laut.de-Kritik
Zu dem kantenlosen Elektro passt ein lauwarmer Caipirinha.
Review von Kai ButterweckNicht nur auf den vielen neuen Berliner Spreestränden schallen sie aus allen Boxen, sobald sich die Sonne zeigt: chillige EDM-Sounds mit der Lizenz zum Entspannen. Dann legen sich all die Touris aus Wer-weiß-woher, die smarten Hipster aus Mitte und all die freischaffenden Künstler, die an keinen Terminplan gebunden sind, genüsslich auf die geflochtenen Strandliegen und wälzen sich in ihren mitgebrachten Hängematten.
Frans Zimmer alias Alle Farben schlürft hier bestimmt auch hin und wieder seinen Caipirinha. Der Berliner DJ ist ja quasi mitverantwortlich für den passenden Soundtrack. Zwischen tonnenweise geliehenem Ostseestrandsand und liebevoll zusammengeschusterten Beach-Theken machen sich kantenlose Elektro-Sounds nicht schlecht. Und hinter den Reglern steht Frans Zimmer, der mit vergleichsweise wenig Aufwand größtmögliche Aufmerksamkeit erregt. Zur Seite stehen ihm dabei tiefenentspannte Mikrofongäste wie Michael Schulte, Janieck und Tommy Reilly.
Und was macht der Hipster auf der Sonnenliege? Der rückt die Sunglasses zurecht und wippt mit den Zehen, während sich im Hintergrund ein paar flotte Offbeats mit unaufgeregten Vibes aus der Dancefloor-Abteilung zusammenschließen ("Remember Yesterday"). Das funktioniert natürlich auch eine Spur mediterraner ("No Ordinary", "Madison"), mit etwas mehr Feuer aus der Gesangskabine ("Summer Storm") und angetrieben von extraterrestrischem Casio-Klingklang ("Metaphysik Der Röhren II").
Hier flattert kein Schnabeltier von dannen und hier sucht auch kein importierter Strandkrebs das Weite. Hier fühlen sich alle sauwohl – zumindest all diejenigen, die Musik eher als begleitende Kunstform wertschätzen. Ecken und Kanten sucht man hier nämlich vergebens.
Der tanzbare Beat, der im eröffnenden "Please Tell Rosie" zum Kopfnicken animiert, pumpt auch eine dreiviertel Stunde später noch im Gleichschritt. Auch die Handclaps, die Synthies und die bezirzenden Stimmen sträuben sich gegen jedwede Veränderung. Die Sonne soll schließlich weiter scheinen. Frans Zimmer mag nämlich keine Wolken. Die bringen Schatten, vertreiben die Strandbargäste und sind schlecht fürs Caipirinha-Geschäft. Der Hipster freut sich. Es lebe der Sommer!
Liebhaber von spannend arrangierten und tiefgründigen Elektropop-Sounds hingegen warten sehnsüchtig auf den Herbst.
3 Kommentare
Lieber sowas als Robin Schulz und Guetta (tiefe Messlatte, ich weiß)
Geile Rezi! Bin ich froh, dass ich nicht mehr nach Mitte muss und mir das (Lebens)Künstler-Hipster-Turi-Volk das Blickfeld versauen.
2 Punkte; Für mich riecht das nach einem Punkt