16. März 2023
"Sexismus schadet auch den Männern"
Interview geführt von Dani Fromm"Einfach Songs machen", das hatte er vor, und doch ist seine EP "Rahat" ungeheuer schlüssig geraten. Darüber kann man sich mit BRKN wunderbar unterhalten, wie auch über Geld als Motivation, die Suche nach der gesunden Balance, über Blumen, Tanz und Traurigkeit und die Gemütlichkeit etablierter Rollenbilder.
Eigentlich hätte "Rahat" schon im Februar erscheinen sollen. Die kurzfristige Verschiebung des Release-Termins hatte allerdings auch ihr Gutes. So haben wir noch geschafft, uns knapp vor Erscheinen der EP noch mit BRKN kurzzuschließen. Dass sich das immer lohnt, wissen wir ja schon lange. Das Telefon klingelt pünktlich zur verabredeten Zeit, und weil es mehr als genug zu fragen gibt, fangen wir direkt damit an:
Von deinem letzten Album hab' noch die Zeile im Ohr: "Ich bin nicht gemacht für Frieden." Deine neue EP heißt, wahrscheinlich spreche ich es ungeheuer kartoffelig aus, "Rahat", also "Ruhe". Wie passt das zusammen?
Na, dass man sich das wünscht, am Ende. Es gibt ein Intro, das bisschen drauf eingeht, da heißt es auch, dass man gerne Ruhe und Frieden will, aber dass das vielleicht einfach nichts für uns ist. Es ist der Wunsch, die Vorstellung davon.
Du hast die Ruhe nach dem "Drama" also noch nicht gefunden?
Nee. Aber für mich ist es einmal der Wunsch nach diesem seelischen Zustand. Andererseits ist "Rahat" aber auch das Projekt, bei dem ich mir bis jetzt am wenigsten den Kopf zerbrochen habe. Ich bin nicht so verkopft rangegangen, sondern hab' einfach mal die Songs, die gerade da waren, zusammengeschmissen und rausgebracht. In dem Sinne passt es schon wieder, da es das lockerste Projekt von allen ist.
Das hatte ich gelesen: Dass du diesmal einfach mal machen wolltest, ohne ein Konzept. Witzig, dass das offenbar gar nicht so gut funktioniert hat: Ich fand' diese EP von vorne bis hinten schlüssig.
Das ist schön. (Lacht) Das freut mich. Ja, aber allein vom Musikalischen her ist es ziemlich durchmischt, und es sind nur fünf Songs ... Vielleicht ist es aber auch nur so 'ne Künstlerkrankheit, dass ich irgendwie zu nah dran bin und denke: Das hat jetzt gar kein Konzept. Und du hörst das von außen und sagst: Stimmt doch gar nicht, das ist doch alles super. Das kann natürlich auch sein.
Mir wars natürlich zu kurz. Wenn einem etwas gefällt, will man ja immer mehr. Du hast diesen Opener mit dem Zitat, den du schon erwähnt hast: 'Ich schlag' mich gut, aber ich will mich nicht mehr schlagen.' Bist du kampfesmüde?
Hm-hm. Genau.
Wie kommts?
Das ist einfach so. Wer ist das nicht? Das ist so ein Ding mit dem psychischen Zustand, man steht so viel unter Stress, hat immer das Gefühl, man müsste irgendwie kämpfen, jeden Tag. Dabei möchte man einfach nur Frieden mit seinem Kopf. Oder vielleicht auch nicht nur mit seinem Kopf allein, sondern auch mit den tausend anderen Sachen, die, egal, ob jetzt privat oder politisch oder wo auch immer, in der Außenwelt passieren. Das ist bisschen so der Kampf, glaub' ich.
"Pfleg' die Seele, mach' Geld, zeig' der Crew Love", heißt es in "Sad in Mérida" - in dieser Reihenfolge?
Ähmmm ... (überlegt länger) Nee. Nicht unbedingt in der Reihenfolge. Das ist ohne Ranking.
Früher hätte ich gedacht, dass das Geld an erster Stelle gestanden hätte.
Nee. Noch nie. Noch nie!
Thematisch, finde schon.
Thematisch schon, aber noch nie, was 'ne Lebenspriorität angeht. Sonst hätte ich einen ganz anderen Beruf gewählt oder würde ganz andere Musik machen. Ich hab' rausgefunden: Geld ist tatsächlich nichts, das mich motiviert. Obwohl ich es mag. Ich mag Geld. Man braucht auch Geld. Es macht auch Spaß, sich Sachen zu kaufen, mit Geld. Aber trotz allem ist Geld allein als Motivation mir nicht genug, das reicht nicht. Das hab' ich gemerkt, in meiner Arbeit.
Genau genommen ging es auf deinen früheren Releases ja auch nicht um Geld, sondern eher um das Fehlen davon.
Genau. Viele Leute sagen immer: Geld macht nicht glücklich. Aber wenn man sowas sagt, missachtet man oft was. Natürlich wird man, wenn man unglücklich ist, mit Geld vielleicht nicht glücklich. Aber ich glaub', viele Leute vergessen oder wissen nicht, was für eine psychische Belastung das Fehlen von Geld sein kann, und wie beruhigend das ist, wenn man mal bisschen Geld hat, wenn man vorher kein Geld hatte. Was das für eine Entlastung für den Kopf ist! Ich glaub', das missachten viele. Oder vielleicht wissen sie es auch einfach nicht. Ich bin ja jetzt nicht arm aufgewachsen, aber ich war schon pleite, und ich hab' Eltern, die arm aufgewachsen sind. Ja ... das ist einfach wichtig für den Kopf.
Leute, die finaziell noch nie richtig am Arsch waren, haben einfach keine Ahnung, wie sehr einen das fickt.
Genau. Das ist ja so eine konstante Belastung. Ist aber doch schön, wenn man das zu schätzen weiß. (Lacht)
Den Spruch, dass ein Künstler hungrig sein muss, fand ich auch schon immer blöd. Wie soll sich jemand auf seine Kunst konzentrieren, wenn er Existenzangst hat?
Ich würde jetzt auch nicht sagen, dass meine Musik besser war, als ich weniger Geld hatte.
Dein Pressetext sagt: Die Rechnungen sind bezahlt. Glückwunsch dazu. Das entspannt kolossal, nehme ich an?
Danke. Ja, hundertprozentig. Ich hab' jetzt wieder so den Kontrast gemerkt. Ich hab' drei Jahre nichts rausgebracht, und dann kam Corona. Da war auf jeden Fall wieder 'ne Zwischenzeit, in der ich auf Plus/Minus Null, eher wieder ein bisschen auf Minus, gelebt hab'. Und als ich dann endlich wieder was rausgebracht habe und das erste Geld wieder reinkam, aaah, das weiß ich noch ganz genau, wie mich das beruhigt hat. Ich weiß noch, da kam so 'ne Rechnung rein, ich wurde abgeschleppt. Das hätte mich ein halbes Jahr vorher noch voll gefickt, irgendwie. Und ich hab' es einfach überwiesen, dann wars geklärt. Ich hab' so tief durchgeatmet. Das hat so gut getan, das einfach bezahlen zu können, ohne dass mich juckt, ob ich jetzt gerade zweihundert Euro ärmer bin. Das war schon sehr Top-Ten-Gefühl, auf jeden Fall.
Das gönn' ich dir. Auf "Drama" ging es ja auch schon weniger ums Geld, eher um Trennung und Depression. Jetzt dagegen, so hieß es, willst du "einfach Songs machen". Mindestens die Hälfte dieser neuen Songs verarbeitet aber auch wieder eine Trennung. Kommst du von dem Thema einfach nicht los?
