laut.de-Kritik
Verdammt, es gibt doch einen Sommer in Kanada!
Review von Mathias MöllerZu Anfang sei mir eine Rückblende erlaubt: am Nikolaustag 2000 bestieg ich einen Flieger in Richtung Kanada, der tags drauf in Montreal landete und mich mit meiner damals dort lebenden Freundin wiedervereinigte. Beim Abflug in Berlin zeigte das Quecksilber fünf Grad (plus) an, ich war für einen normalen europäischen Winter ausgestattet. Als ich in der Olympiastadt von 1976 das Flughafengebäude verließ, gefror mir das Lächeln des Wiedersehens auf meinem Gesicht. Die nächsten vier Wochen verbrachte ich durchgängig frierend bei -15 bis -35 Grad im Land der Holzfäller und Trapper.
Was das mit Bedouin Soundclash zu tun hat? Der Bandname klingt nach großem Zelt in der Sahara, der Sound nach Jamaica mit einem Schuss westlichem Einfluss. Doch die drei Jungs, die sich hinter dem klimatisch irreführenden Bandkonstrukt verbergen, stammen eben aus Montreal. Verdammt, es gibt doch einen Sommer nördlich des fünfundvierzigsten Breitengrades. Und Bedouin Soundclash haben ihn auf ihrem Debütalbum "Sounding A Mosaic" konserviert. In gekonnter Manier mischen Jay Malinowski, Eon Sinclair und Pat Pengelly Einflüsse aus Reggae, Pop und Folk mit großem Songwriter-Geschick.
"When The Night Feels My Song" könnte auch von einer Siebziger-All-American-Band stammen, nur die Off-Beat-Gitarre reminisziert an die karibischen Einflüsse. Deutlicher Reggae-lastig geraten "Money Worries" (eine Coverversion des Maytones-Klassikers, auf dem Vernon Maytone die drei gesanglich unterstützt) oder "Shelter", das mit größter Leichtigkeit die grauen Wolken vom Himmel schiebt. "Living In Jungles" und "Rude Boys Don't Cry" sind da die logischen nächsten Schritte in der Evolution des beduinen Klang-Clashs, denn auf einmal ist da nur noch der Ragamuffin-Stil, musikalisch nun unterlegt von füßeknotenden Jungle-Beats. Doch am Ende fügt sich wieder alles zum Gewohnten und das Album klingt wie ein Karl-May-Roman: eine täuschend echte Imitation des eigentlich Unbekannten.
"Sounding A Mosaic" ist ein Album, das von Stück zu Stück mehr Spaß versprüht und den unbedingten Willen zum Sommer transportiert, wie ihn wohl nur eine Band haben kann, die mehr als sechs Monate im Jahr mit einer dicken Schneeschicht leben muss. Doch die Offenheit der drei Musiker ist es, die dieses Album besonders macht. Sie bringt einem Mainstream-Publikum den Reggae näher, wie hierzulande Seeed auf ihre Weise, bringt aber auch sicher den einen oder anderen Rastafari zum Tanzen. Das Exotische ist das Schöne daran. So wie damals The Police mit ihrem Musikverständnis oder Paul Simon mit seinem "Graceland".
Kein Wunder also, dass dieses Album nach seiner Release im letzten Jahr in den USA einigen Staub aufgewirbelt hat. Damals wurden die drei Kanadier gleich zur Warped Tour eingeladen, und es wurde auch Zeit, dass die Platte hierzulande in die Läden kommt. Die Jungs haben Talent, und sie teilen es dankenswerterweise mit der Welt. Dass sich Darryl Jenifer von den Bad Brains ihrer angenommen hat, sagt ihnen eine Zukunft voraus, die sich auch weiterhin jenseits von allen Genregrenzen bewegen wird. Und ich hab' jetzt einen ermutigenden Soundtrack für meinen nächsten Kanada-Besuch.
1 Kommentar
Besprecht doch mal das Nachfolgealbum, heisst Street Gospels und hat mit Walls fall down einen (kleinen) Hit der selbst beim unsäglichen SWR 3 schon etwas Airplay erhielt