laut.de-Kritik
Der Morrissey für Arme auf Schnaps und Codein.
Review von Friedrich WassermannRap über Alkohol, Sex und Drogen: Das klingt nach einer großen, dunklen Schublade. Da hinein sollte man die Musik von Karate Andi dann aber doch nicht stecken, denn auf "Pilsator Platin" zeigt er sein unglaubliches Talent für Technik und durchdachte Punchlines. Gepaart mit den Beats von 7Inch bringt das eine Platte voll harter Texte, Humor und ausnahmslos guter Instrumentals hervor.
Genre? Pennerrap. Was das sein soll, stellt sich schnell heraus. Der junge Herr aus Göttingen stellt schon im ersten Track "Willkommen Im Karateclub" einiges klar: "Pilsator Platin" birgt Musik gegen Bonzen mit Platinschmuck und erinnert in diesem, aber auch in einigen anderen Tracks, stark an K.I.Z. Das liegt nicht nur an Inhalt und Witz, sondern auch an den Gesangseinlagen in mancher Hook.
"Generation Andi" legt noch eine Portion Härte drauf. Andi gibt Line um Line konsequent derbe auf die Ohren, vertickt Kilos nach Augenmaß, beschimpft Friedrichshainer und beschreibt Analsex mit behaarten Müttern auf Speed. Er beherrscht nicht nur Zweckreime, sondern stellt auch Zusammenhänge über mehrere Takte her. So verpackt er beispielsweise in "Kindergeld" einen blauen BMW, das saumäßig bequeme Audiopaket und das schwere Wort Authentizität zu einer kleinen Story über seine Welt.
Neben harten Texten zeigt sich Andis Humor, beispielsweise im Liebeslied an die Berliner Verkehrsbetriebe. Fragt man ihn in "Big Trouble At Little Hermannplatz", was er gegen die U-Bahn habe, scheißt er auf euch im Fünf-Minuten-Takt: "Steig' einfach ein und gib einen Fick auf die Karte, fahr' wohin du willst, du musst nichts für bezahlen."
In "So Viel Gemeinsam" präsentiert Karate Andi zusammen mit Featuregast Mortis Maschen zum Frauenrumkriegen. "Ich liebe House mit Klaviersamples, Kuscheln und stundenlange Spaziergänge" oder "Du gehst nicht auf Karstadt-WCs? Ich auch nicht, ich trink' auch keinen Starbucks-Kaffee" liefern dafür nur zwei Beispiele von vielen.
Den besonderen Reiz machen die Details aus, die Andis Interesse an vielen Dingen abseits des Rap verraten. So spricht er unter anderem von Charles Bukowski oder Morrissey und lässt durchblicken, dass solche Persönlichkeiten seine Musik stark beeinflussen. Zwischendurch bringt er versteckte Hommagen unter. In "Kindergeld" will er zum Beispiel "Konzerte nur noch in einer SS-Uniform" spielen und erinnert dabei an Motörheads Lemmy Kilmister.
An manchen Stellen muss man genau hinhören. Gerade diese Kleinigkeiten machen Spaß. So beginnt der dritte Part von "Der Boss Vom Hinterhof" mit einer nostalgischen Line über vergangene Battles, untermalt mit einem Klavierinstrumental – einer der zahlreichen schönen Momente auf "Pilsator Platin".
Über die Gesangseinlagen von Andi und Gustav kann man gerne streiten. Zugegeben, Autotune kommt vielen noch immer ziemlich gewöhnungsbedürftig vor. Gerade beim ersten Hören von "Breakdancebattle" frage ich mich, ob das wirklich sein musste. Gustavs Stimme hätte die digitale Bearbeitung sicher nicht nötig gehabt, aber inhaltlich lässt allein schon die Zeile "Headspin von hier bis in die Ewigkeit" gar nichts anderes zu. Ob Andi seinen Gesang in Zukunft auch weiterhin pitchen muss, bleibt abzuwarten. Er sollte vielleicht einfach üben.
Dieses Album wirkt ziemlich rund und hält zu alledem noch einen Track mit Potenzial zur Kneipenhymne parat. In "Morgen Hör Ich Auf" will Andi dem Alkohol und dem Kiffen entsagen. Ob das klappt? Zumindest schwört er auf Big Daddy Kane, während er als Kneipenlegende den Bossa Nova tanzt und sich Codein mit Schnaps gibt.
Neben den Instrumentals birgt "Pilsator Platin" vier Bonustracks mit kräftiger Karate-Attitude, untermalt von größtenteils wunderbarer Beats. Größtenteils deswegen, weil sie im ein oder anderen Moment etwas übertreiben. Die Produktionen sind ohne Zweifel gelungen. Dennoch macht sich stellenweise der Eindruck breit, dass sich mit Karate Andi und 7Inch zwei starke Kreative gefunden, aber eben nicht immer getroffen haben.
Andi setzt seine Stimme ein, um den Hörer durch die Lieder zu führen. Die Instrumentals geraten so etwas in den Hintergrund. "Was Du Von Hip Hop Hältst" vermittelt den gegenteiligen Eindruck: Als schreie der Beat nach Aufmerksamkeit und versuche, Andi mit viel Geräusch unterzubuttern. Da passt es einfach nicht hundertprozentig. Trotzdem legt der "Morrissey für Arme" mit "Pilsator Platin" einen empfehlenswerten, weil gekonnten Karriereauftakt hin.
9 Kommentare mit 5 Antworten
geil! heil karate andi!! Heil!! auf die rezi hab ich gewartet
bist du etwa ein nazi?
ich bin afro-jude
und gesinnungs-zigeuner
Gutes Album mit ein paar verkorksten Hooks aber viel Unterhaltung
Ne Mischung aus Hollywoods Hank und Shindy. Ich mag es !
NEIN karate andi und michael schindler haben NYCHTS gemein
Herrlich asoziales Album und nur weiter zu empfehlen ^^ Die ersten drei Songs sind mmN auch die Anspieltipps. Stärker als Sonny Black,ZGIDZII,Killa und etlich "Großprojekte" auch wenn man das natürlich nicht vergleichen kann. Es unterhält einen einfach sehr gut, ist super witzig innovativ - Wer sich mal ein Bild verschaffen möchte kann sich sonst einfach seine RAM Auftritte bei Youtube anschauen 4/5 Sterne, oder 9/10 Sterne sogar
Also grade angesichts der riesigen Vorschusslorbeeren bin ich doch eher entäuscht. Klar kann der flowen und vor allem Reimen wie sonst kaum ein anderer deutscher Rapper. Allerdings scheint er chronische Amnesie zu haben, so dass er es nicht schafft, mehr als 4 Zeilen zusammenhängend über was zu räppen. Die Punchlines sind teilweise ein bisschen zu sehr "just for the rhyme" und die Beats teilweise arg dünn. Ist jetzt kein schlechtes Album, aber auch nur begrenzt das Hammerteil, als das es dargestellt wird.
Ja, so mit Abstand betrachtet hätte es eine 3/5 auch getan. Aber zum Zeitpunkt des Releases war es halt relativ neu und innovativ. Wenn Selfmade ihn nicht zu sehr an der Leine hat und auf diese ironische Penner-Schiene bringen will, könnte er aber bald sicherlich ein gutes und vielleicht sogar tiefgründigeres Album rausbringen, was diese ganze Thematik behandelt. Mit den Smiths, Morrissey usw. hat er da auch gute Vorbilder für. Ich glaub da aber nicht dran. Die Kidz stehen halt voll auf Ironie und Sarkasmus und Sudden und Trailerpark oder so.