Kann gut sein. (Lacht) Das ist halt einfach was, das mich wieder beschäftigt hat. Ich wollte eigentlich auch gar kein zusammenhängendes Projekt machen, weil das letzte Album so konzeptuell war, und auch ein psychisch so schwer zu erklimmender Berg gewesen ist. Ich wollte einfach Songs machen, und die auch einfach rausbringen. Ich wollte eigentlich nur Singles rausbringen, aber dann waren es auf einmal doch so acht Songs, die fast fertig und richtig geil waren, und ich so: Boah, ich hab' jetzt keinen Bock, acht Songs fertig zu machen, weil ich weiß, gerade in der letzten Phase von Songs brauch' ich wirklich lange, bis es dann so richtig fertig-fertig ist. Da dachte ich: Okay, da nehmen wir jetzt die vier oder fünf und bringen die raus, und dann kucken wir weiter. Ich hab' einfach keine Lust, wieder so ewig lange Zeit zwischen den Releases zu haben. Wir hätten jetzt aber auch jeden Monat 'ne Single rausbringen können, das wär' wahrscheinlich auch nicht so schlimm gewesen. Aber wir haben es jetzt halt doch irgendwie als Gesamtpaket verpackt.
Wie gut das meiner Meinung nach zusammenpasst, hab' ich ja schon gesagt. Das Intro erklärt den Titel, dann gehts zwei-, dreimal um Trennung. Wobei: ja eigentlich um die eigene Reaktion auf die Trennung ...
Stimmt!
... und dann kam dieser Song mit dem House-Beat, Mensch, wie heißt denn der?
"Never Love You Again".
Genau, da hatte ich das Gefühl, man kann sich nach dem Erkenntnisgewinn diese negativen Gefühle da so richtig vom Leib tanzen.
Ah, geil! (Lacht)
Und dann am Ende mit dem "Laylow Freestyle" noch einmal zurückschauen und Bilanz ziehen. Für mich war das voll rund.
Das Outro ist auch so ein Song, sowas hätte ich früher wahrscheinlich gar nicht rausgebracht. Aber dann dachte ich: Ja, ist doch ganz cool. Wenn ich den während des alten Albums gemacht hätte, hätte ich wahrscheinlich gesagt: Ah, das passt irgendwie nicht zum Rest, nehmen wir nicht mit rein. Und diesmal war ich halt so: Ja. Die vier Songs sind fertig. Die machen wir jetzt. Aber deswegen ist es für mich auch irgendwie vielleicht sogar das ehrlichste Projekt bis jetzt. Weil man sich halt am wenigsten Gedanken gemacht hat, ob irgendwas jetzt passt oder nicht. Und vielleicht passt es aber genau deswegen am Ende des Tages ganz gut zusammen. Das ist doch schön.
Versehentlich 'ne Konzept-EP gemacht.
So wie sich das Leben meistens in Phasen um irgendetwas dreht oder man bestimmte Sachen im Kopf hat, so ist das auf dieser EP dann vielleicht zufällig auch.
Ich glaube, es war im Backspin-Interview, dass jemand sagte, für "Drama" wäre auch "Herz" ein guter Titel gewesen. Für diese EP wärs dann vielleicht "Eis" gewesen.
"Eis"?
Ja. Du erzählst gleich an drei Stellen von der teils gut verborgenen Kälte im Inneren.
Aaah ... hmmm! Ja. Stimmt. (Überlegt) Das sieht auch cool aus, das Wort.
Passend dazu jetzt noch dieser Videodreh ...
... im Schnee, ja. Das hätte auf jeden Fall gepasst. Haste Recht.
Wo wart ihr da?
In Österreich, der Nähe von Salzburg, irgendwo.
Die Kälte im Inneren, das ist ja ein verbreitetes und auch ziemlich treffendes Bild für Depression. Du hast schon viel darüber erzählt und ich find' auch immer 'n bisschen weird, dass man von Künstler*innen erwartet, dass sie in Interviews über so persönliche Themen sprechen, obwohl man sich ja eigentlich gar nicht kennt. Wenns dir also zu distanzlos wird, sag' Bescheid.
Alles gut. Dankeschön.
Du hast - ich glaube, sogar zu mir, im letzten Interview - mal gesagt, du willst kein Black Album voller trauriger Songs machen, und dann kam "Drama". Wie ist denn das passiert?
Zu dem Zeitpunkt gab es einfach keine schönen Songs zu schreiben. Es gab während der "Drama"-Phase einen Song, der irgendwie bisschen happier war, da haben wir dann aber eben gesagt: Nee, der passt da nicht rein, und haben den nicht mit draufgenommen. Aber auch bei "Drama" war ja jetzt nicht so, dass zum Beispiel "1991" der traurigste Song aller Zeiten wäre. Aber der Rest, da hast du schon Recht. Aber, hey! Da hat sich halt das Leben verändert, und damit auch die Musik. Würde ich sagen.
Du hast früher auch gesagt, du magst deswegen keine traurigen Songs, weil man sich da beim Schreiben mit seinen Gefühlen auseinandersetzen muss.
Ja. (Lacht leise) Kann gut sein, dass ich das damals gesagt habe. Das war schon eine Alarmglocke. Weißt, was ich meine? Das war eigentlich schon ein schlechtes Zeichen.
Ich hatte jedenfalls nie den Eindruck, dass du dich scheust, in deinen Songs Gefühle zu zeigen.
Vielleicht nur in gewissen Bereichen. Wenn ich schon gesagt hatte, ich hab' keine Lust, mich mit meinen Gefühlen zu beschäftigen, dann gabs wohl einen bestimmten Teil in mir, auf den ich anscheinend wirklich keinen Bock hatte.
Sich so negativen Gefühlen zu stellen, ist ja Arbeit. Vielleicht muss man erst lernen, wie das überhaupt geht.
Ja. Hundert Prozent.
Wahrscheinlich können gar nicht so wenige Leute gut nachfühlen, wie das ist, nach außen erfolgreich und fresh zu erscheinen, und sich trotzdem wie Dreck zu fühlen.
Ich glaub', bestimmt die meisten.
Denen empfiehlst du dann ein bisschen Therapie?
Auf jeden Fall. Das empfehle ich allen. Jedem Menschen.
Auch denen, die glauben, sie brauchen es nicht?
Ja. Das kann man doch dann mal rausfinden. Wenn die dann nach ein, zwei Gesprächen merken: Nee, brauch' ich wirklich nicht, dann ist doch auch erstmal ganz schön. Besser so als andersrum.
Das scheint zumindest besser zu helfen als boxen und saufen.
Das hilft auch.
Was hilft dir denn?
Alles mögliche. Reden. Sport. Ich glaub', man muss einfach 'ne gute Balance finden zwischen sich mit den Sachen emotional auseinandersetzen, aber auch nicht zu sehr darin zu wühlen und sich auch mal mit irgendwas anderem zu beschäftigen, um sich abzulenken. Zu viel von dem einen macht, glaub' ich, kaputt. Aber zu viel von dem anderen auch. Wenn man sich zu sehr in seiner Trauer oder den Problemen, die man gerade hat, nur suhlt, ich glaub' das tut zu sehr weh. Und wenn man sich nur ablenkt und nur wegrennt, dann klappt das auch nicht. Ich glaub', man braucht einfach 'ne gesunde Balance.
Hilfts dir, dich in deiner Musik auseinanderzusetzen?
Schwieriger macht es das jedenfalls nicht. Aber das ist jetzt auch nicht meine Nummer-eins-Bewältigungsstrategie. Es hilft aber auf jeden Fall, ja.
