laut.de-Kritik

Würdevoll, liebevoll, einfach toll.

Review von

De La Soul gossen nichts weniger als das Lebensgefühl von Samstagen in Sound, und das gelingt ihnen auf "Cabin In The Sky" heute wieder. Der Klassiker "A Roller Skating Jam Named Saturdays" (1991) stammt aus jener vergessenen Ära vorm 24/7-Internet, als in unseren Breitengraden Samstags um 14 Uhr die Läden verrammelt wurden. Auch die Plattenläden schlossen dann, die De La Soul aufgrund eines Vertriebs-Deals zwischen Tommy Boy und Anteilseigner Warner im Sortiment führten. Seinerzeit kam eine Samstagabendshow im Fernsehen auf über 50 Prozent Einschaltquote, wobei dem Hip Hop-Lager grundsätzlich keine Musikgäste entstammten.

Wer MCs vor der Kamera sehen wollte, dem blieb daher lange nur "Yo! MTV Raps", da wurde nicht übersetzt, trotz heftigster Slang-Sprache, Insider-Witzen und Genuschel. Anfang '94 quatschten De La Soul als Studiogäste dort vor der Kulisse eines Aquariums. Sie erzählten einträchtig, dass sie viel tourten, aber auch alle Papis geworden seien. Da saßen sie zu dritt. Zu jener Zeit begab es sich, dass sie längst eine Pionier-Funktion in unseren Breitengraden inne hatten, während Hip Hop relativ zaghaft Deutschland durchwanderte.

De La Soul landeten überdurchschnittlich viele, nämlich drei Hits bei uns, "Me, Myself And I" (in Österreich sträflich ignoriert) "Ring Ring Ring (Ha Ha Hey)" (Platz Eins in der Schweiz) und besagtes "A Roller Skating Jam Named Saturdays". 2025 sind Maseo und Pos zu zweit. Ihr Kumpel Trugoy schwebt schon im Hip Hop-Heaven. Herzinfarkt. Es nagt an ihnen beiden. Sie haben mit ihm viel durchgemacht, die letzten gemeinsamen Jahre - ein Leben voller Anwaltsbriefe und Lizenzstreitigkeiten. "EN EFF ft. Black Thought" erwähnt, dass es in der Musik nun mal auch ums Geld gehe.

Als sie so richtig heavily sampelten, auf den ersten LPs, da stand Sample-Clearing nun nicht sonderlich hoch im Zeitgeist. Klar, sie setzten die Originale immer respektvoll, aufwertend ein, oft seltene Sachen, eher zum Nutzen der Urheber. Aber nachträgliche Genehmigungen reichten nicht aus, da ist die Welt mit ihren Systembrüchen kompliziert geworden. Wer mit der Frage, wo er was wie lange hoch laden darf, sieben Lebensjahre verbracht hat ohne etwas Neues zu releasen, erreicht irgendwann den Overkill-Moment und will nur noch eines: so viel es geht gleichzeitig unter die Leute bringen.

20 Tracks zählt also diese Wundertüte "Cabin In The Sky". Das wonnige Werk ergibt von hinten wie von vorne gehört Sinn und macht jeweils gleich viel Spaß. Von hinten her kehrt sich Track Eins zum Disclaimer um: Da krähen alle nacheinander, dass sie mitgemacht haben. Von vorne angehört, dient dieser Opener als sympathisch ausschweifende Begrüßung, alle winken akustisch: "Cabin Talk (Album Intro) ft. Giancarlo Esposito". Beat- und Scratch-Meister zählt man jetzt drei. Zwei sind Stars und Teil der aktuellen Retro-Legenden-Welle, Pete Rock und DJ Premier. Der dritte ist Super Dave West. Bereits "And The Anonymous Nobody..." und "The Grind Date" hat er mit De La Soul angefertigt.

