laut.de-Kritik
Der "Rockoper" mangelt es an Grandezza und Konfetti.
Review von Franz MauererDie Story von Jenny begleitet The Mountain Goats schon lange. Es begann mit dem Song "Jenny" auf "All Hail West Texas" und tauchte immer wieder im enorm umfangreichen Erzählwerk von Bandchef John Darnielle auf. "Jenny From Thebes" handelt nun in Gänze von jener Frau, die in Westtexas den Verlierern der Gesellschaft Unterschlupf in ihrem Haus bietet und im Laufe des Albums aus dieser Rolle, die ihr Bürde wird, flieht. Die Details sind eher ermüdend, denn Darnielle strickt nicht nur gerne Geschichten, er verliert sich wie in seinen Romanen auch in der Musik gerne in Andeutungen oder in Trivialitäten.
Darnielle selbst spricht bei "Jenny From Thebes" von einer "Rockoper". Man ist geneigt, ihm zu widersprechen, dafür fehlen Grandezza und Konfetti. Was hingegen immer noch stimmt, ist, dass The Mountain Goats in den schwächsten Stellen ihrer Diskographie zum Vehikel degradiert werden, das lediglich Darnielles Mitteilungsbedürfnis und fixe Ideen umrahmt. Auf dem schwachen Opener "Clean Slate" fühlt man sich an solche Lieder der Vergangenheit erinnert, so verzückt wirkt der Sänger von seiner eigenen, auch auf dem 22. Album gewöhnungsbedürftigen, Vortragsweise. Daran ändern Matt Douglas' Streicher- und Bläserarrangements ebenso wenig wie die nicht nur an dieser Stelle zu flache Produktion von Trina Shoemaker.
Das folgende "Ground Level" wartet mit einer schnell präsenten Keyboard-Figur auf, die nie langweilig wird und den Song trägt, sowie einer Melodik, die die Stärken des Richtung Heartland Rock schielenden Ansatzes dieses Albums viel organischer mitträgt. Auch "Only One Way" lebt vom Keyboard, das in dieser Band Darnielle oder Douglas kompetent bedienen. Ansonsten ist der Song vor allen Dingen nett, bis hin zum abschließenden Saxofon-Solo. Darnielles Auslegung von Heartland Rock und Folk Rock bleibt halt immer noch im Soft Pop, seiner musikalischen Herzensheimat, die bei ihm im Alter zunehmend lieblich ("Same As Cash", "Jenny III") ausfällt. Es ist einfach etwas wenig los, um eine Dynamik zu erzeugen, zu der einem sehr solide geschriebenen Song wie "Only One Way" gar nicht viel fehlte. So wirkt "Fresh Tattoo" durchgehend kompetent operationalisiert, aber nie mitreißend, was auch für das von Jon Wurster angenehm gedrummte "Cleaning Crew" gilt, das den Elan der ersten Hälfte leider im ewig gleichen Mid-Tempo verliert.
Diese Kritik ändert nichts daran, dass die Ziegen allein schon qua Erfahrung und Begabung viel Grundlegendes richtig tun und sich ein Song wie das rockige "Murder At The 18th St. Garage" live vermutlich sehr gut schlagen wird, auch wenn ihm in der Studioversion die Luft ausgeht. Nur in dieser Version macht "Jenny From Thebes" schlicht viel zu wenig Spaß. Das frühere Kerngeschäft, diese Art Folk-Pop, für die Darnielle lange stand, hat auf Stücken wie "From the Nebraska Plant" und "Water Tower" ausgedient. Zum richtigen guten Song fehlt dem erstgenannten handwerklich außer den wie auf "Going To Dallas" zu dominant gemischten Percussions gar nicht so viel, nur vermisst man das Herz und die Seele schmerzlich.
Und das liegt nicht am Gesang, denn Darnielle berührt bei "I clung to you for days/ but I am strong now" durchaus. Die Instrumentalisierung passt nie richtig, wirkt immer etwas oberflächlich; vielleicht, weil sie Darnielle mit seinem zurückhaltenden Vortrag nicht genug herausfordert, stellenweise nimmt Darnielle Drive heraus, den die Gitarren wie auf "Water Tower" aufbauten. Es passt meist nicht miteinander, "Jenny From Thebes" ist ein Haufen Tetrissteine voller Lücken. Dass es anders besser ginge, zeigt der Closer "Great Pirates", eine Art Jazz-infizierter Slowcore, der als längstes Stück des Albums am kürzesten wirkt.
1 Kommentar
Huch! Eigentlich eine der am besten bewerteten Platten der Goats. Ich schließe mich dem an - die "Oper" funktioniert, auch wenn "Rock" eher augenzwinkernd gemeint ist. Hier bringt Darnielle seine beliebten Geschichten von hoffnungslos verlorenen Gestalten nicht nur malerisch auf den Punkt, sondern erzählt mehr als bisher eine große Geschichte. Vor allem lyrisch absolute Weltklasse.
Wenn man aber, wie Mauerer, Darnielle tendenziell ablehnend gegenübersteht, dann wird man hier wahrscheinlich nicht von etwas Anderem überzeugt.