den Akten. "Love The Door" besitzt zwar noch einmal ein merkwürdiges Intro, geht dann aber als richtiger Song über die Ziellinie. So schaut es mit der ganzen zweiten Hälfte von "Groove Denied" aus. Als "elektronisch" kann man dort noch die Drum Computer bezeichnen, beispielsweise im gelungenen Stück "Bossviscerate", mehr allerdings nicht. Wer, wie ich, erwartet hatte, Malkmus verzichte vollständig auf Gitarren und widme sich anderen musikalischen Ausdrucksformen, kann nun entweder enttäuscht oder erleichtert sein.
Was bleibt als Fazit? Die wenigen rein elektronischen Experimente misslingen vollständig und trüben den Eindruck des Albums sehr. Das wirkt in seiner stilistischen Zerrissenheit nämlich mehr wie eine Mischung unveröffentlichter B-Seiten als wie ein eigenständiges Werk. Der Kalifornier wäre besser beraten gewesen, entweder den Indierock-Stil der meisten Songs durchzuziehen oder mehr Mut in die andere Richtung zu wagen. So trifft die Charakterisierung "nix Halbes und nix Ganzes" leider voll zu.
2 Kommentare
Malkmus hat sich sicherlich von Bowies Berlin-Trilogie inspirieren lassen, denn auch hier gibt es experimentelle Elektronik neben Rocksongs und beide haben Jahre in der Hauptstadt verbracht. Nach zweimaligem Durchhören finde ich "Groove Denied" ganz gefällig, aber es hat keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Songs wie "Viktor Borgia" oder "Rushing the Acid Frat" wären auf einer EP besser aufgehoben. Was sich Malkmus vielleicht als "Heroes" meets Berghain vorgestellt hatte, bleibt am Ende nur ein Sammelsurium. "Sparkle Hard" von 2018, auf dem er auch schon mit Synthies und Autotune spielt, ist das rundere und bessere Album.
Ich kann mit "Groove Denied" mehr anfangen als mit Malkmus' anderen Solo-Alben. Gerade das Elektronische finde ich ganz großartig (z.B. "A bit wilder", "Forget your place", "Belziger Faceplant"). Also nicht nur weird, sondern irgendwie sogar fett. Das nicht elektronische "Come get me" ist natürlich auch ein sehr schöner Song. Ich freue mich sehr auf das Konzert in Berlin Ende des Monats, auf das ich vielleicht gar nicht so arg sicher gegangen wäre sonst.