10. September 2014

"SpongeBob hat mich oft gerettet!"

Interview geführt von

Anlässlich der Veröffentlichung seines neuen Albums "EXIT" nimmt sich der gebürtige Österreicher Zeit, um uns einige Fragen zu beantworten.

Über zu wenig Output können sich Chakuza-Fans nicht beklagen: Erst im März erschien "Zodiak" als Kollabo-Projekt mit RAF Camora und Joshi Mizu, und "Magnolia" liegt auch nicht allzu lange zurück. Im Interview spricht der Rapper nun über seine musikalische Weiterentwicklung seitdem, erklärt, worum es ihm bei "EXIT" geht und welche Rolle Promo, Alkohol und SpongeBob dabei spielen.

Im März hast du gesagt, dein nächstes Projekt wird eine Mischung aus "Zodiak" und "Magnolia". Mittlerweile nerven dich die ständigen Vergleiche. Wie definierst du "EXIT" für dich?

Das Album ist für mich auf jeden Fall ein Startschuss in eine neue Richtung. Ich habe jetzt definitiv meinen Sound gefunden. Wir wollen das in Zukunft natürlich noch mehr ausfeilen und noch extremer werden. Das ist alles noch sehr zurückhaltend. Aber ich muss meine Leute langsam daran gewöhnen, dass ich jetzt einen anderen Sound fahre.

Wie, denkst du, nehmen die Fans diesen neuen Sound auf?

Wir haben bisher drei Singles vorab veröffentlicht und die Reaktionen waren echt sehr, sehr gut. Natürlich gibt es immer wieder Leute, die das nicht mögen, aber ich kann es auch nicht jedem recht machen. Ich muss die Musik machen, die mir Spaß macht, und jetzt im Moment ist es genau diese.

Man hat das Gefühl, du bist mit jedem Album erwachsener geworden. Denkst du, dass "EXIT" trotzdem noch eine jugendliche Zielgruppe erreicht?

Ich hoffe doch. Ich erzähle ja sehr wenig vom Erwachsensein, das hat wahrscheinlich mit meiner Art zu tun, wie ich mit allem umgehe. In meinen Texten geht es, glaube ich, schon um Allerweltsprobleme, die man auch im jüngeren Alter haben kann.

Zum Thema Alter fallen mir deine Anspielungen auf SpongeBob und Harry Potter ein, die letzte Singleauskopplung hieß "Charlie Brown". Wie viel Kind steckt noch in dir?

(Lacht) Leider halt zu viel. SpongeBob hat mich schon so oft gerettet! Immer, wenn ich gerade unterwegs bin oder es mir nicht gut geht, dann gucke ich mir ein paar Folgen an und bekomme direkt gute Laune. Das hilft mir dabei, einfach mal abzuschalten und über den größten Blödsinn der Welt zu lachen. Deswegen bin ich auch ziemlicher Fan, ich habe auch Kaffeetassen von dem, Bettwäsche ... in der ich natürlich nicht schlafe (lacht).

Dein Album wurde in Holland aufgenommen, im Haus des Künstlerkollektivs In Vallis. Erzähl' mal, wie kam der Kontakt zustande?

Ich habe die Jungs über meinen Tourmanager kennen gelernt und mittlerweile gehöre ich selbst zu deren Kollektiv. Da gibt es Jan, dem Haus und Studio gehören, und die anderen sind Maler, Grafiker oder selbst Musiker. Irgendwie hat mich das alles echt krass geflasht, wie entspannt die Jungs sind und wie die arbeiten. Ich hab' mich direkt verliebt, also bin ich dageblieben, um das Album aufzunehmen. Das war so eigentlich gar nicht geplant.

Du hast gesagt, ohne die Jungs gäbe es "EXIT" gar nicht. Was würdest du jetzt stattdessen machen? Wieder kochen?

(Lacht) Ich hätte schon ein Album gemacht, aber ich wusste nicht, wie ich an die Sache herangehen sollte. Nach "Magnolia" war ich richtig leer. Ich hatte angefangen zu schreiben, war aber total unzufrieden und stand vor einem großen Problem. Als ich dann zwei Wochen in Holland war, hat es mich einfach gepackt. Ich dachte mir, ich entspanne mich jetzt und denke mal nicht ans Business, weil das nach der Platte sowieso zwangsläufig kommt. Einfach Musik machen, wie ich sie mir vorstelle. Das haben wir dann gemacht und es niemandem gezeigt, bis es fertig war.

Aber so locker von der Hand gerappt wie "Zodiak" war es trotzdem nicht, oder?