Viele bezeichnen Kunst ja als eine Art von Therapie, oder zumindest als ein Ventil.
Ja, hundert Prozent. Bei mir ist das aber nur ein Teil davon. Ich kann jetzt nicht alles mit Musik verarbeiten.
Hat es dich Überwindung gekostet, so offen damit rauszugehen, dass du unter Depressionen leidest?
Nee. Ich kann immer ganz gut ausblenden, dass Leute hören, was ich mache oder poste oder tue oder so. Und wenn das dann rauskommt, wenn das Album draußen ist, check' ich erst: Ah, okay, das hören jetzt alle. Dann krieg' ich vielleicht kurz 'n bisschen Schiss, aber dann kommen meistens auch direkt Nachrichten und Feedback, dass das appreciatet wird. Das machts dann eigentlich direkt immer irgendwie wieder besser.
Hattest du schon Momente, in denen du dachtest: Uh, DAS hätte ich jetzt besser nicht erzählt?
Nee. Aber ich hab' letztens zum Freigeben so einen Interview-Zusammenschnitt bekommen, und ich dachte noch: Oh, Gott, hoffentlich hab' ich da nicht so einen Tag gehabt, an dem ich einfach so drauflosgeredet und dann zu viel erzählt habe. Aber das ist nicht passiert, da war ich ganz froh. Da war aber einfach nur das Ding, dass ich nicht mehr wusste, was ich alles erzählt habe.
Das sind eigentlich die schönsten Momente, wenn die Künstler*innen einfach mal drauflosreden.
Ja, von eurer Seite aus, check' ich, auf jeden Fall.
Na, keiner will doch diese immer ordentlich zurechtgelegten Antworten. Es wirkt vielleicht schlauer, aber halt auch einfach bisschen langweilig, wenn man sich zu sehr kontrolliert.
"Überlegt" würde ich jetzt nicht sagen. Ich würde nicht sagen, dass ich mit superviel Kalkül Interviews gebe. Trotzdem kann man doch ein paar Sachen bei sich behalten. Ich laber' vielleicht ein bisschen zu gern drauflos, manchmal.
Dagegen hab' ich nichts.
Das glaub' ich dir.
"Zu Hause einen Strauß Blumen zu haben: Das kann ich empfehlen!"
In letzter Zeit machen ziemlich viele Prominente ihre mentalen Probleme öffentlich. Glaubst du, dass es da, gar nicht böse gemeint, eine Art Nachahmereffekt gibt?
Ja, hundert Prozent. Das gabs ja letztens irgendwie ohne Ende. Ich will niemandem absprechen, dass es der Person schwer gefallen ist oder 'ne Überwindung war, darüber zu reden. Ich denke, alle tragen so ihr Päckchen mit sich. Es ist ja schön, wenn die Leute drüber reden. Aber es gibt bestimmt auch den einen oder anderen, der dachte: 'Ah, okay, das kann man jetzt ausbeuten. Woah, das ist jetzt gerade in, ich red' jetzt auch darüber.' Oder so. Weiß ich nicht. Aber ich hab' jetzt auch nicht so viele davon gesehen. Ich bin jetzt nicht der Interview-Kucker. Generell bin ich jetzt nicht so up to date mit allem. Aber dem Großteil würd' ich das schon abkaufen.
Es lässt sich halt auch relativ schwer faken. Man merkt ja doch schnell, ob da einer nur labert, oder ob er wirklich ein Problem hat.
Das stimmt. Wie gesagt, ich hab' jetzt höchstens mal ein paar Überschriften gelesen. Ich zieh' mir kaum Interviews mit Leuten rein, muss ich sagen.
Das Thema erscheint mir zumindest sehr viel präsenter als früher. Kann natürlich auch daran liegen, dass das in der eigenen Bubble so ist.
Ich glaube schon, dass es da weniger Tabus gibt als früher, und das ist auf jeden Fall was Schönes.
Das Bubble-Problem hab' ich aber auch anderswo. Ich bilde mir ja ein, dass diese starren Geschlechterrollen, die es einmal gab, immer mehr aufbrechen. Bei den Leuten, mit denen ich zu tun habe, ist das auf jeden Fall so. Aber sobald ich über den eigenen Tellerrand hinausschaue und zum Beispiel dieses hypermaskuline Herumgegockele im Rap sehe, bin ich mir plötzlich gar nicht mehr so sicher.
Ich glaube, es ist ein bisschen von beidem. Gerade weil es auf der einen Seite bisschen freier wird, immer mehr aufbricht, gibt es auf der anderen Seite Leute, die extrem dagegenhalten. Gerade weil die das einschüchtert, dass irgendwo irgendwelche traditionellen Rollen gebrochen werden, und die dann um so mehr an ihren altmodischen Sachen festhalten.
Du meinst, das verstärkt sich gegenseitig?
Ich denke schon, ja.
Viele Männer scheinen sich auf jeden Fall komplett in Frage gestellt zu fühlen, sobald irgendwas von diesen angeblich männlichen Stereotypen abweicht.
Ja, hundert Prozent. Das sieht man ja, wie da Leute getriggert werden. Aber ich glaube, das mit der Bubble hast du ganz gut gesagt: Der absolute Großteil der Gesellschaft fragt sich das vielleicht nie. Weißte? Die stellen gar nicht in Frage, ob ein Mann weinen sollte oder nicht, das macht man halt so nicht. Ob 'ne gute Frau feiern geht oder ob es nicht vielleicht 'n bisschen komisch ist, dass Frauen die ganze Hausarbeit machen: Ein Großteil der Gesellschaft hat einfach verinnerlicht, dass das ganz normal ist, dass es halt so ist, und bildet sich vielleicht ein, dass das natürlich, von der Natur so vorgesehen ist. Ich denke, das ist immer noch weit verbreitet. Die Leute, die das in Frage stellen, stellen eher einen kleineren Prozentsatz der Bevölkerung dar. Glaub' ich. Ich hab' auch keine Zahlen dazu, das ist jetzt nur meine rein emotionale, subjektive Vermutung. Vielleicht ist es auch Pessimismus, ich weiß es nicht.
Was auch nicht gerade optimistisch stimmt, das hat man ja jetzt gerade während der Pandemie gesehen: Selbst in emanzipierten, gleichberechtigten Haushalten ist plötzlich wieder alles zurückgefallen. Kinderbetreuung und Hausarbeit machen 'natürlich' nebenbei noch die Frauen.
Das hab' ich auch mal gelesen, dass auch in Haushalten, die sich eher als progressiv verstehen, es am Ende doch darauf hinausläuft, dass die Frau die Hausarbeit macht und der Mann arbeiten geht. Ja. Klassiker. Aber das ist ja auch was Vertrautes, das ist am Ende wahrscheinlich eine Art Comfort Zone. Das werden wahrscheinlich viele Leute auch dankend annehmen.
Woher, glaubst du, kommt dieser Abwehrreflex bei vielen Männern?
Boah, das ist komplex. In dem Moment, wo jemand das für sich selber denkt, ist ja noch alles okay. Aber in dem Moment, wo Leute sich drüber aufregen, zeigt das natürlich 'ne eigene Unsicherheit. Viele sind aber auch einfach so in ihrem Weltbild drin und haben das so verfestigt, dass sie gar nicht annehmen wollen, dass es anders geht. Für die kommt das einfach gar nicht in Frage. Wenn du mit 'nem gewissen Weltbild aufwächst und alle um dich herum dasselbe Weltbild haben, das ist ja irgendwie bestätigend, die ganze Zeit. Dann sieht man keinen Sinn und keinen Grund, das irgendwie zu ändern. Ach, das ist ein so komplexes Thema! Wenn jetzt aber zum Beispiel einer rumgeht und erzählt, dass Frauen nicht im Club sein sollten, oder dass Frauen nun mal vom Mann beschützt werden müssen ... Unsicherheiten, Frauenhass, da kann man sich über vieles aufregen. Da könnten wir wahrscheinlich zwei Stunden drüber reden.