Wer ebenfalls mitmischt, damit das MC-Duo nicht so einsam spittet und ordentlich Leben in die Bude kommt, sind Bilal, Black Thought von den Roots, Conscious-Kollege Common, schon in den '90ern an De La Souls Seite gewesen, Dr. Gina Loring, Auftrags-Autorin der US-Botschaften unter Obama, Schreib-Coach und alte Freundin von Pos, außerdem Killer Mike von der Run The Jewels-Front, und der Initiator der Platte, Nas. In weiteren Rollen treten ans Mic, qualitativ bereichernd statt fürs bloße Namedropping: Slick Rick, Q-Tip von A Tribe Called Quest, Yukimi von Little Dragon und Yummy, Patentochter von Chaka Khan und Ko- und Background-Sängerin seit "AOI: Bionix"-Tagen usw. usf. Was mehr kann man wollen?

Einst hieß der Überbau für einige dieser Artists mal Native Tongue Posse. Von dieser ganzen Idee, jenseits von Gangster-Rap im Kollektiv smarte Jazz-Raps mit ein bisschen Funkyness, Hardcore, spielerisch kreativen Interludes und enorm viel Wortanteil zu veranstalten, lebt erstaunlich vieles hier wieder auf. Ob es ohne Nas zu diesem bunten Werk gekommen wäre, stellt sich dabei die Frage. Sein Label Mass Appeal verfolgt den Anspruch, lebende Legenden wieder zu motivieren.

Diese Legenden waren und sind Könner. Auf der Sound-Ebene von "Cabin In The Sky" fallen die vielen Spoken-Outros und Intros, teils kleine Hörspiele und der stete Einsatz von Gesang, einmal sogar von der Gospel-Gruppe K. Butler & The Collective auf, sowie etliche exzellente Scratch-Passagen, zum Beispiel jeweils am Ende der Tracks "Sunny Storms" und "EN EFF ft. Black Thought". Die Brücke zum Jazz schlagen die New Yorker mindestens so toll wie in ihren Anfängen, nehme man die soul-jazzigen Keyboards von "Run It Back!! ft. Nas" oder diese Easy going-Sunshine-Stimmungen, die sich so sehr nach Samstagen anhören, den Tagen der Freiheit, wie im mellow flowenden Track "Day In The Sun (Gettin' Wit U) ft. Q-Tip + Yummy", wiederum in "EN EFF ft. Black Thought" oder im Mittelteil von "Just How It Is ft. Jay Pharoah + G. Donkin".

Auf dem Level der Lyrik ergeben sich zahllose ästhetische Stellen. "The future tastes good - serve it on a plate / and when it tastes bad, tapestry of fate", das strahlt ironisch-optimistische Gelassenheit aus. "Some do it for the culture / We do it for cultivating ya minds", markiert einen weiteren Moment, in dem es 'hoppla!' im Kopf klickt. Das heißt in etwa: Manche rappen demnach, um das Erbe der East Coast Rap-Kultur zu pflegen, unabhängig davon, was in diesem Bestreben beim Publikum ankommt, l'art pour l'art. De La Soul sehen ihren Auftrag jedoch in der Bildung.

Die Herzensbildung der Platte nimmt sich eigentlich, so das Label, den Umgang mit der Trauer um Nahestehende, Verstorbene, zum Thema, die Frage, auch, wie man wieder Kraft schöpft trotz der eingerissenen Lücke. Pos und Maseo verspüren diese ja selbst beim Rappen, traf der Tod ihres dritten Mannes sie doch unerwartet und quasi kurz vorm erkämpften Höhepunkt der letzten 20 Jahre, als sie endlich die Zusage hatten, ihre Katalog-Alben auf den Streaming-Diensten zu veröffentlichen.

Das nächste Wörter-Glanzlicht: "Funny - an adjective! Providing fun causing amusement or laughter", heißt es in einem Exkurs übers Lachen. "Squeeze lemons on every word they speak" sticht als schnuckelige Metapher gegen Ende des Tracks "Cruel Summers Bring Fire Life!! ft. Yukimi" hervor. "I don't even trust the word man", keift eine erboste Frau im lebhaften "Just How It Is ft. Jay Pharoah + G. Donkin", und dann gibt es einen Wortwechsel, in dem der um sie werbende Mann förmlich das Blaue vom Himmel verspricht "I promise you, you'll have a brighter day in the sun" und sie erwidert "so what are you? The weatherman?!" Kinderstimmen bereichern zum Beispiel "Palm Of His Hands ft. Bilal" und "Day In The Sun (Gettin' wit U) ft. Q-Tip + Yummy", und alleine das "Sorry Mummy" hier ist schon wieder ein Highlight.

