laut.de-Kritik

Verliebt in Berlin für die Youngins.

Review von

Zartmann ist ein bildhübsches Sensibelchen, das traurige Songs über sein überaus trauriges Leben und all die Sorgen und Probleme darin schreibt. Probleme wie: So viele wunderschöne Frauen lieben ihn! Aber wenn er es mal mit einer ernst meinen würde, könnte er ja die ganzen anderen nicht mehr haben?! Aber wenn er mit einer zu viel Zeit verbringt, will die auf einmal zu viel von ihm!!

Zartmann hat eine ziemlich gute Stimme und eine überdurchschnittliche instrumentale Geschmackspalette. Aber können ein paar musikalisch solide Momente wirklich langfristig darüber hinwegtäuschen, wie knapp diese Musik an der Selbstparodie vorbeischrammt?

Ach, entschuldigt meine Gehässigkeit. Ich bin ein Guy Mitte zwanzig, ich bin sozial dazu konditioniert, einen Beißreflex auf alles zu haben, was Teenie-Mädchen gut finden. Wenn ein Artist kommt, den ich langweilig finde, und er dann via offensichtlicher Cuteness einen überbordenden Hype abbekommt, hittet mich das natürlich in einen absolut echsenhirnigen Neid. Ich würde den gern abschalten können und die Musik völlig objektiv betrachten - aber realistisch gesehen kann ich euch hier nur nachvollziehen, was meine Reaktion auf die Musik war. Und auch, wenn die ein bisschen von meiner eigenen Wackness gefärbt ist, glaube ich doch, ein paar solide Punkte zu haben, warum sie mir ehrlich nicht gefällt.

Habt ihr gemerkt, was ich gerade gemacht habe? Ich habe mit pseudo-selbstkritischer Tonlage etwas Dämliches beschrieben, das ich in diesem Moment tue. Ich hätte ja auch einfach die ersten zwei Absätze löschen und noch mal anfangen können. Ich hätte weniger gehässig weiter machen können! Aber es fühlt sich so schön romantisch an, wenn man pseudo-selbstreflektiert in den Vordergrund stellt, was man gerade so an Blödsinn fabriziert. Ich bin kein Idiot, nein, äh ... ich bin tormented und voller komplexer Widersprüchlichkeiten! Und damit sind wir schon mitten im Thema, denn das haben Zartmann und ich absolut beide drauf.

In der "Schönhauser EP" versteckt sich eine interessante Geschichte von einem totalen Wichser. Ein Typ, der Hedonismus über alles stellt ("Wann Schreib Ich Einen Song Über Dich"), der sich überkandidelt in einen neuen Fling schmeißt ("Tau Mich Auf"). Dann absolut lächerliche, überbordende Versprechungen macht, um sich an das Gegenüber heranzumachen ("Für Immer?"), bevor es offensichtlich zu Ende geht, weil es plötzlich zu viel und zu intensiv wird und das Ganze mit einem in cheesy Bullshit gewickeltes "es liegt nicht an dir, es liegt an mir" beendet wird ("Wunderschön", "Lass Es Gehen").

Ich glaube ehrlich, dass dieses Album ein Fünkchen Self-Awareness von gutem Storytelling entfernt wäre. Es gibt ja auch ein paar gute musikalische Momente. Warum "Tau Mich Auf" ein so großer Hit geworden ist, ist nicht schwer zu verstehen. Ich weiß nicht, ob das jetzt schon als Stomp and Holler-Nostalgie durchgeht oder einfach noch ein nachgehangener Zehnerjahre-Hit ist. Aber klar, dass in Zeiten von Noah Kahan so etwas wunderbar ins interessantere Radio-Segment passt. Der Mitsing-Faktor, die Handclaps, das funktioniert. Der letzte Part ist außerdem mit dem "lach mich nicht aus" einer der besseren Character-Writing-Momente auf dem Tape.

Aber drumherum? Boah, es ist schon wirklich einfach eine sehr verkitschte Kiste. "Für Immer?", in dem sich eins aufs Heiraten am See gekeult wird, ist schon schlimmer Bauspar-Vertrag-Core. Irgendwie trifft es auch schon wieder diese ulkige selbstzerstörerischer-Partyboy-zu-absoluter-Spießbürger-Pipeline, die auf dem Track zuvor Featuregast Gustav von 01099 bereits durchlaufen hat. Die ganzen Kombos aus Akustikgitarre und generischer Clubmusik nutzen sich in dieser Sekunde auch ein bisschen ab. Ja, sie sind diegetisch und machen musikalisch schon Sinn, aber ein bisschen lässt mich das Gefühl nicht los, dass eigentlich niemand den Typen mit der akustischen Gitarre, der jetzt ein gefühlvolles Lied singt, auf dem Rave haben wollen sollte.

Wirklich schlimm ist hintenraus noch einmal "Wunderschön", auf dem er einer Angebeteten wirklich einen vom Pferd erzählt, während er sie abserviert. Ich werde dich immer lieben, yada yada, aber du weißt, die anderen Frau..., äh, die Musik ist mein Leben! Ganz sicher, Blümchen. Hilft halt auch nicht, wenn er dann noch all den "ich bau uns ein Denkmal"-Kitsch auf 120% ernst spielt, über den sich Wir Sind Helden vor zwanzig Jahren schon zurecht lustig gemacht haben. Aber das Big Zartmann von Monumenten an sich selbst träumt, passt gut ins Bild dieser generell sehr masturbatorischen EP, die mit einem Track darüber anfängt, dass alle Mädchen seine Hits so fühlen würden, aber er jetzt einem Mädchen den besonderen Traum erfüllt, mal einen über sie zu schreiben. Irgendwie beißt sich die humble Indieboy-Ästhetik doch immer wieder damit, wie immens sich viele Stellen auf den eigenen Erfolg und den eigenen Mythos beziehen.

