laut.de-Kritik

Die 80er-Ikone hat Spaß an Country.

Review von

Cyndi Lauper ist ein bunt schillerndes 80er-Jahre-Phänomen. Mit "Time After Time" und "Girls Just Wanna Have Fun" zimmerte sie felsenfeste Popdenkmäler. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Stars der Epoche löste sich Cyndi aber vollkommen von ihrer ersten Karriere und arbeitete ohne ständige Rückbezüge autark.

Tatsächlich veröffentlichte die mittlerweile 62-Jährige in den letzten Jahren eine Vielzahl interessanter, mehrschichtiger Projekte. Für ihre Blues-Scheibe "Memphis Blues" arbeitete sie mit B.B. King zusammen. Zusammen mit Lady Gaga kämpfte sie für die Rechte der Homosexuellen und gegen AIDS, und für ihr Musical "Kinky Bots" erntete sie einen Grammy und einem Tony.

Merke: Diese Frau, die sich einem stetigen und teils radikalen Wandel unterzieht und lockerflockige 50 Millionen Scheiben verkauft hat, müssen wir ernst nehmen. Trotzdem verwirrt ihr aktuelles Album: "Detour" birgt Country. Noch schlimmer: Country-Cover-Versionen.

Nun erstreckt sich die große Kunst des Coverns ja von hart arbeitenden Bierzelt-Partykombos über Sendeformate wie "Sing meinen Song" bis hin zu komplexen Experimenten, die die ursprüngliche Komposition aktiv weiter bearbeiten und ein neues, vitales Werk erschaffen. Man denke nur an die immer noch grandiose "American Recordings"-Reihe von Altmeister Johnny Cash.

Bereits der Blick auf die Verpackung von Laupers Scheibe offenbart zwei Dinge: Die Sängerin hat eine kleine, teilweise feine Auswahl von Country-Songs getroffen. Vielen der gelisteten Hits ist man entweder freiwillig oder unfreiwillig schon einmal begegnet. Dazwischen stecken aber auch eine Menge längst vergessener Perlen. Zudem verrät bereits das Cover, auf dem Lauper mit pinken Haaren und einem tiefschwarzen Westernkostüm im Beiwagen eines Cowboy-Bikers sitzt, dass sie diese Platte durchaus mit einem Augenzwinkern eingespielt hat.

Lauper wirft einen nostalgischen Blick zurück auf ihre eigene musikalische Sozialisation: "Als ich ein kleines Kind war, da war Country-Musik noch Popmusik. Wir sind damit aufgewachsen. Einige dieser Songs gehören zu meinen frühesten Erinnerungen." Nun ist der Blick auf unsere Kindheit ja nicht selten ein wenig verklärt und die Erinnerungsschemata recht selektiv.

Das hört man "Detour" an. Die Platte bemüht sich, nicht zu abstrakt und experimentell zu klingen, sondern geht überaus respektvoll, aber auch ungeheuer brav mit den Kompositionen um. Lauper kämpft um einen authentischen Sound und erschafft so ein ganz klassisches Country-Album, das dem angestaubten Genre aber zu keinem Zeitpunkt etwas Neues oder Aufregendes hinzufügt. Genau das wäre doch wirklich spannend gewesen.

Passend dazu hat die Sängerin in Nashville, dem Mekka der Country-Jünger, mit einer Band von Spezialisten aufgenommen. Technisch bewegt sich die Platte auf ansprechenden Niveau. Auch Lauper selbst überzeugt durchaus mit ihrer Stimmfarbe.

"Detour" lässt sich in zwei Teile aufspalten: Die Songs, die Cyndi Lauper alleine eingespielt hat, stehen den fünf Stücken gegenüber, für die sie sich Verstärkung von wirklichen Country-Koryphäen ins Boot geholt hat.

"Misty Blue", eine von Bob Montgomery geschriebene Country-Ballade, gerät außergewöhnlich soulig und smooth und besitzt eine gewissen sonnengegerbten Südstaaten-Vibe. Der Song beginnt mit einer dezenten Kirchenorgel, die später zarte, fast brüchige Streicher erweitern. Diese Konstellation lässt Lauper massiven Raum zur Stimmentfaltung. Der Spaß und die Leidenschaft, dieses Feld zu beackern, sind der Sängerin förmlich anzuhören.

