laut.de-Kritik

Her mit dem Berliner Rockthron!

Review von

Acht Sekunden lang spannen uns die Beatsteaks auf die Folter. Leichtes Rascheln im Hintergrund, die Gitarren werden eingestöpselt, die elektrisierende Luft des Rock'n'Roll greift um sich, bis Thomas Götz den Opener einzählt. Sogleich fährt mit "Fix It" ein Groovemonster unmittelbar die turmhohen Erwartungen über den Haufen, sägt mit einem zentnerschweren Riff an allen Ästen des Baums etwaiger Punknostalgiker.

Das kann ja heiter werden. Was hier in kürzester Zeit über den Hörer hereinbricht, stellt das Ohr erstmal vor eine Herausforderung, die stellvertretend für das ganze Album steht: Den Schlüssel zur Boombox muss man schon ein paar Mal umdrehen, bevor sich das Album erschließt. Dann aber entblättern sich tolles Songwriting, viel Liebe zum Detail und überraschend eingängige Melodien.

So schieben sie nach dem ersten Riffmonster mit "Milk & Honey" auch eine Single nach, die sich wie kaum ein anderer Track der Berliner den Pop auf die Fahnen schreibt. Ein Piano groovt im Hintergrund, das Gitarrensolo klingt mehr nach Discowurlizer als nach wilder Schredderei. Different Strokes for different folks, so siehts aus.

Direkter wollte man werden, konsequenter für den Song, hieß es vorab. Haute die Band auf "Limbo Messiah" noch ordentlich zügig und hart aufs Schnitzel, erklingen auf "Boombox" etwas differenzierte Töne. Die Geschwindigkeit wurde erst einmal rausgenommen, wodurch Bassist Torsten und Drummer Thomas wieder stärker zusammenfanden und tiefe, magenbestimmende Kopfnicker-Grooves auspackten.

So auch auf "Cheap Comments", einem brisanten Wechselspiel richtig getimter QOTSA-Gitarrenwände neben dem fast spielerischen Singsang von Sänger Arnim. Um das Mixtape-Feeling zu komplettieren reichen sie uns danach mit "Let's See" einen sommerlichen Ska, der sogar vor quietschenden Lala-Chören nicht zurückschreckt.

Noch bevor man sich der Strandgarderobe entledigt hat, klatschen die Beatsteaks uns ein brachiales Geschrammelgewitter mit "Bullets From Another Dimension" um die Ohren, das selbst bei Volldampf noch mühelos zwischen verschiedenen Intensitätsgraden hin und her schaltet. Wieder werden viele Melodiebögen angerissen, aber nur so kurz, dass man sie anfangs kaum zu fassen bekommt.

Mit jedem weiteren Hören geben die Nummern Schicht für Schicht ihr Innerstes Preis, was im Fall des romantischen Schunklers "Under The Clear Blue Sky" Gitarrist Peters charmanter Gesang und die Harmonie mit Arnims variantenreicher Stimme darstellt. Auch das Gitarrenlick von "House On Fire" verlässt im sonst recht klassischen Schwedenrocker nach einiger Zeit nicht mehr die Gehörgänge. Der klassische 50er Jahre Rock'n'Roll-Soul eines "Alright" rüttelt noch einmal an der Feelgood-Krone, die man auf den ersten Blick doch schon "Let's See" aufgesetzt hat.

Ebenso schimmert beim kurzen Intermezzo "Behaviour" mehr durch, als es der 70-sekündige Punk-Brecher zuerst vermuten lässt. Ein abgecheckter 6/8-Takt, den die Berliner schon auf "Limbo Messiah" fast inflationär verwendeten, liegt diesem Song sowie "Under A Clear Blue Sky" und "Alright" zu Grunde. Wirklich stören wird das in den Moshpits natürlich niemanden, denn es groovt, wie die ganze Scheibe, like hell.

Es sind die vielen, sich nach und nach offenbarenden Details sowie der fette und doch rohe Livesound, der die "Boombox" zur Jukebox und somit alles möglich macht. Wie zur Hölle all das zusammen auf eine Scheibe passt und dennoch daraus eine ungemein runde Sache wird, erklärt Arnim im coolen dubbigen "Automatic", Single-, Sommerhit- und Sonstwas-Anwärter zugleich. "We're stealing it from different planets and we put it on a boombox." 'Nuff said, dachte sich wohl auch Peter Fox, der den Song mitgeschrieben hat.

Man wird das Gefühl nicht los, als ob das Quintett nun die nötige Selbstsicherheit besitze, um sich nicht mehr hinter viel Tempo und (ja nicht Punk sagen!) Krach verstecken zu müssen. Die Einstiegshürden sind da, aber so niedrig, dass sich das Album in überschaubarer Zeit ins Ohrwurmzentrum des Gehirns frisst und da ein halbes Jahr lang nicht mehr rausgeht. Ärzte hin oder her, mit der "Boombox" gehört der Rockthron in Berlin endgültig den Beatsteaks!

Trackliste

  1. 1. Fix It
  2. 2. Milk & Honey
  3. 3. Cheap Comments
  4. 4. Let's See
  5. 5. Bullets From Another Dimension
  6. 6. Under A Clear Blue Sky
  7. 7. Access Adrenalin
  8. 8. Behaviour
  9. 9. Automatic
  10. 10. Alright
  11. 11. House On Fire

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Beatsteaks – Boombox €1,13 €3,00 €4,13
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Beatsteaks – Limbo Messiah/Boombox €3,48 €3,00 €6,48
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Beatsteaks – Boombox+X €12,89 €3,00 €15,89

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Beatsteaks

"Wie kannst du bei den Beatsteaks ruhig sitzen bleiben?", fragen die Ärzte auf ihrem Hit "Unrockbar". Die geehrte Band besteht aus fünf Mannen, ihrer …

34 Kommentare

  • Vor 13 Jahren

    Ich finds langweilig. Aber ich mochte auch die vorangegangenen Alben nicht, obwohl ich die Jungs an sich ganz sympatisch finde. Live hab ich sie auch schon gesehen, da gings nen bißchen mehr nach vorne aber so richtig geil wars jetzt auch nciht.

  • Vor 13 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 13 Jahren

    Nach dem ersten hören: Schwach, will einfach nicht zünden.
    Nach dem zweiten bis fünften mal durchhören: sehr geiles Ding, mal was komplett neues irgendwie, sehr schön.
    Nach durchläufen 10-15 irgendwie überhaupt nicht mehr prickelnd, kann es mittlerweile nicht mehr hören, keinen einzigen Song davon, einfach nichts das bleibt...schade, dennoch qualitativ 3 / 5