laut.de-Kritik
Sakraler Slowcore mutiert zu Horror-Electronica.
Review von Kerstin KratochwillGeboren als Hayden Silas Anhedönia in Tallahassee, Florida in eine sehr religiöse Familie mit Homeschooling und unter vielen Namen wie Atlas, White Silas, Miss Anhedönia, Tommy oder אשמדאי künstlerisch unterwegs, ist die amerikanische Singer-Songwriterin inzwischen als Ethel Cain – eine Figur in ihrem imaginären filmischen Universum – zur so geheimnisvollen wie gefeierten Musikerin gereift. 2022 erschien ihr Debüt "Preachers's Daughter", ein halb-fiktives Konzeptalbum über eine junge Frau und deren Dämonen und Traumata, das Dark Ambient und America verschmolz und vom Privatleben der Künstlerin als Tochter eines Diakons inspiriert war. Seitdem gilt Ethel Cain als eine Art schwarze Schwester von Künstlerinnen wie Florence Welch oder Lana Del Rey mit einer fast kultischen Anhängerschaft, die sie als eine Art Gothic-Art-Pop-Prinzessin verehren.
Das neue Album "Willoughby Tucker, I'll Always Love You" ist eine Fortsetzung dieser Story, die das triste und trostlose Leben einer queeren Priester-Tochter weiterschreibt. Musikalisch untermalt ist das mit geradezu sakralem Slowcore, der sich zuweilen in düstere Horror-Electronica ergießt oder in fließenden Folk erhebt.
Die Lyrics drehen sich häufig um die erste große Liebe Cains, jenen Willoughby Tucker aus dem Albumtitel, der eines Tages plötzlich verschwand. Schmerz, Sehnsucht und Seelenpein klingen hier noch genauso nah wie bei dem damaligen Teenage-Mädchen, auch wenn alles wie in Sepia getaucht scheint und die Emotionen in einer Art Zeitlupensound einfängt.
Die Songs klingen verzögert, verschwommen und verzerrt, wie eine in falscher Geschwindigkeit abgespielte alte Schallplatte aus der Vergangenheit. Und dann ist da noch der herausragende Track des Albums "Fuck Me Eyes" mit seinen funkelnden 80ies-Synths und treibenden, drohenden Percussions.
"Willoughby Tucker, I'll Always Love You" ist damit ein noch grusliger wie gespenstischer Blick in die Abgründe des Southern-Gothic-Universums mit den Themen Religion, Familie und Identität als "Twin Peaks". Kein Zufall, denn Cain spürte laut eigenen Angaben die Synthesizer auf, die Angelo Badalamenti für den legendären David-Lynch-Soundtrack verwendete. Der Eindringlichkeit des Albums hat das gut getan, was fehlt ist jedoch dieser eine ins Herz eindringende Synth-Ton, der den gänsehauttreibenden Theme-Song "Falling" ausmachte und der bis heute nachwirkt.
4 Kommentare
Gehört 2/5. Das gibt mir irgendwie gar nichts.
"Twin Peaks" unter *Southern* Gothic zu verorten ist dann aber doch sehr mutig, lebte die Serie doch nachhaltig von ihrem Setting im sogenannten Pazifischen *Nord*westen [PNW].
Jenseits dessen aber interessant von der Verbindung zu Angelo Badalamenti zu lesen. Muss leider zustimmen, dass da (nach wie vor) irgendwie die entsprechende Catchiness fehlt, die die Platte (ebenso wie die Vorgänger) am Ende davor bewahren könnte einfach nur zu so einem Slowcore-Brei ohne Höhen und Tiefen zusammenzukochen.
Warte nach wie vor auf eine Ethel Cain-Großtat; ich glaube da steckt noch irgendwo das richtig gute eine Album in ihr drin. Das hier ist es leider (wieder mal) noch nicht.
Slowcore? Ne ne, dann doch lieber echter Hardcore a la Turnstile!
okay, I'm in love. Again.