Nein, im Ernst: Ich will von Zartmann gar nicht einfordern, dass er demütiger ist. Die meisten Leute, die sein Leben führen, würden zu viel unerträglicheren Ego-Freaks mutieren. Ich ärgere mich nur, dass dieses Album gleichzeitig ein absoluter Egofilm ist, aber dann doch wieder in Sound und Ästhetik auf bodenständig und introspektiv macht. "Schönhauser EP" glaubt, es würde auf sympathische Art und Weise universelle Wahrheiten übers Leben darbieten. Dabei ist sein Mojo irgendwo zwischen One Direction auf "What Makes You Beautiful" und Lil Wayne auf "Bitches Love Me".

Und wie gesagt: Zartmann ist ja nicht dumm. Würde er nur hier und da dem Impuls widerstehen, die ganze Zeit diesen ganz besonders kulleräugigen Süßi zu mimen, wäre das stellenweise wirklich gut beobachtete Charakterisierung, die so kurz davor wäre, ehrlich Einsicht zu bieten, warum all diese Beziehungen aus dem "urbanes Lebensgefühl"-Lager so schnell in Flammen aufgehen. Würde man die Stellen mit schamloser Anbiederung stattdessen auch mal mit zumindest ein paar Details über die Frau in Question füllen, dann hätte das absolut etwas geben können. Abgesehen von grünen Augen bleibt jene nämlich in absolut generischen Adjektiven. Schön ist sie. Und schlau. Aber vor allem natürlich schön.

Was tatsächlich übrig bleibt, ist solide gemachter Teenie-Pop, der sich an seiner eigenen Absicht, vielschichtig und intensiv zu sein, ein bisschen übernimmt. Nur die grundlegende musikalische Abenteuerlust, die auf Intro und Outro hier dargeboten werden, heben Zartmann offensichtlich in eine Liga über die Forster-Bendzko-Konkurrenz. Aber ich persönlich komme trotzdem nicht über diese grundlegende Hateability hinaus, dieses Anbiedernde und Selbstherrliche, das sich mir persönlich sehr darin aufdrängt. Aber auch jenseits des Subjektiven befürchte ich, dass Zartmanns tränenäugiger, softer Fuckboy-Pop richtig komisch altern wird. Guckt in die Romane der Gegenwart, guckt auf die wachsende Figur des Nagellack-tragenden Aufreißers, der Zartmanns Selbstbeschreibungen öfter mal aus dem Gesicht geschnitten wirkt. Das Klischee dieses Charakters wird über die kommenden Jahre nur wachsen - und je weiter er wächst, desto weniger Eskapismus kann diese Musik bieten.

Trackliste

  1. 1. Wann Schreib Ich Einen Song Über Dich
  2. 2. Tau Mich Auf
  3. 3. Schönhäuser (feat. Gustav)
  4. 4. Schönhäuser Skit
  5. 5. Für Immer?
  6. 6. Wunderschön
  7. 7. Lass Es Gehen (feat. Max Raabe)
  8. 8. Dein Dudenkstsoschön

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6 Kommentare mit 2 Antworten

  • Vor 3 Tagen

    Die Musik ist mir egal, aber null Sterne für Yannik Gölz, der es schafft, in einer Rezension mehr von sich zu faseln als alles andere. Erbärmlich.

  • Vor 3 Tagen

    Zum Glück leicht scheiße zu finden

  • Vor 3 Tagen

    Als ich davon hörte hatte ich mir es weniger schlimm vorgestellt. Alle Lieder in die ich reingehört habe sind von den gleichen belanglosen Texten über einem ähnlichen Rumpelbeat geprägt.

  • Vor 3 Tagen

    Was ein unnötig gehässiger Verriss. Zartmann ist in meinen Augen der momentan hörbarste Deutschpop. Kann man natürlich überintellektuell zerdenken, oder man lässt einfach zu, dass die Songs Spaß machen. Ich dachte auch eigentlich, hier werden Musikrezensionen geschrieben, niemand hat nach ner mittelmäßigen Persönlichkeitsanalyse gefragt. Mein Gott, der Junge WILL Popstar sein, da muss man sowieso n kleinen Hau weg haben.

  • Vor 2 Tagen

    Ja, solche flachen Typen sind zuverlässig in der frühen Phase 2 jeder WG-Party aufgetaucht, nur um sich von den zu ihnen passenden Mädels abschleppen zu lassen. Dann konnte es endlich losgehen.

  • Vor 2 Tagen

    Wer in „Wunderschön“ textet: „Deine Augen schimmern schön, wünscht‘, ich könnt’auch mal weinen.“, beschäftigt sich beim Schauen einer Doku über Hungersnöte in Afrika nicht mit dem Inhalt der Doku, sondern die ganze Zeit mit der Frage, warum die EIGENEN feelings dabei nicht so kicken (und dass das irgendwie gemein ist, so (abge-)stumpf(-t) zu sein und wer daran schuld ist außer man selbst). Der Ausschnitt reicht, um YNK recht zu geben. Empfehle aufrichtigen Namenswechsel zu Egomann (oder Eierkopp).