Man muss Männern doch irgendwie klarmachen können, dass sie nicht nur was zu verlieren, sondern auch etwas zu gewinnen haben. Diese ganzen Erwartungen an "echte Männer", sie müssen stark sein, dürfen nicht weinen, dürfen dies nicht, dürfen das nicht, dürfen keine Gefühle zeigen - das ist ja auch Riesendruck.
Auf jeden Fall, Sexismus schadet ja Männern auch. Die leiden ja genauso drunter, unter dem Druck, der da entsteht, und was von einem erwartet wird. Das einfachste Symptom von Sexismus ist natürlich Frauenhass oder die Unterdrückung von Frauen. Um zu sehen, dass man als Mann da auch drunter leidet, muss man sich erstmal ein bisschen mit beschäftigen, bevor man diese Erkenntnis hat. Und ich glaube, viele Leute wollen das gar nicht. Weißte? Ich meine, wenn man jetzt als Mann davon ausgeht: Ich komm' abends nach Hause, und die Frau hat schon gekocht und die Wäsche gewaschen oder so: Das sieht ja erstmal nach einem sehr gemütlichen Weltbild aus. Dass man dann zu Hause sitzt, nicht über seine Gefühle reden kann und langsam, aber sicher depressiv wird, das sieht nicht nach 'nem Symptom vom selben Problem aus. Ich will niemandem unterstellen, er sei dumm oder so. Das hat ja auch nichts mit Intelligenz zu tun. Es gibt ja auch Rassisten mit Doktortiteln, das ist ja schon lange keine Erklärung mehr dafür, was jemand denkt. Ich glaube, das hat sehr viel mehr mit Umfeld und dem Weltbild der Leute um einen herum zu tun, damit, womit man aufwächst und was einem als "normal" beigebracht wird.
Glaubst du, man kann in solche Strukturen dann noch durchdringen? Kriegt man das noch aufgebrochen?
Irgendwie schon, ja. Ich meine: Ich hab' ja auch irgendwann angefangen, Sachen in Frage zu stellen. Ich will jetzt nicht so tun, als ob ich die Speerspitze von irgendwas wäre, aber ich weiß, dass ich auf jeden Fall schon mal ein sexistischeres und homophoberes Weltbild hatte als ich es jetzt habe. Ich weiß, dass ich mich auf jeden Fall selber verändert habe, und ich glaube, wenn das auf individueller Ebene klappt, so wie es bei mir geklappt hat, klappt das auch bei vielen anderen Menschen. Ich kenn' auch viele andere Menschen, bei denen es auch einen Wandel gegeben hat. Kuck, mit 16 denken alle, 'Schwulsein ist unmännlich' und 'Frauen sind nun mal anders als Männer', 'Männer machen klar, Frauen werden klargemacht' oder was auch immer. Wer denkt mit 16 nicht so? Oder: 'Wenn du als Frau mit vielen Menschen schläfst, bist du 'ne Schlampe, als Junge aber nicht', ein Großteil der Jugendlichen würde das wahrscheinlich unterschreiben. Man wächst ja da trotzdem irgendwann raus. Aber wenn man Sexismus oder diese Machtverhältnisse global betrachtet, auf der ganzen Welt, da denk' ich mir sehr oft: Das ist halt so, und ich glaub' auch nicht, dass sich das ändern wird, auch wenn es schade ist. Manchmal hab' ich diesen Pessimismus, auf jeden Fall.
Ohje, trübe Aussichten. Dann aber wenigstens im Kleinen versuchen, die Welt ein bisschen schöner zu machen. Indem man Männern zum Beispiel klar macht, dass sie sich ja auch schöne Dinge verbieten, die als 'weiblich' betrachtet werden - zum Beispiel Blumen.
Auf jeden Fall! In meinem Kreis, in meiner Welt, die Leute, mit denen ich mich umgebe, das sind größtenteils Leute, die das wissen und die über sowas reden. Aber wie wir vorhin schon gesagt haben: Unser Dunstkreis ist nicht repräsentativ für den Rest der Welt, und da kann ich einfach nicht so den Optimismus haben. Aber bei mir im Kreis ist das so: Ey, da redet man auch mal mit Männern darüber, ob man sich vielleicht Blumen kauft, rosane Vorhänge oder was auch immer. Oder ob man mal zum Yoga gehen sollte.
Warum auch nicht?
Das hab' ich jetzt nur als Beispiel genommen, weil das, glaub' ich, ein Sport ist, der wahrscheinlich eher mit Frauen assoziiert wird.
Absolut. Ich fand übrigens diese Blumen-Kampagne zuckersüß. Die hat so schön auf den Punkt gebracht, wie dumm das ist, wenn sich Männer in diesem vernagelten Weltbild einigeln, weil: Blumen sind einfach schön. Woher kam denn die Idee dafür?
Die Idee kam von unserem Partner Tollwasblumenmachen. Die sind auf uns zugekommen, weil: Ich hab' mal einem Kumpel Blumen geschenkt und das in meiner Story gehabt. Die haben auch gesehen, dass ich generell in meinen Videos viel mit Blumen gearbeitet habe. Ich hatte Blumen auf meinem Merch. Ich hatte einen Song, wo wir viele Blumen in den Sets gehabt haben. Mehrere Videos eigentlich, wo wir in den Szenen viele Blumen hatten. Wenn man mir auf Instagram folgt, dann merkt man außerdem, dass ich ab und zu mal ein paar politische Themen anspreche, auch Rollenbilder oder so. Dann sind die auf mich zugekommen und meinten: 'Hey, wollen wir da nicht mal 'n kleines bisschen draus machen?', und ich fands megacool. So Sachen ... (überlegt) Arbeit oder Content gegen Sexismus oder gegen Rassismus oder so, das kommt ja oft so mit dem Zeigefinger daher, das wirkt oft nicht so cool. Da verändert sich in letzter Zeit viel, dass das irgendwie ein bisschen zugänglicher aufgezogen wird, nicht mehr so nach 'nem langweiligen Unterricht aussieht. Wenn ich da meinen Teil beitragen konnte und das irgendwie cool hinbekommen habe, dann hab' ich mich halt gefreut. Und es hat auch Spaß gemacht, ganz davon abgesehen: Mal so einen Blumenstrauß selber auszusuchen, zu binden, und hier und da was gezeigt zu kriegen. Natürlich waren wir alle schon mal im Blumenladen und haben gesagt: Ich hätt' gern 'n bisschen hiervon und 'n bisschen was davon, könnt ihr mir daraus 'nen schönen Strauß machen? Aber das war dann doch etwas mehr hands-on.
Das wollte ich gerade fragen: Du hast die Blumen ausgesucht? Den Strauß selbst gebunden?
Das war schon, wie im Video zu sehen: Ich kam in dem Laden an. Die hatten da schon 'ne kleine Auswahl, die wollten mich jetzt nicht ganz überfordern. Aber dann hab' ich selber ausgesucht. Aber ich hatte natürlich bisschen Hilfestellung, so 'Hey, das würde auch noch passen.' Wenn ich gesagt hab': 'Hey, das fänd' ich cool', dann hat er gesagt: 'Ja, das könnte man so als Füllmaterial nehmen, als Deko links und rechts, aber dann würde man das hier so und so machen, man würde das jetzt so binden', und so weiter. Ich hab' gesagt: Das find' ich cool, das find' ich cool, das find' ich cool. Und dann hat er gesagt: 'Ja. Können wir machen.'