"Begging To You" klingt viel klassischer. Die ureigene Countrygeige weist den Weg und jodelt später ein Solo, während Lauper selbstsicher durch die verstaubte Western-Saloon-Kulisse marschiert, die sich vor ihr auftut. Die Patsy Cline-Nummer "Fall To Pieces" gehört zu den schwächeren Stücken der Platte, weil ihr jede Energie abgeht und die dazu passenden Hausfrauen-Lyrics uns passgenau klar machen, warum wir Country eigentlich nicht mögen.

Viel interessanter erscheinen die Duette, auch weil Cyndi eine vielschichtige Auswahl namhafter Gaststars versammelt hat. Emmylou Harris etwa verleiht dem ebenfalls erzkonservativen Titelstück "Detour" eine ganz eigene Aura. Wenn die beiden Diven gemeinsam zum Refrain ansetzen, kann man sich ein Grinsen irgendwie nicht verkneifen. Ich gebs zu: Der Song macht auf eine abgefahrene Weise Spaß.

Willie Nelson indes hat seinen eigenen Klassiker "Night Life" mitgebracht. Das ist natürlich ein Shureshot, auch wenn die Lauper-Fassung nicht an die Coverversionen von Frank Sinatra oder B.B. King heranreicht. Die beiden Altstars spielen sich aber zielsicher die Bälle zu wie zwei Wimbledon-Finalisten und genießen das Happening sichtlich. Außerdem liefern Jewel, Vince Gill und Alison Krauss allesamt mehr oder weniger souverän ab und rufen so einen gewissen MTV-Unplugged-Klassentreffen-Charme ab.

An diesem Projekt dürfte niemand mehr Freude haben als die Interpretin selbst. Die nämlich platzt beinahe vor Nostalgie und Enthusiasmus und zelebriert ihre Leidenschaft für den vorliegenden Stoff. Trotzdem klingt das Werk insgesamt arg angestaubt, es fehlen die Überraschungen. Einem Genre, das sich schon seit Jahren und Jahrzehnten im Kreis dreht und in den eigenen Schwanz beißt, wird "Detour" kaum neue Hörer bescheren.

Trackliste

  1. 1. Funnel Of Love
  2. 2. Detour
  3. 3. Misty Blue
  4. 4. Walkin' After Midnight
  5. 5. Heartaches By The Number
  6. 6. The End Of The World
  7. 7. Night Life
  8. 8. Begging To You
  9. 9. You're the Reason Our Kids Are Ugly
  10. 10. I Fall To Pieces
  11. 11. I Want to Be a Cowboy's Sweetheart
  12. 12. Hard Candy Christmas

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2 Kommentare

  • Vor 8 Jahren

    "bring ya to the brink" mag ein verspätetes "confessions on the dancefloor" gewesen sein, aber es war dancefloor und auf dem macht sie sich hervorragend.
    ein album im stil des liedes, welches sie aktuell mit jean-michel jarré (swipe to the right) gemacht hat, hätte ich mir sehr gewünscht.

  • Vor 7 Jahren

    Bring ya to the bring war einfach erfrischend und glänzte mit vielen guten Songs. Leider hat Sony wie immer sich nicht die Mühe gemacht dieses grandiose Album zu promoten. In den letzten Jahren gab es zu viele Coveralben von Frau Lauper. Auch wenn Memphis Blues Monatelang an der Spitze der amerikanischen Bluescharts stand und somit das beste Bluesalbum des Jahres 2010 war und sogar eine Grammynominierung erhielt, hat es mich als langjähriger Cyndi Fan nicht wirklich von den Socken gehauen. Bring ya to the brink ist für mich, neben She´s so unusual eines ihrer besten Alben was sie bis jetzt gemacht hat. Den Song den sie mit Jean Michel Jarre eingespielt hat ist tolles Stück. Angeblich soll das nächste Album wieder ein Dancealbum sein, komplett mit neuen Stücken, welches Cyndi in den letzten Jahren gesafed hat. Vor 2018 wird das Album aber sicherlich veröffentlicht werden. Ich hoffe das Sire Records dann das Album besser promoten wird als Sony es mit ihren vorherigen Alben getan hat. Sie ist eine grandiose Künstlerin und hoffe dass ihr nochmal ein Wurf gelingen wird mit ihrer Musik.