laut.de-Kritik
Nachdenklichkeit auf hohem Niveau mit illustren Gästen.
Review von Artur SchulzBedrohlich klingt der Titel des neuen Annie Lennox-Albums: "Songs Of Mass Destruction" werden angekündigt, doch dies ist eher als Selbstschutz oder Spiegelbild unseres Hier und Heute interpretierbar. Die Künstlerin weiß um den oft bedrückenden Zustand dieser Welt.
Doch fungiert sie hier nicht maßlos anklagend, sondern eher als Beobachterin, der resignative Untertöne nicht fremd sind. Keine Spur mehr vom Schalk einstmaliger Eurythmics-"There Must Be An Angel"-Leichtigkeit. Die Schatten haben inzwischen das Kommando übernommen.
Verhalten geleitet der melancholische Opener "Dark Road" den Hörer hinein in Annies Welt der alltäglichen Düsternisse und Schrecken. "Love Is Blind" nimmt mehr Tempo auf, fällt als Song gegenüber dem Vorgänger jedoch ein wenig ab. "Smithereens" startet mit Piano-Intro und zeigt sich als Musterbeispiel in Sachen Song-Aufbau und spannend geführtem Arrangement-Bogen.
Die "Ghosts In My Machine" als nächste Uptempo-Nummer überzeugen stärker als "Love Is Blind", doch schon zu diesem frühen Zeitpunkt ist klar: Die balladen-betonten Titel auf Annies neuem Album zählen eindeutig zu den stärkeren und überzeugenderen Tracks. Nachdenklich sieht die Künstlerin latente Bedrohungen in "Lost" aufziehen: "This is the soul of these murderous drums / The marching of footsteps".
"Coloured Bedspread" erinnert besonders in den Keyboard-Sounds stark an die 80er Jahre. Der Soul in "Sing" kommt nicht von ungefähr: Gleich 23 Gastsängerinnen hat Annie zu einem so noch nicht dagewesenen Background-Chor versammelt. Darunter finden sich illustre Namen wie Bonnie Raitt, Dido, Madonna, Gladys Knight, Melissa Etheridge und die Sugababes.
Doch trotz der Masse an Beteiligten artet der Titel erfreulicherweise nicht zu einer stimmlichen Materialschlacht aus. Zur Mitarbeit an "Sing" gewann Annie zusätzlich The Generics, eine in Südafrika beheimatete Aktivisten-Gruppe, die sich dem Kampf gegen Aids verschrieben hat. Lennox ist es ernst mit ihrem Anliegen, und im beiliegenden CD-Booklet wird auf ergänzende Informationen auf der Webpage annielennoxsing.com verwiesen.
"Fingernail Moon" ragt als ganz besonderes Highlight heraus. Diese Ballade fasziniert mit ausgefeilter Komposition und eindrucksvollem Aufbau, der gerade hier Annie Lennox' wunderbar klare und kräftige Stimme voll zur Geltung bringt. Scheinbar mühelos erklimmt sie höchste Höhen, um in den nächsten Momenten wieder in nachtdunkle Tiefen herabzusinken.
Mit den "Songs Of Mass Destruction" gelingt Annie Lennox ein Album, das neben aller vordergründigen Eingängigkeit der elf Titel dennoch niemals in Belanglosigkeiten abdriftet. Davor bewahren die persönlichen Intentionen der Sängerin, die sich im guten Niveau der Texte niederschlagen. Stil und Charisma der Künstlerin tun ihr übriges.
Etwaige allzu manierierte Wehleidigkeiten und erhobener Zeigefinger fehlen, und eine Prise Feminismus in den Songs zeigt sich stets wohldosiert. Die nachdenkliche, verhaltene Grundstimmung des Albums ist von ausschließlicher Tristesse somit weit entfernt, denn die Uptempo-Einlagen und manche Stil- und Sound-Experimente verhindern allzu überstrapazierte Balladen-Fadesse.
1 Kommentar
Annie Lennox ist eben nicht gleich Eurythmics.