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Du hast nach Optik ausgesucht?
Ja, ja.
Weil in der Beschreibung ja dann stand, die Gladiolen stehen da und dafür, und die Rosen stehen dafür ... hast du das gewusst?
Genau. Nee, das hab' ich natürlich nicht gewusst. Aber jedes Mal, wenn ich eine Blume ausgewählt hatte, wurde mir das erklärt. Ich wusste das selber nicht. Aber wenn man das dann auch noch weiß, bringt das natürlich nochmal einen schönen Anstrich. Aber das ist dann die Aufgabe der Blumenprofis gewesen, in dieser Konstellation.
Du hast eigentlich Architektur studiert?
Genau.
Talent fürs Visuelle braucht man dafür ja auch.
Ja, das würde ich mir auch selber ein Stück weit unterstellen.
Du legst also Wert auf Optik und Deko?
Ja, schon ziemlich. Ich interessier' mich auch für Design. Ob ich jetzt an 'nem Plakat vorbeilaufe, oder an einem Haus oder an einem Tisch: Wenn etwas schön designt ist, wenn mir was ins Auge sticht, wenn mir was gefällt von der Geometrie her - das ist schon was, wofür ich mich begeistern kann. Auf jeden Fall.
Blumen spielen bei dir zu Hause dann auch eine Rolle?
Zur Zeit hab' ich tatsächlich nur ein paar Rosen. Aber ab und zu hab' ich auch mal Blumen zu Hause, ja. Aber das ganze Grün kommt gerade erst nach und nach in meine Wohnung. Ich hab' jetzt auch immer mal wieder ein paar Pflanzen angeschafft. Aber zu Hause so einen Strauß Blumen zu haben: Ich find' das schön! Da freut man sich. Das kann ich empfehlen.
Gabs Feedback speziell von Männern?
Es gab viel Feedback auf die Aktion, ich glaube, tatsächlich am meisten von Frauen, die irgendwie dankbar waren, dass mal jemand drüber spricht. Aber auch viel Feedback von Männern. Viele, die sich gefreut haben. Auch Frauen, die gesagt haben: 'Ich kauf' meinem Freund auch öfter mal Blumen.' Ey, ist doch cool! Und dann dieser Schauspieler, wie heißt er nochmal? Der hat das gesehen und gesagt: 'Ich hab' echt Bock, einen Blumenladen aufzumachen.' Er meinte, dass ihn das ein Stück weit sogar inspiriert hat. Er hat die Kampagne von mir gesehen und dachte: 'Ich hätte echt Lust, mal einen Blumenladen aufzumachen.' Natürlich ist schön, wenn Männer sich Blumen kaufen. Aber ich glaube, wenn Jungs das gesehen haben und bei denen einfach nur so 'n kleiner Denkanstoß gegeben wurde, wenn einfach nur in deren Welt ein bisschen was angeregt wurde, dann sind wir schon auf einem guten Weg. Ich glaub' nicht, dass alle Männer, die das gesehen haben, von 'Nee, Blumen kauft man nur seiner Freundin zum Geburtstag' umschwenken zu 'Ah, ich werd' mir jetzt auf jeden Fall sofort einen Strauß Blumen holen'. Ich glaube, das wär' ein bisschen weit gegriffen. Aber wenn man es sichtbar macht, einfach zeigt, dass es nichts Un-Normales ist, sich auch als Mann Blumen zu kaufen, dass Blumen einfach für alle da sind, wenn man das ein Stück weit etabliert hat, dann haben wir, glaub' ich, schon was geschafft.
Stimmt. Es bräuchte eigentlich noch viel mehr und offensivere solche Aktionen. Weil eigentlich zeigen die ja nur die Dummheit, dass man(n) sich selbst etwas versagt.
Ja, genau! Ich meine: Was ändert denn ein Blumenstrauß zu Hause an deiner Person? Oder die Farbe von einem T-Shirt oder wie du deinen Kaffee trinkst oder ob du rosane Cocktails magst oder Whisky-Sours oder was auch immer? Das ändert ja nichts daran, wer du bist.
Ich kenne einen Mann, dem eine Frau, die er mal gedatet hat, gesagt hat, sie könne nicht mit ihm zusammen sein, weil er Meerschweinchen hat.
Ja, siehst du! Was für ein Scheiß ist das denn? Ich hab' auch 'ne Freundin, die meinte: 'Wenn ich meinem Freund Blumen schenken würde, würde der mich auslachen.' Und ich meinte: Probier' doch mal. (Lacht) Aber vielleicht ist der ein Macho, und sie steht vielleicht einfach auf Machos.
DAVID SCHÜTTER!
Bitte?
David Schütter, so heißt der Schauspieler! Der im Interview gesagt hat, er würde gern mal einen Blumenladen aufmachen.
Wenn er das wirklich macht, zahlt er dir hoffentlich 'ne Provision.
Ach, was. Wenns soweit ist, soll der mir einfach einen schönen Strauß schenken, dann ist das okay.
"Wenn auf einer kurdischen Hochzeit jemand einen emotionalen Tanz hinlegt, würde dem niemand seine Männlichkeit absprechen."
Oder so. Tanzen ist ja zum Beispiel auch sowas, von dem man sich erzählt, es sei nichts für 'echte Männer'.
Das kommt auf den Kulturkreis an! Da merkt man auch wieder, dass Männlichkeit in jeder Kultur anders definiert wird. Es gibt Länder, in denen normal ist, dass befreundete Männer die Straße entlanglaufen und Hand halten, was natürlich hier absolut als schwul gelten würde. Tanzen ist, glaub' ich (lacht) generell nicht so ein superdeutsches Ding ...
Wir können es halt einfach nicht.
.. aber so in Lateinamerika tanzen, glaub' ich, einfach alle, da haben auch die Männer einen Hüftschwung. Und auch in dem Gebiet, aus dem ich komme, so Ost-Anatolien, da tanzen auf Hochzeiten auf jeden Fall auch die Männer alle. Wenn auf einer kurdischen Hochzeit jemand in die Mitte geht, einen emotionalen Tanz hinlegt und da seine Seele reinlegt, würde dem niemand seine Männlichkeit absprechen. Wenn da aber ein Mann auf einmal Bauchtanz machen würde, wär' das vielleicht schon wieder anders. Ich glaube, das ist absolut vom Kulturkreis abhängig. Aber, ja: Wenn hier in Deutschland ein Typ auf einmal Salsa tanzen kann, dann kann gut sein, dass die meisten anderen Männer denken: Was ist denn mit dem los?
Hier sieht das Männerbild ja eher vor, grimmig am Rand zu stehen, und wenns ganz wild wird, mal mit dem Kopf zu nicken.
Aber erst nach dem sechsten Bier.
Dann geht ja erstaunlich viel. Nach dem sechsten Bier können Männer ja auch plötzlich weinen.
Ja, stimmt. Ich trink' aber kein Bier, deswegen weiß ich nicht so genau, wie besoffen man nach sechs Bier ist.
Trainingssache, würde ich sagen. Dich findet man wahrscheinlich eher auf der Tanzfläche als am Rand?
Ja. Mir macht tanzen Spaß. Ich tanz' auch gern zu Hause, alleine. Oder im Club. Das macht Spaß.
Dachte ich mir, sonst hättest du einen tanzflächentauglichen Song wie "Never Love You Again" wahrscheinlich nicht machen können. Hast du ein Faible für House?
