laut.de-Biographie
The Cranberries
Ihr Hit "Zombie" machte die Cranberries in Deutschland endgültig bekannt: Wochenlang hielt sich der Song in den Charts auf Platz eins. Auch international war mit dem '95er Album "No Need To Argue" der Durchbruch erreicht: Das Album verkaufte sich 15 Millionen Mal; für einige Zeit waren die Cranberries plötzlich die erfolgreichste Band der Welt.
Wie Zombies irrten sie danach erstmal durch die Gegend. Die euphorisierten Kritiker verlangten ein drittes Album, dementsprechend überhastet produziert, wurde "To The Faithful Departed" den Erwartungen in kaum einer Hinsicht gerecht. Als die Cranberries dann auch noch ihre Welttournee wegen Erschöpfung abbrachen, glaubten viele an den endgültigen Zusammenbruch. Später stellte sich heraus, dass Sängerin Dolores O'Riordan schwere psychische Probleme hatte.
In Interviews Ende der 90er Jahre spricht sie vom immergleichen Trott, den der plötzliche Weltruhm mit sich gebracht habe: "Sechs, sieben Jahre immer das gleiche. Album, Tour, Album, Tour. Mein Gott, habe ich das gehasst." Irgendwann spielte ihr Körper nicht mehr mit. Sie litt unter Depressionen und bekam massive Angstzustände vor jedem Auftritt. Sie konnte nicht mehr schlafen und hielt es nicht mehr aus, auf der Bühne angestarrt zu werden. "Ich bin nicht wie Courtney Love, die sich auf jedes Cover drängelt und die noch zur Eröffnung einer Bierflasche gehen würde", stellt sie klar.
Dabei beginnt 1990 alles so harmonisch im irischen Limerick unter dem Namen The Cranberry Saw Us. Das damals noch ausschließlich aus Männern bestehende Quartett widmet sich einer einfühlsamen Variante der Rockmusik. Doch erst als Dolores O'Riordan zur Gruppe stößt, entsteht der unverkennbare Cranberries-Sound. 1993 schafft es ihr Song "Linger" in die amerikanischen Charts und der rasante Aufstieg der Iren nimmt seinen Lauf.
Bereits das Debütalbum "Everybody Else Is Doing It, So Why Can't We?" (1994) verkauft sich bestens. Danach kommt die Single "Zombie" und mit ihr die Krise. 1999 scheinen sich die Cranberries wieder gefangen zu haben. Nach über zwei Jahren Pause erscheint ihr viertes Album "Bury The Hatchet". Das Album lässt die sanfte Melancholie früherer Platten etwas außen vor. Um die Jahrtausendwende scheint die Band zu einer gewissen Ruhe gefunden zu haben. Alle Bandmitglieder betonen stets, wie glücklich sie alle sind. "I guess family and friends are the essential key to happiness", findet Dolores O'Riordan in ihrer "Personal Note" am Ende des Booklets zur 2001er Platte "Wake Up And Smell The Coffee", die wieder von vorne bis hinten nach dem Cranberries-rademarksound klingt.
2002 erscheint mit "Stars - The Best Of The Cranberries" die längst überfällige Hitsammlung. Ein Jahr später dürfen die Iren sogar die größte Rock-Hitmaschine der Welt auf Tour begleiten: The Rolling Stones. Auf einigen europäischen Konzerten sind auch die australischen Oldies von AC/DC mit am Start. Dort trifft sich Dolores mit Brian Johnson, um über dessen Musical-Projekt "Helen Of Troy" zu sprechen, an dem der AC/DC-Sänger bereits seit 1996 arbeitet. Seinem Wunsch nach soll Dolores einige Songs dazu beisteuern und angeblich neben weiteren Künstlern auch in dem Bühnenstück auftreten. Die Uraufführung ist für Ende 2003 in London geplant, doch manchmal kommt es anders als man denkt: In diesem Jahr lösen sich die Cranberries auf. Der Erfolgsdruck sei zu groß geworden und O'Riordan nimmt sich eine Auszeit von vier Jahren. 2007 kehrt sie als Solokünstlerin ("Are You Listening?") zurück und verarbietet ihre Erlebnisse.
