laut.de-Kritik
Nordische Mythologie. Und noch mal nordische Mythologie.
Review von Olaf SchmidtSanft lag das Licht der untergehenden Sonne auf den Wipfeln der Tannen. Der Herbst neigte sich dem Ende zu, der Winter lag in der Luft. Ein Rabe landete auf einer Tanne am Rande einer kleinen Lichtung und äugte neugierig hinab. Dort, um eine Feuerstelle herum, saßen drei Wikinger und schwiegen. Sie zeigte keine Regung, schauten nur stoisch in die Flammen. Der Rabe blieb dennoch sitzen und beobachtete das Geschehen.
Angrim, Skorri und Einar hatten sich mit letzter Kraft ins Unterholz geflüchtet und wärmten sich auf. Die Erinnerung an das Vergangene lastete schwer auf ihnen. War es wirklich erst Stunden her, dass sie mit dreißig Mannen ihres Stammes an dieser verfluchten Küste gelandet waren? Jahre schienen seitdem vergangen. Mit drei Langschiffen waren sie aufgebrochen, um vor den kalten Monaten noch mal nach Herzenslust zu rauben und zu plündern.
Gold und Silber hatten sie sich versprochen, gefunden hatten sie nur Tod und Verderben. Denn die vermeintlich schwachen Bauern dieses Landstrichs hatten erbitterten Widerstand geleistet. Woher waren plötzlich all diese starken Recken gekommen? Woher ihre Schwerter? Es machte jetzt aber keinen Unterschied mehr. All ihre Freunde waren tot und saßen bei ihren Ahnen an der goldenen Tafel in Walhall.
Die Geräusche der Schlacht waren erstorben und nur noch das Krachen des brennenden Holzes zu hören. Skorri bewegte sich. Aus einem kleinen Lederbeutel holte er einen merkwürdig aussehenden Gegenstand, blickte verwirrt darauf und sagte: "Boah, ich hab immer noch keinen Empfang. Wie das nervt!". Einar rührte sich ebenfalls und fuhr ihn zornig an: "Kann doch echt nicht dein Ernst sein, oder? Du sollst ingame bleiben! Wie oft müssen wir dir das noch sagen? Jedes Mal das gleiche".
Angrim mischte sich ein: "Mir ist aber auch langweilig. Und kalt. Wir könnten doch über irgendwas reden". Er griff nach seinem Trinkhorn und nahm einen Schluck. Skorri lächelte fröhlich. "Eben! Diese Schweigerei ist komplett sinnlos. Schon einer die neue Amon Amarth gehört?" "Och nee, ey!", rief Einar und schaute Skorri entsetzt an.
Angrim ignorierte seinen Einwurf. "Ja." "Und?" "Durchaus gelungen. Eher so wie die letzten Scheiben, weniger das frühe Zeug." "Aber schon noch Melodic Death Metal?" "Klar, aber die Anteile von klassischem Heavy Metal nehmen immer mehr zu. Allein den Soloteil im Titelsong musst du dir mal anhören. Hat nicht mehr viel von dem, was ich mir unter Death Metal vorstelle. Trotzdem, dieser Titelsong ist das stärkste Teil auf der Platte."
Einar schüttelte resigniert den Kopf. Skorri schaute ebenfalls skeptisch und fragte: "Aber die typischen Amon Amarth-Hymnen gibts hoffentlich noch?". Angrim überlegte nicht lange. "Na klar. Der zweite Song ist super, "As Loke Falls" heißt der, hat eine sehr feine Melodie und so schön hymnisch singende Gitarren".
"Under Siege" geht auch in die Richtung. Oder das Schlussding, "Warriors Of The North", ein Hit. "Der Sänger von Candlemass ist bei einem Stück auch dabei, hab ich gelesen?" "Ja, der von früher, Messiah Marcolin. "Hel" heißt die Nummer, gehört auf jeden Fall zu den Highlights. Die klare Stimme passt überraschend gut zum Gegrunze vom Johan Hegg. Der Song ist etwas langsamer, ansonsten ist die Platte nämlich recht flott geworden."
"Und Produktion von Andy Sneap?" "Ja, typisch glatt. Ich hätts gerne etwas dreckiger gehabt. Immerhin nicht so klinisch sauber wie die "Endgame" von Megadeth." Angrim war mit seiner Schilderung fertig und stocherte nun gedankenverloren mit einem Stock im Feuer herum.
Eine Frage brannte Skorri aber noch auf den Nägeln: "Und was ist mit den Texten?". Angrim seufzte. "Ach, Skorri, komm. Was soll denn schon sein? Erwartest du ernsthaft Überraschungen? Nordische Mythologie halt und noch mal nordische Mythologie. Einiges davon können wir bestimmt bei der nächsten Con verwenden."
Einar hatte bisher grimmig geschwiegen. Bei diesen Worten sprang er nun schlagartig auf und funkelte die beiden Anderen wütend an. Er schien einen Moment lang nicht zu wissen, was er sagen wollte. "Mir reichts jetzt endgültig", stieß er schließlich hervor und stapfte wütend davon. Bald schon war er im Tannendickicht verschwunden.
Angrim und Skorri schauten ihm eine Weile nach, sprachen aber kein Wort. Nach einiger Zeit wandten sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Feuer zu und starrten gebannt in das tanzende Lichterspiel. Und der Rabe flog davon, Richtung Asgard.
10 Kommentare
sehr schöne rezi, sehr unterhaltsam zu lesen
Jo mal was anderes.
Ich finde das Album ganz gut. Es zeigt aber mittlerweile das bei Amon Amarth das MELODIC wirklich weit vor dem DEATH kommt.
Nach den ersten 3-4 Songs flacht es etwas ab, aber der Schlusstrack nimmt wieder gut fahrt auf.
Der Klargesang bei Hel hat mich schon etwas überrascht.
Was für eine geile Kritik . Dickes Lob an den Rezensenten!
ich find die Kritik gut, und wenn man sie sich ganz durchliest, dann kriegt man auch genug infos heraus.
aber diese RP-Story die dann ein LARP offenbart wo sich die drei halt eben doch irgendwie langweilen weil sie warten müssen find ich irgendwie auch mal cool.
Ich finde die Kombi "Death Metal mit Maiden Harmonien" sehr ansprechend. Das Ding wird eine Zierde ihrer Discographie!
Klasse Kritik, sehr unterhalsam. Ich bin erst letztes Jahr zu Amon Amarth gekommen, obwohl die Jungs ja schon über 20 Jahre Bühnenerfahrung haben. Ich finde die Scheibe Hammer und gerade das Melodische gibt dem Death Metal das gewisse Etwas. Ähnlich gut wie die Twilight und die Versus. Mein Sohnemann ist jetzt 6 Jahre alt und er steht auf Johan. Er bevorzugt aber die Twilight und kann seit dem auch zweiarmig Pommesgabeln formen \o/