Das macht mir Spaß! Ich hab' immer mal wieder so kleine Elemente davon dringehabt, aber noch nie so doll. Wie gesagt: Ich hätte mich das früher wahrscheinlich gar nicht getraut. Ich glaub', ich trau' mich mittlerweile mehr. Tatsächlich lag der Beat anderthalb Jahre rum, bis ich geschafft hab', was auf den zu schreiben, das mir gefallen hat.
Sorry, ich muss mal blöd fragen: Hast du den selbst produziert?
Nee, gar nicht! Den hat Jumpa produziert. Also, ich hab' den Beat mit Jumpa zusammen gemacht. Ich hab' irgendwie die Akkorde eingespielt und das Sample eingesungen, und den Rest hat er gemacht. Ich hab' ihm also nur so 'ne kleine Richtung vorgegeben, und der Junge ist dann aufs Pferd gestiegen und losgeritten. Aber, genau: Den Beat haben wir gemacht, und ich fand den richtig geil. Aber es hat ein Jahr gedauert, bis ich da was hinbekommen hab', das mir gefallen hat.
Du brauchst erst den Beat, und schreibst dann den Text dazu?
Meistens. Manchmal beides gleichzeitig, manchmal andersrum. Das ist immer unterschiedlich, da gibt es kein festes Muster.
Dieser Song klingt jedenfalls, als würde man da einen Neuanfang feiern, nachdem in dem davor noch so mit der Trennung gehadert wurde. Wie ich schon sagte: schlüssig. Versehentlich doch eine Konzept-EP gemacht.
Kann sein. Aber auf dem Song komm' ich ja auch noch nicht so ganz von der Trennung weg. Da gehts ja auch darum, dass ich aufwändig versuche, das irgendwie zu verdrängen, und dass das aber immer wieder in meinen Kopf kommt.
Im Outro heißt es dann: "Hatte mehr Lows als Highs". Das klingt nach einer ziemlich traurigen Bilanz. Schade.
Hmm. Na, es ist, wie es ist, was soll ich dazu sagen?
Um noch ein letztes Mal auf "Therapie" zurückzukommen: Das ist ja ein schweres Thema, und doch ein ziemlich leichtfüßiger Song geworden. Empfindest du das auch so?
So viel hab' ich, glaub' ich, nicht drüber nachgedacht. Der Song war auf jeden Fall am schwierigsten für mich, da war ich am längsten unzufrieden damit, wie der musikalisch klingt. Aber ich glaube, das ist etwas, das du von außen viel eher beurteilen kannst als ich, weil für mich ist der jetzt nicht leichtfüßig entstanden. Aber wenn er so klingt, dann ist das auf jeden Fall was Gutes.
Manche Leute setzen solche Kontraste - harter Text, fluffige Musik - ja auch bewusst als Stilmittel ein.
Das mach' ich schon auch manchmal. Ich hatte schon Songs, wo ich einen traurigen Beat habe und mir dann denke, wenn ich da jetzt auch noch was Trauriges zu singe, dann ist das doch das Langweiligste, das es gibt, auf der Welt. Da muss doch jetzt eigentlich was Bescheuertes, da muss was Dummes drauf! "Sad In Mérida" war zum Beispiel so, da dachte ich: Wenn ich da jetzt noch traurige Sachen erzähle, dann hab' ich selber doch gar keinen Bock mehr, mir das anzuhören. Aber bei "Therapie" war das nicht so.
Wenn man diese traurigen Songs dann auch live auf die Bühne bringen muss: Macht das noch Spaß?
Ja. Auf jeden Fall. Traurigkeit ist eine Sache, aber das musikalisch so zu machen, dass es Spaß macht, das sollte ja bei jedem Song so sein. Dass auch die traurigen Songs schön zu singen sind oder einem was geben, wenn man die mitsingt. Im Optimalfall ist das bei allen Songs so, die man macht. Sonst hat man, glaub' ich, ein ganz anderes Problem.
Selbstzweifel und Misstrauen, wie in "Therapie" angesprochen, sind ja Symptome von Unsicherheiten. Schätzt du dich als einen unsicheren Typen ein?
Ja, auf alle Fälle. Die Leute sind teilweise überrascht davon, aber: Ich bin oft sehr schüchtern und hab' oft sehr wenig Selbstvertrauen, sehr viel Angst und wenig Selbstwertgefühl. Das äußert sich manchmal mehr, manchmal weniger. In manchen Situationen überhaupt nicht, in manchen Situationen absolut, und in wieder anderen Situationen kann ich einfach alles nur gut ausblenden. Auf der Bühne ist das zum Beispiel so. Das ist der Klassiker: Wenn das ein kleines Konzert ist, oder ein privates, dann ist das viel schwieriger zu spielen, als wenn man auf einer Bühne vor ein paar Hundert Leuten steht. Da verfliegt einfach alles, man kann da ausblenden, dass da überhaupt Leute vor der Bühne sind. Aber, ja: Das ist schon alles nicht irgendwie an den Haaren herbeigezogen. (Lacht) Ich mein' das alles schon ernst.
Kostet es dich dann Überwindung, auf die Bühne zu steigen?
Nee. Das macht Spaß. (Lacht)
'N bisschen paradox ist das aber schon, ne?
Ja, ich kanns auch nicht genau erklären. Aber: Es ist, wie es ist.
Deine nächsten Live-Termine stehen. Kannst du noch zählen, wie oft die inzwischen verschoben worden sind?
Die sind jetzt im März, und wir haben die bloß einmal verschieben müssen. Ich freu' mich drauf. Wir sind gerade in der Vorbereitungsphase, und ich muss wirklich langsam mal das Programm fertig machen. Das wird einfach Spaß machen, ich freu' mich sehr auf die Tour. Das wird auch die erste mit dem "Drama"-Album von 2021 und mit neuen Songs, das wird einfach sehr schön. Ich hab' Songs, die nach vorne gehen. Ich hab' ruhige Songs. Wir werden auf jeden Fall nix auslassen.
Grönemeyer-Feature, COLORS-Session, Auftritt bei Böhmermann: Hattest du alles schon. Was soll da noch kommen?
Es geht immer weiter nach oben. Irgendwann machen wir die Max-Schmeling-Halle voll.
1 Kommentar mit 7 Antworten
Hab eigentlich nicht den Eindruck, dass die Gender- und Geschlechterrollen- Debatte wieder gross ins ursprüngliche Konservative kippt - also schon, aber auf einer ganz anderen Ebene. Die Trans-Bewegung ist da auf eine Art auf Geschlechterrollen (und das "hinein-angleichen" fixiert), da wird doch jede Sekte neidisch drauf, dass ihr das nicht selbst eingefallen ist.
Würds nicht so formulieren. Aber genau das ist mein Hauptproblem mit Transsexualismus. Ohne zutiefst verinnerlichtem Sexismus, also der Vorstellung von starren Geschlechterrollen, ist die Überzeugung, mit dem "falschen" Geschlecht geboren zu sein, gar nicht vorstellbar.
Ich bin ein Fan davon, diese überholten Geschlechterbilder zu brechen, sie bis zur Unkenntlichkeit zu erweitern. Auch das ist mein Fundament, auf dem ich es als absoluten Horror verstehe, einem intersexuellen Baby mittels Operation ein Geschlecht zuzuweisen. Und eigentlich können auch Biologen immer schlechter definieren, was nun unter "Frau", was unter "Mann" zu begreifen ist. Da ist es befremdlich, wenn genau das von Medizinern mittels operativer oder hormoneller Behandlung einer Person aber plötzlich klar definiert werden soll - oder zumindest der sexistische begründete Wunsch eines Patienten als ausschlaggebend betrachtet wird.
