laut.de-Kritik

Die Wehmut schleicht sich in jede Line.

Review von

Prodigy klingt auf den recycelten Versen des neunten Mobb Deep-Albums steif, oberflächlich und langsam. Trotzdem ist "Infinite" das beste Mobb-Werk seit "Murda Muzik".

Kurze Zeitreise: Ende der 90er lösen P. Diddys Bad Boys, Jiggas Rocafellas und DMX' Ruff Ryders die klassischen Boom Bap-Beats in New York ab. Auch Mobb Deep reagieren nach den beiden harten Klassikern "The Infamous" und "Hell On Earth" auf die cluborientierten Trends und adaptieren 1999 auf ihrem vierten Werk "Murda Muzik" Soul-Hooks und Synthies für ihren Sound. Havoc tritt zudem am Mic aus dem Schatten Prodigys, und ein gewisser Alchemist liefert seinen ersten Beat für das Duo ab ("Thug Muzik"). Der Producer-Rookie lernt als Protegé von DJ Muggs, der im Zuge seines "Soul Assassins"-Projektes die Kontakte mit Queensbridge intensiviert, Mobb Deep kennen und lieben.

Das Resultat ist ein Album des Übergangs zwischen Generationen, das Street Rap, Havoc' Drum Patterns, böse Loops mit souliger Wärme und Groove verbindet. Genau diesen Vibe nimmt "Infinite" auf und führt ihn hin zu den Griselda-, Rome Streetz und Stove God Cooks-Fans der Gegenwart.

Die bekannte Street-Single "Against The World" eröffnet das Album mit dem beschriebenen Mix aus klarer Ansage im Hook "It's Mobb Deep against the world / You want war? I'll take you to war", Havocs tickender High-Hat, vollen Drums, Chor-Cut und melancholischem Bläser-Loop. Grown Man Music - und die Wehmut schleicht sich in jede Line. Auch der Opener auf "Murda Muzik" - "Streets Raised Me" - brach mit R'n'B-Hook und harmoniesüchtigen Klavier-Klängen mit dem einstigen, dunklen Winter-Vibe.

Ausgerechnet der Alchemist droppt mit "Gunfire" den typischsten Mobb-Song auf "Infinite". Die Bässe pumpen tief, die Loops kratzen wie Fingernägel an Gefängniswänden, Schüsse fallen im Hintergrund, Prodigys Flow funktioniert perfekt und Havoc positioniert sich einmal mehr als ernstzunehmender Emcee ("My burners reach like warheads to foreheads / Meanin' they all dead, I'm that forebearer / First to let you know we livin' in a soft era"). Zum Schluss treffen sich "G.O.D Pt. III"-Sequenzen mit Cypress Hill-Zitat. Lick a shot!

Drei weitere Beats steuert Alchemist zu "Infinite" bei. Während Havocs mit straighten, einfachen Strukturen den Kopf nicken lässt, bastelt Al wieder komplexeren Stuff. Auf "Taj Mahal" hypnotisiert mit einem gepitchten, leicht asiatisch angehauchtes Vocal-Cut, während hinter den Bässen immer wieder neue Klänge auftauchen.

"Score Points" beginnt klassisch. Zerstückelte Drums paaren sich mit einem heulenden Gitarrenriff, doch während Boldy James und Co über diesen Beat rappen, switcht der Track in einen 90er Klavier-getriebenen Kopfnicker. Zu guter Letzt pitcht The Alchemist für "My Era" einen Breakbeat runter und legt Filmusik straight outta einem Sci-Fi-Thriller drüber.

Man kann es allen drei Künstlern nicht hoch genug anrechnen, dass sich ein einst externer Produzent nahtlos und ohne bekannten Stress in eine so enge Freundes- und Band-Beziehung einfügt. Man stelle sich vor, Solar wäre damals Teil von Gang Starr geworden. Nicht zuletzt dem Alchemist haben Mobb Deep, aber vor allem Prodigy, es zu verdanken, dass Letzterer trotz großer gesundheitlicher Probleme und dem fallenden Stern des Big Apple so lange relevant und anerkannt bleiben konnte.

Seine Krankheit führte in den 2010er Jahren bis zu seinem Tod 2017 dazu, dass Prodigy nicht mehr so rappen konnte wie früher. Weder hält die Stimme noch die Konzentration für doppelbödige Punchlines das frühere Level. Seine Solo-Karriere in den späten Jahren lebt eher von seinem Charisma und dem Aufstieg des Alchemist zum Alltime-Producer.

Trotzdem, und das ist ein Testament für den Status von Mobb Deep in der Musikgeschichte, umarmt "Infinite" alle Rap-Fans - mit kleiner Mithilfe superber Gastauftritte. Meistens diggt Havoc tief im "Murda Muzik"-Vibe. "Easy Bruh" zieht das Uptempo an jenseits der 90 Bpm. Für "Look At Me" holt er die Orgel vom "Allustrious"-Track aus der MPC, während The Clipse weiter auf höchstem Niveau spitten.

"It's Mine" mit Nas, die damalige Single und erster kommerzieller Club-Versuch, hört nun auf den Namen "Down for You" und "Down For You Part 2", beide ebenfalls mit dem God's Son wie auch die Eastcoast-Hymne "Pour The Henny". Auch Big Noyd darf beim großen Revival of the Fittest mit seinem klassischen Straßentalk ("The M. The O. The B. The B.") genauso wenig fehlen wie das Storytelling von Raekwon und Ghostface auf dem mit bekannten Geisterchören unterlegten Boom Bap in "Clear Black Nights".

"Infinite" ist nicht nur das beste Mobb Deep-Album seit "Murda Muzik", es ist auch das beste Album der aktuellen Legendenserie von Mass Appel Records und das beste posthum veröffentlichte Rap-Album seit langer Zeit.

Trackliste

  1. 1. Against The World
  2. 2. Gunfire
  3. 3. Easy Bruh
  4. 4. Look At Me feat. Clipse
  5. 5. The M. The O. The B. The B. feat. Big Noyd
  6. 6. Down For You feat. Nas and Jorja Smith
  7. 7. Taj Mahal
  8. 8. Mr Magik
  9. 9. Score Points
  10. 10. My Era
  11. 11. Pour The Henny feat. Nas
  12. 12. Clear Black Nights feat. Raekwon and Ghostface Killah
  13. 13. Discontinued
  14. 14. Love the Way (Down for You Part 2) feat. Nas and H.E.R.
  15. 15. We The Real Thing

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