Doch die Bande zwischen Dolores und ihren langjährigen Band-Kollegen ist größer als gedacht, und so verkündet sie im August 2009, dass die Cranberries an neuem Material arbeiten und eine weltweite Tournee spielen. Ein Jahr später beginnt die große Reunion-Tour, die sie rund um den Globus führt. Zwischen 2010 und 2011 arbeitet die Band an neuem Studiomaterial und präsentiert letztlich im Februar 2012 mit "Roses" ihr erstes Album seit elf Jahren: "Es fühlt sich wunderbar an. Mit den Jungs wieder zu spielen, ist wie, wenn man das perfekte Paar Schuhe anzieht - es passt einfach!". Im Privatleben läuft es weniger rund: 2014 trennt sich O'Riordan nach 20 Jahren von ihrem Ehemann Don Burton, dem Vater ihrer drei Kinder.
In einem Interview mit dem Belfast Telegraph im selben Jahr spricht sie erstmals darüber, in ihrer Kindheit von einem Freund der Familie sexuell missbraucht worden zu sein. Sie sei seither in Therapie und leide unter Selbsthass und Minderwertigkeitskomplexen, die ihre Anorexie zeitlebens befördert hätten, so O'Riordan. 2012 habe sie einen Suizidversuch unternommen.
2015 gründet die Musikerin mit dem früheren The Smiths-Bassisten Andy Rourke und dem New Yorker Produzent Olé Koretsky das Projekt D.A.R.K.. Auf dem im Folgejahr erscheinenden Debütalbum "Science Agrees", einer Mischung aus 80er Jahre-Pop, Wave und Trip Hop, verarbeitet sie ihre gescheiterte Ehe und Gefühle von Kontrollverlust. 2017 bringen die Cranberries für das Album "Something Else" eigene Klassiker wie "Zombie", "Linger" und "Ode To My Family" in eine akustische Form. Aus schepperndem Rock wird dort zarter Folk-Pop, ohne dass der Hymnencharakter ihrer Lieder verloren geht.
Am 15. Januar 2018 stirbt Dolores O'Riordan völlig überraschend bei einem kurzen Studioaufenthalt in London im Alter von nur 46 Jahren. Erst im April 2017 hatten die Cranberries ein neues Studioalbum veröffentlicht ("Something Else"), für das sie zehn bekannte und drei neue Songs unplugged aufgenommen hatten.
Zum Zeitpunkt von O'Riordans Tod sind die Arbeiten zum nächsten vollwertigen Studioalbum bereits in vollem Gange. Die Sängerin hinterlässt zahlreiche hochqualitative Demovocals – genug, um ihre Kollegen zu überzeugen, "In The End" ohne sie fertigzustellen.Pünktlich zu ihrem ersten Todestag veröffentlichen sie die erste Singleauskopplung "All Over Now".
Obwohl sich auf dem Album textlich viel ums Abschiednehmen dreht, betont Drummer Fergal Lawler, dass die Stoßrichtung von "In The End" keineswegs eine negative ist. "Es geht um einen Abschied von einem Teil ihres Lebens, hin zu einem neuen Anfang", interpretiert er O'Riordans Zeilen.
Weitere Touren und Alben schließen die verbleibenden Bandmitglieder Lawler, Noel und Michael Hogan aus. "Daran sind wir nicht interessiert", erklären sie im Interview. "Das würde das Bild der Band zerstören. Dolores war so eine einzigartige Stimme und Person. Zu versuchen, das zu ersetzen, wäre respektlos."
Ähnliche Sorgen plagten die Band vor Veröffentlichung des letzten Albums. Doch letztlich siegt die Zuversicht: "Wir waren uns darüber im Klaren, dass es eines der besten – wenn nicht sogar das beste – Cranberries-Album werden müsste, das in unseren Kräften stand. Wir hatten die Sorge, dass wir durch ein mittelmäßiges Album unser Vermächtnis beschädigen könnten. Doch als wir uns gemeinsam durch all die Demos hörten, die Dolores und ich aufgenommen hatten, erkannten wir, dass wir ein unglaublich starkes Album vor uns hatten. Die beste und einzig richtige Art, Dolores zu ehren."
2 Kommentare
R.I.P fand die immer wunderbar
Hab's auch gerade gelesen. Echt traurig.