Glücklicherweise bricht die Gen Z gerade aber ohnehin mit den ollen Definitionen, ganz wie ich es mir wünsche. Hoffe, mit der Zeit wird dieser Fortschritt sich auch unter Psychiatern und Biologen bemerkbar machen.
@Ragism: Man darf es philosophisch halt nicht im Sinne vom „im falschen Geschlecht geboren sein“ oder generell in einem Identitätssinne, sondern mit einem (nicht kontingenten, weil auf die Geschichte/Genese des individuellen Ichs bezogen) subjektiven Akt (oder noch besser „subjektiver Antwort“ auf das subjektive „Leiden“ unter der sexuellen Differenz, die eine Einordnung in jegliche sexuelle Schublade unmöglich macht und darunter, dass Entfremdung in die symbolische Ordnung aber konstitutiv und unumgänglich ist und so eine „Antwort“ subjektiv erbracht werden MUSS, wird sie auch als solche verstanden und nicht als „definitive Einordnung“, die auf Widerspruchsfreiheit im psychischen Apparat und der symbolischen Ordnung aus ist (was historisch und heute die gefährlichste, nenn es das Potential des Bösen des Subjekts oder verzichte auf den Begriff des bösen, kommt auf das Gleiche hinaus, Tendenz des Menschen ist);
[Bissl. Lévinas statt Zupančič/Dolar/Žižek, obwohl ich auf Adorno (damit auch Hegel & Kant), Lacan (damit auch Freud, Klein, etc…), Lévinas (damit auch Arendt und Merleau-Ponty) und Nietzsche, außerdem feministische Philosophen/Psychoanalytikerinnen, wie z.B. Elisbeth Roudinesco, Ulrike Kadi, Tove Soiland oder Isabel Millar als phil. Ankerpunkte setze und damit die Slowenen meist sehr ernst nehme, außer dass ich Ihre metaphysische Setzung von Immanenz (bzw. genauer gesagt metaphysischem Ausschluss einer starken Transzendenz) kritisiere.]
Aber Dein Beitrag scheint mir auch teilweise in diese Richtung zu gehen. Also, ich verstehe es zumindest so, dass Du auch den Identitäts-/Widerspruchsfreiheitsaspekt von (aktuell?) weit verbreiteten Sichten auf das Phänomen Transsexualität kritisch siehst. Und obwohl ich Butler generell als Philosophin schätze hat sie in diesem Bereich leider auch das, blöd gesagt, heideggerische „Eigentlichkeits-Hinterwelten-Problem“, was Leute wie Lévinas, Blnchot oder Nancy herusgearbeitet haben und Soiland (meine ich) als erste bei Butler fundiert nachgewiesen haben. Das heißt ntürlich nicht, dass diejenigen, die sich unter dem (historisch gekaperten) Motto von „queer theory“ oder unter naivem zeitgenössichem „Feminismus“ auf Butler beziehen von dieser innerphilosophischen Debatte irgendeinen clue hätten, geschweige denn, dass sie die sehr komplizierten Texte Butlers zu verstehen beginnen würden.
Weiß nicht, ob Du das ernst meinst, aber falls doch: Bei Gen Z (und auch schon bei vielen Millenials und Althippies/linken Boomern, wenn wir jetzt mit dieser Einteilung in Generationen arbeiten) sehe ich in Hinsicht auf „subjektive Revolution“ schwarz. Nicht nur wegen deren Aufwachsen und der heutigen Fragmentierung und dem Verlorengehen von Öffentlichkeit in der symbolischen Ordnung/Welt/Gesellschaft sehe ich die heutigen jungen Menschen als d u r c h s c h n i t t l i c h angepasster denn seit langem (je?).
Wo siehst Du dort das Potential für eine meaningful „kritische Menge“ an subjektiver Revolution (also eine Art mehr oder weniger „gelenkter“ Kettenreaktion an subjektiven Revolutionen, deren g r u n d s ä t z l i c h e Möglichkeit ich komplett bezweifle)? Das würde mich ehrlich interessieren!
Ansonsten, falls Du mit „überholt[e] Geschlechterbilder brechen, bis [zur] Unkenntlichkeit“ (den Satz verstehe ich nicht ganz, könnte auch irgendeine Form von Akzelarationismus hinterstecken, in denen so etwas wie eine „Abschaffung von Geschlecht“ oder eben die besagte „Unkenntlichmachung“ von Geachlechts(IDENTITÄTEN⁇; was heißt hier „-bilder“ in dem Zusammenhang, wo wir von Unkenntlichmachung reden?) etwas in die Richtung der Anerkennung einer „sexuellen Differenz“, also der (durch die symbolische Kastration bedingte) Unmöglichkeit einer k o n s i s t e n t e n (widerspruchsfreien) Einordnung in jegliche sexuelle Identität (ob Geschlecht oder von wem/was man (nicht) sexuell angezogen ist) — die sexuelle Differenz hat nichts mit einer Binarität zu tun, außerhalb dessen, dass man immer 'mal einem Vertreter eines/des (jeweiligen) „Anderen Geschlechts“ (nicht) gegenübersteht und es handelt sich um eine ontologische Differenz mit einer Verbindung zu einem metaphysischen Konzept von Alterität (deshalb finde ich subjektive „Antwort“ das bessere Wort, wenn sich jemand als transsexuell outet — und wie gesagt ist d i e s in keinster Weise kontigent; keiner der wirklich in dem Sinne unter der sexuellen Differenz und der symbolischen Kastration leidet „sucht“ sich irgendwie Transsexualität wie eine Ware „aus“.)
Bei Gen-Z sehe ich aber auch im Bezug auf Sexualität (Einer der menschlichsten Bereiche überhaupt; Ich hasse es, Biologie ins Spiel zu bringen, wir sind die einzigen Säugetiere ohne Brunftzeit und die einzigen, die so etwas wie Fetische, Scham und vieles mehr haben), wie in Bezug auf so viele andere „menschliche“ Bereiche genau den Einzug von „Warenform“, Identitätssuche und Suche nach Widerspruchslosigkeit in die subjektiven „Antworten“ oder „Akte“. Und generell spielt es für A L L E heute eine größere Rolle den je.
Und auch wenn es überhaupt keinen Grund gäbe, es so zu verstehen, will ich in Hinblick auf das aktuelle Klima betonen (eigentlich unnötigerweise), dass es sich nicht um ein endorsement des „Patriarchats“ oder alten Strukturen in diesem Bereich sein. Nur ist eine Kritik dieses historischen gesellschaftlichen Systems gerade nicht Thema, sondern die Kritik am a k t u e l l e n System/den aktuellen Großstrukturen, unter denen Menschen im Bereich der meschl. Sexualität leiden.
