laut.de-Kritik

Praktikum im Aerosmith-Camp.

Review von

"Netter Typ, aber scheiß Musik" ist wohl die populärste Meinung im Heavy Metal-Lager kommt die Sprache auf Yungblud. Irgendwie scheint der Emo-Pop-Punker die Oldschool-Rock-Welt zu infiltrieren – nicht zuletzt, weil er mit "Changes" einen Gänsehaut-Moment beim Black Sabbath-Gig abgestaubt hat. Jetzt macht er also Praktikum im Aerosmith-Camp, und bei "One More Time" lohnt es sich, alle Antipathien und Sympathien außen vor zu lassen. Denn das Ding funktioniert. Wenn auch ziemlich weichgewaschen.

Der Opener bringt eine Americana-Attitüde, die man nicht ganz greifen kann: weiche Gitarren, ein treibender Bass, hymnische Vocals. Steven Tyler legt los, als hätte er erst gestern spontan beschlossen, Rockstar zu werden – und entpuppt sich als Naturtalent, das noch nicht eingerostet ist. Yungblud singt in einer ähnlichen Tonlage wie Tyler, so dass das Duett fast nahtlos wirkt. Keine großen Brüche, keine epischen Arrangements – einfach ein eingängiger Ohrwurm mit zartem Soft Rock‑Schleier. Funktioniert gut, auch wenn es in Sachen Komplexität Abstriche macht. Von Tylers Stimmbandverletzung ist nichts mehr zu spüren, trotzdem wird hier keine "Dream On"-Keule ausgepackt, eher ein zurückhaltender, eleganter Mittelweg.

Der zweite Track ist genauso luftig wie der Opener: leicht, alles wirkt harmonisch, friedlich. Dann schleichen sich zwischendurch rockigere Elemente ein, ein aufblitzendes Gitarrenriff, vielleicht ein energischer Break – immerhin. "Problems" ist ein Pop-Song mit Rock-Flavour, der aber nie ganz aus seiner Komfortzone ausbricht. Der Titel suggeriert leider mehr Tiefe, als dann am Ende tatsächlich auf dem Tisch liegt.

Bei "Wild Woman" versucht man, mehr Hymne zu machen, und bleibt gerade dadurch zu rund, zu sehr radiotaugliches Gold. Die Ballade hat Herz, sie hat Pathos, aber sie knallt nicht richtig. Emotion ist da, aber dieser Song hätte mehr Ecken und Kanten vertragen. "A Thousand Days": Langsamer, akustisch, fast Western‑Folk‑Vibes. Man hört eine reduzierte Gitarre, eine gewisse Nostalgie, ein bisschen Lagerfeuer-Stimmung.

Die EP schließt mit einer Überarbeitung des Aerosmith-Klassikers "Back In The Saddle". Die Idee ist charmant, klar – Titelauswahl vermutlich bewusst gewählt angesichts Tylers Comeback. Doch hier zeigt sich das Problem: die Überproduktion. Es passiert so viel, dass es gleichzeitig an Klarheit mangelt. Statt auf das Fundament des Originals zu setzen, wird alles übereinander geklatscht: Gitarren hier, Overdubs da, Gesangsüberlagerungen – weniger hätte mehr bedeutet. Man spürt die Ambition, aber verliert dabei den rauen Glanz, der das Original stark machte.

"One More Time" ist eine oberflächlich spaßige Collab-EP, die wirklich Laune macht – wenn man bereit ist, die inszenierte Rock-Politik auszublenden. Aber der große PR‑Zirkus, der mit dieser Verbindung betrieben wird, spiegelt sich leider nicht immer in der Substanz der Songs wider. Die EP gibt alles her, nur nicht die Aufregung, die man heimlich erhofft hat.

Trackliste

  1. 1. My Only Angel
  2. 2. Problems
  3. 3. Wild Woman
  4. 4. A Thousand Days
  5. 5. Back In The Saddle (2025 Mix)

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