"Zodiak" war ja null persönlich. Das war ein Spaß, und wir wussten gar nicht, ob es überhaupt rauskommt. Kam es dann natürlich, aber ich definiere mich überhaupt nicht über die Platte. Wir hatten einfach Bock zu rappen, aber meine Solo-Sachen würden nie so aussehen. Obwohl ich sagen muss, dass "EXIT" vom Arbeitsprozess her das entspannteste Album ist, das ich je gemacht habe. Ich hatte wieder Hunger und es war fast so, als würde ich ein neues, erstes Album aufnehmen.

"Ich bin jetzt kein Voll-Alki!"

Dann lass' uns doch direkt über das Album sprechen. Zum Offensichtlichen: Das Artwork unterscheidet sich stark von den Vorgängern. Wie spiegelt es den Inhalt wider?

"EXIT" heißt für mich, manchmal davonzufliegen, deshalb war mir das Ballon-Bild sehr wichtig. Das ist, glaube ich, die größte Freiheit, wenn man einfach einen Ballon nimmt und wegfliegt.

Also hat der Album-Titel auch etwas mit dir persönlich zu tun?

Ja, zu der Zeit in Holland sind bei mir auch wieder persönliche Probleme aufgetreten. Irgendwann ist mir dann "EXIT" eingefallen, weil es für Ausgang steht. Ich habe zu allen gesagt: "Ruhe jetzt, ich will von keinem mehr etwas hören. Ich mach' jetzt mein Ding in kleinem Kreis und lasse mich nicht mehr von außen beeinflussen." Das war ein Ausgang aus meinem eigenen Kopf.

Gegenüber Visa Vie hast du gesagt: "Ich bin auch nur gut, wenn es mir schlecht geht." Deiner Produktivität nach zu urteilen, ist das ziemlich oft so.

Puuuuuh, ja ... ich hab' aber auch das Glück, dass ich mich so sehr hineinsteigern kann, dass es mir auch wegen Kleinigkeiten manchmal ziemlich beschissen geht. Dann werde ich produktiv und vor allem kreativ. Aber ich denke, das ist bei vielen Künstlern so: Wenn es einem beschissen geht, macht man einfach die beste Musik.

Halligalli-Musik, ich nenne das jetzt mal so, kommt für dich nie in Frage?

Nein, ich habe echt keine Lust, lustige Musik zu machen. Hatte ich nie, werde ich nie. Ich mag eben dieses Melancholische, das Traurige und das wissen die Leute, wenn sie eine Platte von mir kaufen.

Aber lustig fand ich "EXIT" manchmal trotzdem. Man hört dich ja auch ab und zu lachen.

(Lacht) Das ist etwas anderes, beim Aufnehmen bin ich total entspannt. Wenn ich schreibe, dann versetze ich mich in eine kleine Welt, hab' da meinen Tunnelblick und bin total fokussiert. Wenn ich mit den Aufnahmen fertig bin, dann freue ich mich aber wieder, denn ich habe ja aus dem, das mir auf den Sack ging, etwas Positives geschaffen.

Ein Thema, das in deinen Songs und Videos immer wieder auftaucht, ist Alkohol. Würdest du sagen, dass du viel trinkst?

Es gibt so Zeiten, das weiß man aber auch von mir. Es gibt Phasen, in denen ich ein bisschen zu viel trinke, dann aber auch wieder welche, in denen ich mich nur gesund ernähre und fünf Mal pro Woche trainiere. Man stellt das dann natürlich übertrieben dar, aber ich bin jetzt kein Voll-Alki und habe das Gott sei Dank im Griff (lacht).

"Off" ist dein Lieblingssong auf der Platte. Wer genau ist die Stimme, die du zum Schweigen bringen willst?

Da trage ich viele Situationen aus meinen vergangenen Liebesbeziehungen zusammen, das ist jetzt nicht eine Person. Mit 33 Jahren hat man natürlich schon einige Erfahrungen gemacht, und da passiert auch viel Scheiße. Das musste ich mal zusammen fassen.

In "Drehscheibe" sagst du, dass du mit 30 eigentlich eine Familie gründen wolltest.

Natürlich hatte man das vor! Aber wie es halt so ist, dann kommt das Musikerleben dazwischen. Solange ich meinem Kind nicht alle Sicherheiten bieten kann, die es braucht, werde ich auch keins zeugen. Die Musik hat gerade angefangen, mir wieder richtig Spaß zu machen, und ich denke nicht daran, aufzuhören. Natürlich grübelt man immer über Veränderungen nach. Ich will weiter weg von diesem typischen Rap-Ding und bin gespannt, wo uns das alles hinführt.

