laut.de-Kritik
Die "schwer Vermittelbare" bringt ihre Zerrissenheit auf den Punkt.
Review von Dominik LippeIhre Reaktion fiel geradezu wohltuend aus. Während so mancher Pappenheimer des Deutschrap-Zirkus gleich mit Morddrohungen auf Reviews reagiert, setzte Dea Bbz zur zivilisierten Gegenrede an. Es gehe darum, "die Ekligkeit und Zerstörung aufzuzeigen, nicht darum, Prostitution zu verherrlichen, um den Konsum zu erleichtern", kommentierte die Rapperin schmerzlich offen unter dem Beitrag zu "YOB". "Ich sehne mich nicht nach einem bürgerlichen Leben, sondern danach, nicht jeden Tag sterben zu wollen. Das hat nichts mit dem Bedürfnis nach 'Bürgerlichkeit' zu tun."
Die fehlende "innere Balance" ihrer EP bestätigte sie indes. "Genau das war gewollt. Authentischer geht es nicht, als beide Extreme aufzuzeigen, die ich bin. Ich will die Welt abfackeln und zugleich einfach nur geliebt werden." Die widerstreitenden Pole arbeitet Dea Bbz nun noch deutlicher in der gänzlich von Asadjohn produzierte EP "Trackstar" heraus. "Tanz' Tango mit dem Teufel, fühl' mich wie im siebten Himmel", setzt sie etwa in "Dauerregen" auf die starke Wirkung von Kontrasten. "Manchmal leb' ich mein' Traum und manchmal steh' ich an der Klippe."
"Trackstar" fährt die Gegensätze vortrefflich auf. Das Instrumental kombiniert standfesten Trap mit fragilem Flirren, während Dea Bbz konzentriert und entschieden rappt, ohne ihr depressives Grundrauschen einzubüßen. So räumt sie auch mit psychischer Schlagseite gelangweilte Besitzstandswahrer aus dem Weg. "Mach's dir nicht zu bequem. Ich bin bekannt, dass ich's dir wegnehm'", kündigt sie im Titelsong an, immerhin habe sie "kein Ziel außer Vorfahrt zu nehmen". Und da mit purer Liebenswürdigkeit die Grenzen des eigenen Aufstieg schnell erreicht sind, fährt sie andere Geschütze auf.
Gewalt scheint dabei weniger für Notlagen reserviert, als vielmehr ein beständiger Begleiter zu sein. "Ich hau' drauf. Adern platzen an geweiteten Pupillen", heißt es gleich zu Beginn. Wo OG Lu und Chan Le den fairen Kampfsport propagieren, fährt Dea Bbz kompromisslos die Ellenbogen bis zum Anschlag aus. In "Hoes Im Club" zielt sie aufs "Brustbein", in "31" setzt es "Punches in die Fresse", in "Dauerregen" verteilt sie einen "Drehkick" und in "Lava" reicht schon ein bestimmter Habitus aus, um ihr Blut zum überkochen zu bringen: "Seine Penner-Yuppie-Fresse klatsch' ich weg mit einem Tiefschlag."
Als erweiterte Machtdemonstration hat sich bei der Rapperin die sexuelle Demütigung etabliert. "Pisser suchen nach der Clit wie die in 'Blair Witch' nach der Hexe. Rubbelt an der Schamlippe. Lutsch' mal Schwanz lieber stattdessen", ätzt sie gegen Lowperformer in "31". Zugegebenermaßen degradiert sie mitunter auch lustig wie im Titelsong: "Rapper haben Stock im Arsch und heulen trotzdem bei Ass-Play." Das druckvoll produzierte "Hoes Im Club", das auf sirenengetriebene Eskalation setzt, fällt als eher inklusiver Gegenentwurf da fast aus dem Rahmen: "Auf drei Räumen tanzen tausend Geschlechter."
Eher wie in Trance arbeiten sich Asadjohn und Dea Bbz in "Sohn" an der "korrupten Musikindustrie" ab, wie es im Pressetext heißt. Das wirft durchaus Fragen auf. "Die Branche pisst ans Bein, ich kack' zurück mit Kinnhaken", geht noch als Teil der ewig gültigen Distanz zwischen künstlerischer Idee und geschäftlichen Interessen durch. "Pop-Songs machen, Labels blasen, bestenfalls noch nichts zu sagen, A&Rs in den DMs wie Fuckboys." Punktuell führt sie ihr anästhesierter Vortrag aber auch in jene paranoide Gefilde, in denen sich so einige ihrer Kollegen verirrt haben: "Sie wollen mich klein halten."
Das sind aber nur kleinere Makel einer durchgehend spannenden EP, in der sie die verschiedenen Seiten ihrer eigenen Zerrissenheit noch kunstfertiger auf den Punkt bringt als auf "YOB". In einer zunehmend geruhsamen Szene, in der selbst Rapperinnen und Rapper, dich sich selbst als kämpferisch oder feministisch ansehen, weitgehend beliebig auftreten oder schlicht den Vorgaben des Marktes folgen, wirken die unverfrorenen Ansagen von Dea Bbz belebend. Dass sie da umgehend als "die schwer Vermittelbare" gilt, nimmt sie gerne in Kauf.
3 Kommentare
Gutes Ding, 4/5 gehen klar.
Dieser Kommentar wurde vor 3 Tagen durch den Autor entfernt.
Zweite gute Ep dieses Jahr und mit Kitana das Beste, was Deutschrap 2025 zu bieten hat. YOB hat mir noch besser gefallen, aber es macht sehr viel Spaß, sie rappen zu hören.