laut.de-Kritik
Volksaufruhr für Rave-Kids und Durchdreh-Drückeberger.
Review von Karim ChughtaiNachdem die Crookers Italien auf der musikalischen Landkarte neu verorteten und das Zepter für Italo-Rave international empor streckten, schließt sich das zweite Schwergewicht vom Stiefelland dem elektronischen Kreuzzug mit voller Loyalität an. The Bloody Beetroots treten mit ihrem Debüt "Romborama" fürs Dim Mak-Label in den Kampf.
Dim Mak steht für die Kunst der tödlichen Berührung, dem Angriff von Nervenpunkten eines Gegners, die es negativ zu stimulieren gilt. "Romborama", ein Hybrid für geneigte Literaten: "Rombo" war einer der Sounds, den die erste Noise-Maschine der Welt erzeugte, "Panorama" rührt vom griechischen "pan" (das Ganze) und "rama" (die Sicht). Krachsicht also! Der Titel als Programm. Auf musikalischer Ebene bedeutet das weniger Intellekt, dafür mehr Volksaufruhr für Rave-Kids. "Rambo Roma" wäre eigentlich genauso passend.
Das Album präsentiert alles, was in Hipster-Blogs Rang, Namen und Interesse besitzt, wie Kollaborationen mit The Cool Kids, Ed Banger Vicarious Bliss oder Justin Pearson von The Locust, deckt Genres zwischen Pop, Punk, Electro und Acid bis hin zu Hip Hop, House und Techno ab, berührt aber leider niemanden tödlich, stimuliert eher negativ, wie es die Dim Mak'sche Kampfkunst nicht unbedingt vorsah.
Der Opener legt die Gangart des folgenden Massakers unmissverständlich nieder. Unglaublich hart, roh, brachial und aggressiv. "This is Romborama, right now, right now" brüllt es hier über 2 Unlimited-Synthesizer, die auch einer getunten Carrera-Bahn entstammen könnten. Nichts für schwache Nerven.
Hin und wieder streifen Elemente der klassischen Musik die kalte Electro-Ladung mit Melodie und Harmonie ("Have Mercy On Us", "Storm" oder "Butter"), erinnern an Justice, zum Teil 80er-Nostalgie à la Kavinsky, ansonsten bläst Sir Bob Cornelius Rifo in Presslufthammer-Methode zum Zapfenstreich für Durchdreh-Drückeberger. Schade, denn die Tracks, die mehr zu bieten haben als das Jump Up-Auf Die Zwölf-Gewitter sind musikalisch absolut hochwertig und trotzdem treibend.
"Awesome" mit The Cool Kids steht als Rap-Electro-Fusion solide da, speist sich allerdings wie viele der 20 Songs vom sich fortwährend wiederholenden Synthiesound, der sich als inflationär verwendetes Klangbauteil viel zu oft in das Korsett der Bloody Beetroots zwängt.
In wunderschöner Electro-House-Robe kleiden sich dafür "Second Streets Have No Name", "FFA 1985", "Make Me Blank" und "Mother", die beweisen, dass hinter der Venom-Maskerade ein wohl ausgereifter Produzent steckt, der neben Instrumenten auch die Dramaturgie beherrscht.
"Cornelius", "It's Better A DJ On 2 Turntables", "Talkin In My Sleep", "Warp" oder "I Love The Bloody Beetroots" zeugen vom Ausschöpfen des Konzepts aus heruntergepitchten Vocals und Bass-Fanfaren der Oldschool-Ästhetik, lassen damit das Gesamtergebnis für "Romborama" öfters als leicht stumpfes, sinnloses Rave-Gepolter erscheinen. "Yeyo" setzt mit einem Touch MSTRKRFT noch einen drauf, bietet Vokals von Tick, Trick und Track auf Ecstasy.
"Romborama" bedient den Dancefloor und lässt den nassgeschwitzten Raver im Ed Banger-Shirt lauthals "Yeah" schreien. Wäre nicht eine Hälfte des Albums akustisch monoton auf das Ausrasten zur Prime Time festgefahren, wäre hier ein wirklich gutes Debüt gelungen. So erinnert die Produktion etwas an ein musikalisches Tourette-Syndrom. Geradewegs raus damit und ab auf die Schnauze. Innovativ ja, musikalisch nicht immer. Die Abwechslung verliert gegen den Hau-Drauf-Typus.
Aber musste Mozart nicht mit ähnlichen Vorwürfen kämpfen, er produziere keine Musik, sondern nur Abgeh-Kram, obwohl er gerade den frischesten (Hipster-) Scheiß hinblätterte?
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