Die Folgen sind mit Incels mit Waffen & OnlyFans mit Frauen, deren komplettes Sexualleben auch ak Aradh ist, Einsamkeit bei allen Geschlechtern/sexuellen Orientierungen, gestiegenem Konsum von Pornografie bis hin zur Abhängigkeit von diesen produzierten Abbildungen von menschlicher Sexualität (nichts gegen Pornografie generell), dadurch auch die „Mastubatorisierung“ von sexuellen Akten und dem Sexualleben als ganzes, Menschenhandel, Druck durch Gruppen auf Individuen, die z.B. transsexuell sind, Übergriffe auf Transsexuelle und andere von Reaktionären als „provozierend“ angesehenen sex. Identitäten/Orientierungen (in den letzten 2 Monaten gerade 2 persönlich mitbekommen und höre dauernd von mehr in meinem Ballungsraum mit ca. 350.000-400.000 Einwohnern) in der Öffentlichkeit mit steigender Gewaltbereitschaft inkl. Sexualdelikten, dabei (nicht nur während Corona) eine hohe Dunkelziffer an häuslicher Gewalt, etc… Dabei spielen die „Rechten“/„Reaktionären“ bis hin zu Völkischen natürlich eine riesen Rolle, aber das ist wieder ein anderes großes Thema. Es besteht aber auch hier eine Wechselwirkung zwischen dem Wunsch Mainstream (und radikaleren Gen-Z Ansätzen) nach Widerspruchslosigkeit und dem Versprechen der „Rechten“ von genau dem auf eine einfachere Art (keine p.c., reaktionäre, pseudobiologische Argumente wie es gibt nur 2 Geschlechter: Mann und Frau oder auch nur Heterosexualität — womit sich nicht nut viele „Männer“, sondern genauso „Frauen“ ansprechen lassen, wir erinnern uns an die vielen Frauen, die vor mittlerweile über 100 Jahren versucht haben, das Frauenwahlrecht zu verändern oder Frauen in islamischen Ländern, die sich in ihrer Rolle wohlfühlen oder sogar Frauen heute die immernoch nutzen, dass ihr Körper Kapital ist und sie — anders als die m e i s t e n Männer i m m e r n o c h Hausfrau, auch ohne Kinder, werden können — über die Seite der Männer brauch' ich glaub' ich nicht viel zu sprechen, wir alle kenne Alltagsmysogynie, Karnevalslieder, Machismus, Gewalt an Frauen, dass ca. 75-80% der Vergewaltiger Männer sind, dass Incels zur Waffe greifen und sich mit rechten Kräften verbinden, etc…
'Mal sehen, ob es jemand, vllt. sogar noch @Ragism und @ntrlydbstp und wir diese Diskussion ernsthaft führen können!
Vllt. schlechter Thread, also wundert Euch nicht, falls dieser Post so oder ähnlich nochmal auftaucht, wenn das wieder 'mal Thema ist…
Sehr guter Beitrag, evtl nur etwas zu viel für die Zielgruppe
Hialeah, danke für den Beitrag! Da werde ich ganz nostalgisch.
Ich sehe Butler dort auch sehr kritisch. Allerdings auf eine Weise, die sehr viel mit meiner Sicht der Geschlechter zu tun hat. Ihr Versuch, binäre Geschlechtlichkeit durch die Performativitätsidee aufzulösen, bedingt leider ein streng binäres Geschlechtsbild als Windmühle, und kann sich davon überhaupt nicht befreien. Dafür wurde sie schon öfter kritisiert, und wir im philosophischen "Betrieb" seltener ernstgenommen als im philosophisch tendenziell ungeschulten soziologischen Bereich. Und, auch richtig, viele modernere Geschlechtstheorien beziehen sich noch auf den Rahmen, den sie gesteckt hat.
Was mir subjektiv an der Gen Z auffällt ist eine grundsätzliches "Schietegal. Ich bin ein wahlloses, zielloses Etwas, Mann und Frau sind alberne Konzepte, und ich begehre dieses und jenes, weil ich es geil finde." Und das kommt meinem Anliegen, die Ideen von "Mann" und "Frau" so schwammig und undefiniert zu lassen, schon ziemlich nah.
Richtig, für manche, dem etwas widersprüchlichen Zwecke ist ein "Ich bin eine Frau. Meine Biologie muß berücksichtigt werden." absolut unerlässlich. Medizin zum Beispiel. Oder eben manche juristische Belange. Und historisch war diese vehemente Identifikation auch noch viel nötiger als heute - eben weil Gesellschaften grundsätzlich binärer waren, und Frauen aufgrund ihres Frau-Seins viel stärker benachteiligt wurden.
Aber ich bin ein Freund von Widersprüchen - kaum einer kann vollständig aufgelöst werden, ohne einer "Sache" zu schaden.
Ich bin überzeugt, heute ist die Waffe des schwammigen Geschlechtskonzepts viel erfolgversprechender als ein butlerscher Dualismus, der mMn. auch grundsätzlich dafür ist, wie Transsexualität betrachtet wird. Wie gesagt: Wenn es relativ egal ist, welches Verhalten und welche Vorlieben einem biologischen Geschlecht zuzuordnen sind, ist der Wunsch, das unbedingte "Andere" zu sein, auf tönernen Füßen gebaut.
Dem folgt auch: Wenn tatsächlich wo diese kranken Konzepte noch vorherrschend sind, kann eine medizinische Behandlung nötig sein - der Schaden des verinnerlichten Sexismus ist schon angerichtet, und weiteres Leid muß dann - so gut es geht - erspart werden. Nur sollte Transsexualität aus obigen Gründen nicht allgemein als etwas Gutes, Erstrebenswertes, jederzeit zu Feierndes sein. Ziel muß es sein, daß es irgendwann ausreicht, jeweils den leidenden Mensch in dessen Entscheidungrn zu unterstützen.
Gerade Biologen und Mediziner sollten es wirklich beherzigen, daß Wünsche und Verhalten nicht grundsätzlich einem "Geschlecht" zuzuordnen sind. Das wissen sie dank wissenschaftlicher Erkenntnisse bereits. Nur beherzigen sie es oft noch nicht in wirklicher Konsequenz bei diesem Thema, weswegen sie dort noch blinde Flecken haben.
Wir sie sich zunächst dem butlerschen Zeitgeist angenähert, und dabei wichtige Erkenntnisse erhalten haben, werden sie sich vermutlich auch dem post-butlerschen Zeitgeist der Gen Z annähern. Ich gehe zumindest davon aus
"... und wir im philosophischen "Betrieb" seltener ernstgenommen als im philosophisch tendenziell ungeschulten soziologischen Bereich."
Liegt wahrscheinlich daran, dass etliche Soziologen hemdsärmeliger rüber kommen
Danke zurück an den Beitrag, Ragism. Ja, Butler ist das eine, da sehe ich die wie oben gesagt auch kritisch.
Die Butler-Rezeption und das Runterbrechen dieser (schon an sich, was aber, das sieht man in Soilands Buch dazu, gar nicht so leicht zu argumentieren ist, problematisch wegen, wenn ich das so ein bisschen böse sagen kann, einem „Jargon der Eigentlichkeit“ der sich da in ihrem Werk versteckt, dazu kommt ihre Verwurstung von Lévinas und Adorno, auf jeden Fall kritikwürdig) problematischen Performanztheorie für die, die niemals ein ganzes Buch von Butler lesen würden, da wird es schlimm und es kommt mit dem, was Du über Gen Z gesagt hast und den heutigen gesellschaftlichen Determinanten, Einsamkeit, Blasen, etc… zusammen. Da würde ich Dir auf jeden Fall zustimmen!
Bei uns an der Universität gibt es ein Büro für „Multidiskriminierte“ mit festen Stellen. Die beschweren sich dann z.B. darüber, dass Philosophen eine lesbische Philosophin (im Rahmen einer Veranstaltung, wo es um die neue Rechte ging) eingeladen haben. Der Vorwurf war fast wortwörtlich „Wir können uns hier nicht sicher f ü h l e n, weil die hat 'mal 'was Kritisches zur queer theory gesagt, was ja unsere Ideologie ist.“ Dabei haben die außerhalb von instrumenteller Vernunft gar keine Ideologie xD Und erschreckend im Mediationsgespräch danach war, dass diese Akademiker wirklich nicht theoretisch denken können, in keinster Weise und das auch nicht vorhaben irgendwann zu tun, von Kritik 'mal ganz zu schweigen!
Sorry, wegen der späten Rückmeldung!