Ein Stein passt auf den anderen. Sogar das Remake des Conscious-Rap-Prototyp-Hits "The Message" von Grandmaster Flash in Form von "Don't Push Me" fügt sich treffsicher als Pointe in die Tracklist ein. Als Anspieltipp sei speziell das schicke Keyboard-Stakkato mit Funk-Bläserriff-Sample, created by Pete Rock, empfohlen, im Ohrwurm "The Package", für den Pete bei Curtis Mayfield wilderte. Das Original "Seven Years" (1969) mit den Impressions verwurstet er hier sehr geschickt.

Wo auch immer sie die Aufnahme raus gezogen haben, sie enthält posthum auch Trugoy - für die Jüngeren: das heißt Joghurt/Yogurt rückwärts buchstabiert. Manche Aussagen des Songs fände auch Meister Curtis cool: "Revival and conscious survival / The content is beyond lists and idols / Use scar tissue to wipe tears / Hiding amongst the blood and sweat (...) 'Talk less, listen more', that's the saying right here / Those who wanna try us, play it right here / step to us with a Goliath, got a David right here." - Spiritueller Existenzkampf, Leidenschaft, eine Chance für David gegen Goliath - treffender könnte wohl auch Mayfield seinen Wertekatalog kaum formulieren.

De La Soul unterstreichen ihr eigenes Erbe würdevoll, liebevoll, einfach toll. Sie liefern fern von Populismus oder Simplizität eine lange und intensive Platte mit starkem Adressaten-Bezug. Immer wieder ziehen sie die Listeners einen Track weiter, bauen Stellen ein, die formal oder verbal aufmerken lassen und halten die ganze Sache interessant. Dass es dabei nun nicht zu Innovationen kommt, ergibt sich schon aus dem eigenen Anspruch der Serie "The Legend Has It...", in der bereits Raekwons "The Emperor's New Clothes" und Mobb Deeps "Infinite" erschienen. Aufgrund des guten Geschäftssinns von Nas wird es 2026 auch Vinyl von "Cabin In The Sky" geben. Das lohnt sich und wird den investierten Mühen gerecht, denn als lobenswert erweist sich an vielen Stellen auch die Soundqualität.

Die New Yorker fügen ihrer Diskographie wieder ein starkes Werk hinzu, das im positiven Sinne an die ersten vier CDs anknüpft, aber auch auf Personal jüngerer Werke setzt. Und das Beste ist: Trotz bitterer Erfahrungen haben Maseo und Posdnuos sich ihren Humor aus den Anfängen bewahrt. Galgenhumor braucht es heute auch für Independent Music, und von daher haben die beiden sicherheitshalber vor anderthalb Jahren einen Donut-Laden eröffnet, in den sie hier einen Einblick geben - mit illustrer Kundschaft. Irgendwie schade, dass es dieser Track nicht mehr auf die Platte geschafft hat.

Trackliste

  1. 1. Cabin Talk (Album Intro) ft. Giancarlo Esposito
  2. 2. Yuhdontstop
  3. 3. Sunny Storms
  4. 4. Good Health
  5. 5. Will Be ft. Yummy Bingham
  6. 6. The Package
  7. 7. A Quick 16 For Mama ft. Killer Mike
  8. 8. Just How It Is ft. Jay Pharoah + G. Donkin
  9. 9. Cruel Summers Bring Fire Life!! ft. Yukimi
  10. 10. Day In The Sun (Gettin' Wit U) ft. Q-Tip + Yummy
  11. 11. Run It Back!! ft. Nas
  12. 12. Different World ft. Gina Loring
  13. 13. Patty Cake
  14. 14. The Silent Life Of A Truth
  15. 15. EN EFF ft. Black Thought
  16. 16. Believe In Him ft. Lady Stout + K. Butler + The Collective
  17. 17. Yours ft. Common + Slick Rick
  18. 18. Palm Of His Hands ft. Bilal
  19. 19. Cabin In The Sky
  20. 20. Don't Push Me

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT De La Soul

Als die drei Jungs Dave, Maseo und Pos aus dem New Yorker Stadtteil Long Island mit ihrem Debüt-Klassiker "3 Feet High And Rising" im März 1989 auf …

Noch keine Kommentare