laut.de-Kritik

Strandparty mit Krallen.

Review von

"Davina McCall" – wenn bei diesem Namen noch etwas klingelt, darfst du dich mit gutem Recht als Mensch in der Mitte deines Lebens und als echtes MTV-Kind der Neunziger bezeichnen. McCall war Sidekick in der damals legendären Show "Most Wanted" und stahl mit ihrer lauten, unbändigen Präsenz dem Macho-Platzhirsch Ray Cokes gern mal die Show. Rhian Teasdale und Hester Chambers wurden zur Hochphase dieser Sendung gerade erst geboren – für sie ist Davina vor allem die Moderatorin der britischen Ausgabe von "Big Brother". Das passt, denn auch Wet Leg bewegen sich souverän zwischen aufgekratztem Indie-Rock und massentauglicher Girlie-Power-Knuffigkeit, die sie sogar ins Vorprogramm von Harry Styles katapultierte. Eine seltsame Situation für die Band – und kein geringer Erwartungsdruck für das zweite Album "Moisturizer".

"Catch These Fists" variiert das Erfolgsrezept von "Chaise Lounge" ein wenig und möchte gern die böse, große Schwester ihres bisher größten Hits sein. Den sympathischen Freundinnen-Vibe fahren sie zurück – stattdessen gibt sich der schnelle Post-Punk-Track rebellisch. Doch so recht will das nicht gelingen: Die Band bleibt tief im Pop verankert und wirkt für eine dämonische Inszenierung letztlich zu brav. Wet Leg wollen mit ihren langen Krallen nur spielen – verletzen möchten sie niemanden.

Wem der poppige Post-Punk-Sound des Debüts gefallen hat, wird sich daher auch in "Moisturizer" schnell wiederfinden. Wo der Vorgänger immerhin noch härtere Nummern wie "Angelica" bereithielt, gibt es diesmal gepflegten Chill-Rock à la "Davina McCall" und "Pokemon". Nette Mitwipp-Songs, die angenehm vorbeirauschen und damit erneut im Wohlfühl-Kosmos von Wet Leg landen.

So wirklich herausragende Songs gelingen ihnen auch weiterhin nicht – aber sie liefern die beste Definition von "nett". Daran ändern auch die vermeintlich edgy Sex-Themen in "Pillow Talk" nichts, in denen sie darüber sinnieren, wie man statt erfüllendem Sex eben das Kissen zur Hand nimmt. Die Lyrics sind so albern, dass sie schon wieder Spaß machen: "To sleep, to drink, to fuck, to feel / You wanna eat me, I'll be your carrot / Are you a bunny? I'll let you have it. Yeah!"

Wer solche Zeilen schreibt, nimmt sich ganz offensichtlich nicht allzu ernst. Diese Schrulligkeit ist – im Gegensatz zum allgegenwärtigen Weltuntergangs-Pathos oder der politisch aufgeladenen Grimmigkeit vieler anderer britischer Bands – ein wohltuender Kontrast. Sie verkörpert eine Leichtigkeit und verspielte Sorglosigkeit, die dem aktuellen Pop häufig fehlt. "Pond Song" ist textlich ein tausendfach erzähltes Lied über Sehnsucht – und auch wenn ich bei "On the hoof, off the cuff / I'm Westley, and I'm Buttercup" nicht mal im Ansatz verstehe, worum es eigentlich geht, trägt mich dieser alberne Vibe durch diesen leichten, unbeschwerten Spätsommer-Song.

Natürlich ließe sich einiges kritisieren – etwa die fehlende Weiterentwicklung oder die Tatsache, dass neben zwei echten Highlights die restlichen Songs nur solider Indie-Sleaze sind. Aber ehrlich gesagt: Ich will einfach Teil dieser Gang sein. "Mangetout" wäre in den Nullerjahren wohl untergegangen – aber plötzlich geben mir ein paar Twenty-Somethings das, was Maxïmo Park oder Kate Nash längst nicht mehr schaffen. Jeder dahin geschluderte Blur-Song hätte mehr Substanz, aber auf das ewige Midlife-Crisis-Gejammer der Britrock-Altväter habe ich auch keine Lust mehr. Es wird dieses Jahr vermutlich komplexere, anspruchsvollere Musik geben, aber die Strandparty, auf der ich wirklich sein will, findet genau hier statt.

Trackliste

  1. 1. CPR
  2. 2. Liquidize
  3. 3. Catch These Fists
  4. 4. Davina McCall
  5. 5. Jennifer's Body
  6. 6. Mangetout
  7. 7. Pond Song
  8. 8. Pokemon
  9. 9. Pillow Talk
  10. 10. Don't Speak
  11. 11. 11:21
  12. 12. U And Me At Home

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Wet Leg – Moisturizer €12,99 €3,00 €15,99

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Wet Leg

Der Legende nach beginnt die Geschichte von Wet Leg in einem Riesenrad. "Es war sehr mystisch", erinnert Hester Chambers. "Wir schauten in den Nachthimmel …

2 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 2 Stunden

    Stimme der Review sehr zu. Wet Leg sind komplett durchschnittlich, aber das auf eine sympathische Weise, die gerade noch eben verschroben genug ist, damit ihre Platten in ner Playlist weder viel Aufmerksamkeit verlangen noch zu Tode langweilen oder nerven.

  • Vor einer Stunde

    „Jeder dahin geschluderte Blur-Song hätte mehr Substanz, aber auf das ewige Midlife-Crisis-Gejammer der Britrock-Altväter habe ich auch keine Lust mehr.“
    Wohl wahr. Habe das Album durchgehört und mir fällt absolut kein Grund ein, es noch einmal anzuhören. Dafür gibt es viel zu viel richtig gute Musik und das Leben ist eh viel zu kurz, um es mit solch Belanglosigkeiten zu verschwenden.

    • Gerade eben

      Die letzte Blur-Platte meinste? Muss sagen, die ist eines der besten Alterswerke, die ich gehört hab. Wenn zwei-drei Songs für die ewige Bestenliste drin sind, ist das eine fast schon utopische Leistung für ein paar Herren, die beinahe 60 sind.