laut.de-Kritik

Das ehrlichste und ergreifendste Trennungsalbum kommt aus Kreuzberg.

Review von

BRKN war gerade ein paar Jahre von den Releaseradaren verschwunden, bis er plötzlich aus dem Nichts mit der Single "Jede Nacht" um die Ecke kam und sein neues Album "Drama" für den 23. April 2021 ankündigte. Berkan, wie sein Künstlername gesprochen wird und er auch tatsächlich heißt, ist geborener Berliner mit türkisch-armenisch-kurdischen Wurzeln und bereits seit Jahren das vielleicht vielversprechendste Talent der Deutschrap-Szene – wobei Rap immer so eine Schublade ist, die ihm gar nicht gerecht wird. Irgendwo zwischen R'n'B, Soul, Pop und Rap lassen sich seine vergangenen Alben verorten, doch so richtig passt er in kein Genre. Ist aber auch nicht nötig, denn egal, in welche Richtung er sich begibt, er tut es gekonnt. Klavier, Gitarre, Saxophon, Rap und diverse Stimmeneinsätze in seinem kräftigen Gesang machen ihn zu einem Allrounder, der mit seinen Releases hohe Erwartungen weckt. Spoiler: Auch "Drama" erfüllt diese Erwartungen, wenn es sie nicht sogar übertrifft.

Bislang klang BRKN überwiegend positiv – auch ernste Themen wie Geldsorgen, der tägliche Kampf mit Arbeit und dem Leben an sich waren auf vergangenen Releases stets leicht und zugänglich verpackt. Songs über Kreuzberg, den Wunsch nach der größeren Wohnung und die große Liebe. Doch wie das Leben spielt und sich verändert, ist auf "Drama" kaum noch Platz für good vibes. "Drama" erzählt erwachsener als je zuvor von der Trennung seiner Jugendliebe, vom Schmerz, von Ängsten, vom Vergeben und vor allen Dingen von Depressionen.

Der Sound, auf dem das Ganze stattfindet, ist nichtsdestotrotz weiterhin unverkennbar. Producern wie Jumpa, Miksu oder Agajon haben für "Drama" ein eneindrucksvoller Sound kreiert, der mit dem Zeitgeist mitgeht und mit modernen Hip Hop-Elementen spielt, ohne die soulige und jazzige Essenz Berkans aus den Augen zu verlieren. Auch die Stimmeinsätze des Kreuzberges sind fesselnder, energievoller und beeindruckender denn je. Genres sind und bleiben Geschmackssache, aber dass hier gekonnt produziert wurde, lässt sich nicht bestreiten.

Inhaltlich und sprachlich war BRKN noch nie ein Mann der großen Metaphern, doch wenn das auf einem Album auch gut so ist, dann auf diesem. Klare, ehrliche Worte sind das, was es braucht, um die Trennung, die Depressionen und den Schmerz spürbar zu machen. Auch, wer selbst keine schmerzhafte Trennung hinter sich hat, fühlt mit jeder Zeile des Albums, welche Last ihnen inne wohnt. Jeder Song des Albums durchläuft unterschiedliche Gefühle, die die dunkle Zeit, in der das Album entstand, mit sich bringt. Zwischen dem Gefühl, in den Problemen um einen herum zu ertrinken ("Drama") , dem Wunsch nach Besserung und Freiraum ("Kein Liebessong") und emotionaler Leere ("Herz") ist BRKN vor allen Dingen eines: reflektiert. Es gibt keine Anschuldigungen, keine Wut auf Ex-Partnerinnen, keinen Wunsch nach Rache oder den verzweifelten Versuch, die Beziehung immer und immer wieder am Leben zu halten. Stattdessen gibt es Empathie, Respekt und Fürsorge.

