laut.de-Kritik

Hardcore oder Metal? Die Shouterin kümmerts wenig.

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Mit "In Transmission" haben Capra 2021 ein intensives Debüt hingeknallt. Die Südstaaten-Gruppe stellte sich der Welt wie ein ausgehungerter Straßenkämpfer vor: Sprunghaft und angriffslustig teilten sie in alle Richtungen aus: die eine Faust Hardcore-Punk, die andere Metal. Eine herrlich unverklemmte Angelegenheit, eine herrlich ungestüme Energie.

Knapp zwei Jahre später steht die Truppe wieder auf der Matte, und während sie ihrem Stil in vielem treu bleibt, ist "Errors" doch eine ganz andere Nummer. Erstens wäre da eine ausgeprägtere Metal-Schlagseite. Flinke HC-Einlagen sind diesmal eher die Ausnahme, stattdessen agiert die Band vermehrt im zermalmenden Midtempo und klopft die Hörerschaft mit vielen heavy Breakdowns mürbe, will man die Boxer-Analogie nochmals bemühen.

Zweitens fallen die Songstrukturen - in den Worten von Gitarrist Tyler Harper - diesmal weniger chaotisch aus. Capra haben ihren Sound glattgebügelt. Zumindest ein wenig.

Der Opener "CHSF" knüpft dennoch dort an, wo das letzte Album endete. Nach einem dramatischen Ta-da-da-daaa bolzt das Quartett in flottem Tempo los, und Shouterin Crow Lotus quetscht ihre Zeilen gewohnt angepisst raus. Aus voller Kehle schreien muss sie ohnehin, um gegen Harpers fieberige Riffs und vor allem das krachende Schlagzeug von Jeremy Randazzo anstinken zu können. Der Mix von "Errors" macht richtig Laune.

Rohe Hardcore-Wut demonstrieren die Amis auch auf dem folgenden "Tied Up", zumindest zu Beginn. Die vor sich hin mäandernde Gitarre führt die Truppe quietschend, dröhnend und hektisch in einen Metalcore-Mittelteil und zu guter Letzt in einen wuchtigen Breakdown. In Prinzip reißen Capra hier in zwei Minuten die ganze Bandbreite dessen runter, was sie in den zehn Songs so auffahren.

In welche Richtung das Pendel dabei jeweils ausschlägt, interessiert Crow Lotus am wenigsten. Ihre Frustration platzt einem ganz eigenen Takt folgend aus ihr heraus, beeindruckend unbeeindruckt von alledem, was um sie herum geschieht. Allzu großen Wert auf Hooks gab sie ohnehin noch nie, was – wenn man sich die Kommentare unter Capras Youtube-Clips durchliest – viele Zeitgenossen irritieren mag. Ich dagegen sehe im eigenständigen Stil der Shouterin einen guten Teil des Charmes der Band.

An Hingabe und Passion mangelt es ihr keineswegs. Ob soziale Missstände oder persönliche Traumata, Lotus findet immer etwas, an dem sie sich schreiend abarbeiten kann. Einen einzelnen Track herauszugreifen, fällt schwer, aber womöglich ist es das intensive "Trauma Bond": Zeilen wie "Maybe I'm the one who's wrong / I've been broken for so long oder "Want so bad to go back to feeling like myself / But how do you do that, when you don't know who you are?" bringt sie authentisch gequält rüber. Wenn da nichts resoniert, weiß ich auch nicht.

In welch einen Lärmrausch sich die Band in diesem Song hineinsteigert, wird erst beim Übergang zum Folgetrack "Loser" klar, der mit einem unbeschwerten Punkriff und minimalen Drums beginnt. Einer der klarsten Brüche im Albumfluss. Ansonsten gehen die Tracks zumeist nahtlos ineinander über, was – in Kombination mit Crow Lotus' Desinteresse an eigentlichen Hooks – während der ersten paar Durchläufe noch zu Orientierungsproblemen führt.

Stilistische Ausreißer sind rar gesät. Im thrashigen "Kingslayer" gibt es mal einen oldschooligen Zwischenteil, der nach Sick Of It All klingt, und im vernichtenden "Human Commodity" wechseln sich Lotus und Candace Kucsulain-Puopolo von der Metalcore-Institution Walls Of Jericho am Mikrofon ab. Natürlich ein Highlight der Platte.

Während das Debütalbum noch mit dem wortspielerisch betitelten "Samuraiah Carey" beendet wurde – der Band zufolge auch mit dem Gedanken, den Leute wenigstens einen Anflug von Humor zu offenbaren – endet "Errors" mit der semi-melancholischen Nummer "Nora (Last Call)", in die sogar erstmals überhaupt ein Piano integriert wurde.

Der Verzicht auf Wortspiele ist nur konsequent: "Errors" ist eine halbstündige Wuttherapie-Session, die bis aufs Letzte ausgenutzt werden will. Die Atmosphäre ist düsterer, ja hoffnungsloser als noch auf dem Debüt, die Songstrukturen etwas entschlackt. Doch Capra klingen immer noch zu jedem Moment unverkennbar nach sich selbst. Und das ist richtig gut so.

Trackliste

  1. 1. CHSF
  2. 2. Tied Up
  3. 3. Silana
  4. 4. Trauma Bond
  5. 5. Loser
  6. 6. Kingslayer
  7. 7. Human Commodity
  8. 8. Transplant
  9. 9. Obligatory Existence
  10. 10. Nora

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3 Kommentare mit 2 Antworten

  • Vor einem Jahr

    Während mich "In Transmission" noch an die großartige, aber leider inaktive Band Glasses erinnert hat (und Capra damit nun also auch nicht sonderlich originell waren) finde ich das neue Album "zu glatt".
    Ich weiß, es gab gute Gründe, warum Glasses im Gegensatz zu Capra nie bei Sony Music waren und nie so bekannt wurden. Ich verstehe trotzdem nicht, warum Capra (bis auf ein, zwei Songs) so unfassbar langweilig und uninspiriert geworden sind.

  • Vor einem Jahr

    Bisher nur "Human Commodity" von der neuen gehört und auch wenn Candace als Gast untadelig bleibt wie zu den besten Zeiten ihrer eigenen Band... Wenn das (auch) den strukturellen Höhepunkt im Songwriting auf der Platte abbilden soll, dann ist mit dem steilen Karriereaufschwung seit "In Transmission" tatsächlich sehr schnell bedauerlich viel des unverfälschten, nicht gestellten Wahnsinns sowie der rohen, zügellosen Energie des Vorgängers auf der Strecke geblieben. Qualitäten, die diese Band bis dahin äußerst positiv von den üblich verdächtigen Szene-Schablonen auf den Covern aktueller Nuclear Blast- & Industry Plant-Formatmetalkataloge abhoben.

  • Vor einem Jahr

    Der Rezensent stellt diese Idee als etwas sehr Originelles dar, aber sowas hat man schon Ende der 90er als Metalcore bezeichnet. Was meint ihr eigentlich, woher der Begriff kommt? Wtf

    • Vor einem Jahr

      Andere Perspektive: Der Rezensent weiß sehr wohl was Metalcore ist, wie der für gewöhnlich gemacht wird und typischerweise klingt, wollte genau diese Genrebezeichnung (insbesondere gemessen am Debüt) aber nicht in der Rezi verwenden, da das Ergebnis bei Capra trotz prinzipiell gleicher Herangehensweise nicht wirklich nach dem klingt, was hierzulande post-BMTH & Co. gemeinhin musikalisch erwartet wird sobald der Begriff einmal gefallen ist.