"Deutschrap-Promo ist zur Comedyshow geworden"

Warum entfernst du dich immer mehr vom Rap-Ding? RAF ist ja auch das einzige Feature in der Hinsicht, sonst sind nur Maxim und Jonathan Walter vertreten.

Uninteressant ist das falsche Wort, aber ich persönlich muss mich eben weiterentwickeln, damit die ganze Musik-Sache interessant bleibt. Ich habe schon so viel gemacht, dass dieses Standard-Hip Hop-Ding nicht mehr den gleichen Reiz hat wie früher. Ich könnte natürlich auch wie am Fließband arbeiten und jedes Jahr die gleiche Platte abliefern, dann sind alle zufrieden. Aber das ist einfach nicht mein Anspruch. RAF war dabei, weil ich mich nur aufs Schreiben konzentrieren wollte und nicht aufs Produzieren. In der Hinsicht ist er der einzige, dem ich vertraue, abgesehen von Stickle. [DJ Stickle, bildet zusammen mit Chakuza das Produzententeam Beatlefield, Anm. d. Red.]

Verfolgst du die Deutschrap-Szene trotzdem? Was begeistert dich da aktuell?

Ja, ich höre mir tatsächlich alles an, was so auf dem Markt ist. Da feier ich Maxat gerade hart ab, Donato und auch die Platte von Karate Andi fand ich richtig cool. Ich freu' mich voll auf das neue Curse-Album und bin gespannt, was der jetzt bringt.

"Magnolia" kannst du dir heute nicht mehr anhören. Denkst du, über "EXIT" sagst du irgendwann das Gleiche?

"Magnolia" ist eine super Platte, die damals sehr wichtig für mich war. Aber wenn ich meine Stimme und meine Performance höre, dann weiß ich, wie ich mich zu dem Zeitpunkt gefühlt habe. Jemand anderes hört das wahrscheinlich nicht, aber da ging es mir richtig schlecht. Deswegen kann ich mir das Album nicht geben. "EXIT" höre ich auch jetzt noch die ganze Zeit und habe immer noch Spaß daran.

Du nimmst zum ersten Mal deine eigene Band mit auf Tour. Spielst du eigentlich auch selbst irgendwelche Instrumente?

Genau, vorher war ich immer mit Miet-Musikern unterwegs, das war nicht so ausgeklügelt. Jetzt ist das auch ein Freundschafts-Ding, und jeder gibt wirklich alles. Da geht es mal weniger um die Bezahlung, sondern um das ganze Projekt. Das hat viel mehr Energie, als wenn nur mit DJ gespielt wird. Ich selbst spiele Klavier und ziemlich schlecht Gitarre. Außerdem ein bisschen Ziehharmonika, das musste ich damals wegen meines Großvaters lernen. Die kommt aber auf den Konzerten nicht zum Einsatz (lacht).

Zum Thema Promo: Da ist ja vor allem im Deutschrap ziemlich krass, jeden Tag werden irgendwelche Snippets oder Videoblogs online gestellt. Muss man das machen, um entsprechende Aufmerksamkeit zu bekommen?

Ja, du musst die Leute immer füttern. Es kommt aber immer drauf an, was man macht. Vieles ist schon zur Comedyshow geworden. Ich finde manche Sachen auch witzig, aber für mich persönlich wäre das nichts. Manches ist richtig gut gemacht, nur ist schon zu weit draußen und hat nichts mehr mit Musik zu tun.

Auf Facebook bist du aber relativ aktiv. Macht dir das Spaß oder betrachtest du es eher als lästige Pflicht?

Ich musste mich am Anfang wirklich dazu überwinden, weil ich es überhaupt nicht mochte. Aber inzwischen habe ich einen Weg gefunden. Das ist zwar eine ganz andere Welt, aber wenn man verstanden hat, wie es funktioniert, macht es schon Bock. Ich mache aber immer nur Sachen, die ich voll und ganz vertreten kann.

Ich habe gesehen, dass du schon ein, zwei Mal auf negative Kommentare reagiert hast, unter anderem bezüglich deines Hello Kitty-Tattoos. Ich hätte eher gedacht, dass dich so etwas kalt lässt.

Wenn die Kritik berechtigt ist, dann habe ich damit überhaupt kein Problem. Aber wenn mich jemand beleidigt, dann fliegt der sowieso. Oder ich pöbel' halt zurück, ich lasse mir das nicht gefallen. Warum sollte ich auch? Dann verbanne ich die Person lieber.

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