Beim ersten Hören mag lediglich "1991" herausfallen, das inhaltlich an ältere Singles, an den Kreuzberg-Patriotismus und die eigene Realness erinnern. Doch ins Konzept passt er trotzdem irgendwie, ohne den roten Faden des Albums zu verlieren – mit Kritik an der Polizei und Gebeten für Ferhat Unvar (und die Opfer des rassistischen Mordanschlags von Hanau) fühlt sich auch diese Stelle des Albums unfassbar nah und echt an und sorgt dafür, nicht nur die Trennung mitzufühlen, sondern eben auch den Alltag, den es neben jeder Depression und schlechten Zeit ja nun einmal auch noch gibt.

Spätestens beim Abschluss des Albums "Zu Ende" bricht Berkan einem das eigene Herz auf die bestmögliche Art und Weise. Auf einem seiner tanzbarsten und lockersten Songs überhaupt, "Ein Zimmer" von 2017, rappt er bereits: "Du hast alles verdient von New York bis Paris, hundert Paar Schuhe in einem Loft in Berlin und ich bring' dich hin, wenn ich die Chance dazu krieg". Was vor vier Jahren noch eine fröhliche Romanze zu sein gewesen ist, schließt Drama mit den ergreifendsten Worten ab, die so ein Album haben konnte. "Du hast alles verdient von New York bis Paris und auf alles, ich werd' dafür sorgen, dass du es kriegst, auch wenn du den Eifelturm mit jemand anderem siehst. Keiner kennt die Zukunft und keiner weiß, was passieren wird, aber selbst für den Fall, dass wir uns nie wieder sehen, bleibst du bist zum Tag an dem ich sterbe meine Familie. Und ich weiß schon lang nicht mehr was los ist und auch ich kenne nicht die Zukunft, doch ich kenn' dich und ich weiß, dass du stark bist und dass am Ende alles gut wird". Tiefer ins Herz kann ein letzter Part nicht gehen.

Überzeugt mich vom Gegenteil, "Drama" ist wohlmöglich das ehrlichste, greifbarste und vor allen Dingen fairste Trennungsalbum, das deutscher Rap zu bieten hat – insofern man BRKN überhaupt in diese Schublade stecken mag. "Drama" tut weh, aber das muss es auch. Und trotzdem gelingt es BRKN und dem Team in seinem Rücken, sich musikalisch immer und immer wieder zu übertreffen und ein Subgenre deutschen Raps zu eröffnen, das er selbst beherrscht.

Trackliste

  1. 1. Anfang (J's Intro)
  2. 2. Drama
  3. 3. 1991
  4. 4. Herz
  5. 5. Kein Liebessong
  6. 6. Zeit (Interlude)
  7. 7. Stress
  8. 8. Lüg Mich An
  9. 9. Hades
  10. 10. Jede Nacht
  11. 11. Zu Ende

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7 Kommentare mit 10 Antworten

  • Vor 3 Jahren

    Wobei fünf Punkte schon... ach, warum sollte man einer Redakteurin ein Wertungssystem erklären, das sie selbst eigentlich besser kennen müsste.

  • Vor 3 Jahren

    Du hast alles verdient von New York bis Paris und auf alles, ich werd' dafür sorgen, dass du es kriegst, auch wenn du den Eifelturm mit jemand anderem siehst. Keiner kennt die Zukunft und keiner weiß, was passieren wird, aber selbst für den Fall, dass wir uns nie wieder sehen, bleibst du bist zum Tag an dem ich sterbe meine Familie. Und ich weiß schon lang nicht mehr was los ist und auch ich kenne nicht die Zukunft, doch ich kenn' dich und ich weiß, dass du stark bist und dass am Ende alles gut wird". Tiefer ins Herz kann ein letzter Part nicht gehen.

    Das ist ungefähr das Niveau, mit dem ich als dummer Teenager die Trennung mit meiner noch dümmeren Ex Freundin verarbeitet habe. Unfassbar das sowas bei laut.de mittlerweile als Referenz für ernstzunehmende Künstler gilt, da ist man dann auch sprachlos. Wie abgedroschen, wie leer, muss man eigentlich sein sowas "deep" zu finden?