laut.de-Kritik
Gute Salbum.
Review von Franz Mauerer"Viagr Aboys" ist das erste Album der Viagra Boys auf dem eigenen Label Shrimptech Enterprises. Bei einer Band mit einem bemerkenswerten Willen zur Weiterentwicklung reicht diese Nachricht schon für eine gewaltige Portion Vorfreude. Alle drei Vorgänger des Albums eint, dass sie zwar auch bei heutiger Betrachtung gute Platten sind, das in ihnen schlummernde Potenzial aber der eigentliche Clou bleibt. Die gelungene, mehrfache Verbreiterung der Stilpalette muss gefühlt auch mal ein Ziel finden; bislang waren die interessantesten Stücke der Band die außerhalb ihres Pop-Punk-Kerngeschäfts ("Stretch My Arms", "Worms", "In Spite Of Ourselves").
Die drei Singles sind auch gleich die ersten drei Songs auf dem Album und weisen einen klaren Fokus auf poppigen Punk auf, schmissig und leicht bekömmlich. "The Bog Body" gerät ein wenig einfach, aber flott und mit gewohnt schönem Refrain ("jelaousyyyyyyy"), wenngleich der Song kein rechtes Ende findet. Spätestens die zweite Single zeigt: Die offene Politikbeschäftigung von "Cave World" ist passé. In "Uno II" singt Murphy aus der Sicht seines zahnlosen italienischen Hundes, Carls Flöte garniert den Unsinn, der aber stets noch ein Bein in Gesellschaftskritik hat. Die ist gar nicht so zielgerichtet und passt in ihrer nachdenklichen, erratischen, genauso barmherzigen wie wütenden Art gut zu Murphy, wie auch der doofe, aber eben nicht verkopfte, authentisch blödelnde Albumtitel.
Man kauft den Viagrajungs ab, den Rülpser in "Man Made Of Meat" nicht als geplanten Showeffekt drin gelassen zu haben. Produzent Pelle Gunnerfeldt, eher siebtes Bandmitglied und Co-Schreiber und -Texter der Songs, gibt den Singles jeodch nicht genug Tiefe und Breite, und das ist am Opener und gleichzeitig ersten Single "Man Made Of Meat" gut zu hören. Die zwei, drei gut funktionierenden Songideen dürfen sich alle gut über dem launigen Bassbett austoben, aber schön brav hintereinander. Man hört fast nie, dass hier sechs gestandene Schweden am Werk sein sollen, das könnten drei oder vier auch. Allerdings ist auch diese Single keinesfalls schlecht; wenn Sebastian Murphy über die Arbeitswelt sprechschreitmurmelt, hat man die Kündigungsmail an den Chef nun mal innerlich schon formuliert, das Charisma hat der Mann.
"Pyramid Of Health" eignet sich nicht nur als Hymne für alle "idgaffoods"-Instagram-Fans, sondern sammelt in den ersten Sekunden schon mehr Erinnerungsmerkmale als die Singles. Höckerts Bass räumt den Country-Beginn weg, heraus kommt ein Alt-Folk-Pop-Rock-Bastard aus dem ersten Regal mit gehirnzerschmelzenden Gitarren zum Schluss. "Dirty Boyz" entfesselt einen unwiderstehlichen Groove von Anfang bis Ende, das ist "Michael" für den Dancefloor im Jahr 2025. "Medicine For Horses" handelt, die Ummz Ummz-Leser wissen es, vom guten alten Keta und malt mit seinen klug kurz angespielten 70s-Gitarren weite Ebenen, man hört die Hufe fast schon trampeln. Murphy zeigt, wie gewohnt und wie auf dem gesamten Album, eine exzellente Leistung und findet konsequent die richtige Dosis – laut wird die Band im übrigen (leider) fast nie.
Keyboarder Jungqvist beginnt "Waterboy", taucht dann ab in der Versenkung und ist im Refrain nur noch zu Gast neben dem Bass. Der Song hält das hohe Niveau der vorherigen drei nicht ganz, launig ist er aber allemal, leidet aber daran, zum Schluss die rauen Gitarren von Hillborg und Carls zu zeigen, ohne ihnen dann Platz zu geben. Stattdessen kommt einfach der Refrain noc hmal – die alte Songwritingkrankeit der Skandinavier. Das avantgardistische "Store Policy" geht völlig auf, eine einzige brillante Sause aus Bass, Flöte, Murphy und Percussion, die trotz Jungqvists Kompetenz neben dem stark Snare-lastigen Spiel von Drummer Sjödén zu selten als Stilmittel der Band zur Geltung kommt.
"You N33d Me" spannt einen Bogen zu den Singles und hört genau dann auf, wenn der Boden perfekt bereitet ist für einen Stakkato-Disput zwischen Murphy und der Band; gut, aber unfertig, oder besser unambitioniert. Wo "Store Policy" aufgeht, versagt "Best In Show Pt. IV", dessen Chaos genau das bleibt und gewollt wirkt. Die wunderschöne, verliebte Elegie "River King" beendet ein Album, dessen Ideen bei konsequenterer Ausführung locker für ein Meisterwerk gereicht hätten und dessen Urheber vielleicht nur noch die Ränder ihres Sounds erforschen sollten, die sie so bravourös beherrschen.
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