laut.de-Biographie
Echt
Es ist der Wahrheit gewordene Traum jeder Schülerband - die Karriere von Echt: Raus aus der Schule, rein in die Charts. In England ist so etwas gar nicht ungewöhnlich, viele UK-Bands nehmen schon in jungen Jahren ihre besten Platten auf. Und so ist es irgendwie auch kein Wunder, dass der Aufstieg der Flensburger mit einem Umweg über das Mutterland der Popkultur beginnt.
Im Rahmen eines Schüleraustauschs fahren Kim Frank (Gesang), Kai Fischer (Gitarre), Andreas Puffpaff (Bass) und Florian Sump (Drums) 1994 nach Carlisle und finden mit ihrem Mix aus Coverversionen und eigenen Songs erste Freunde. Ein Jahr später, inzwischen verstärkt von Keyboarder Gunnar Astrup, geht es wieder rüber. Im Gepäck: Eine erste, selbst produzierte und finanzierte CD, von der die Jungs bei zwölf Gigs immerhin knapp 1.000 Exemplare verkaufen.
Nun wird man auch im langsameren Deutschland auf die Gruppe aufmerksam: Das Hamburger Label Laughing Horse Music nimmt Echt unter Vertrag und Franz Plasa, bekannt als Produzent von Selig, Stoppok und Falco, produziert mit der Band die Single "Alles Wird Sich Ändern (Wenn Wir Groß Sind)", die im Frühjahr 1998 erscheint. Und prompt ändert sich alles, nur viel früher. Die Single schlägt in den Redaktionen von Viva, Bravo und Konsorten voll ein. Fünf schnuckelige 15- bis 17-Jährige, die ihre Instrumente beherrschen und einen genial gestrickten Ohrwurm abliefern, lassen all die üblichen Teenie-Pop-Klone gehörig alt aussehen. Der Hype rollt an, das Video rotiert heftig, die Jugend-Presse hyperventiliert.
Die Jungs zeigen sich nach außen hin unbeeindruckt und liefern Ende des Jahres ihr selbstbetiteltes Major-Debüt ab. Das Album "Echt" unterstreicht ihre Fähigkeit, eingängige Gitarrenpop-Songs zu schreiben. Sie machen ihrem Namen somit alle Ehre, der Charterfolg ist verdient. Ihre Live-Qualitäten beweisen Echt nicht nur auf zahlreichen Gigs, sondern auch auf der im April 1999 erschienenen EP "Live bei Overdrive". Bereits ein halbes Jahr später steigen Echt mit ihrem zweiten Studioalbum "Freischwimmer" von null auf eins in die deutschen Charts ein.
Mit ihrem dritten Album "Recorder" schwimmt sich die Band tatsächlich frei und verzichtet auf Songschreiber von außen. Die Jungs übernehmen nun auch die Verantwortung im kreativen Bereich. Mit den jungen Erwachsenen und ihrem neuen Produkt können ehemalige Verbündete und Förderer wie die Bravo jedoch immer weniger anfangen. Das Album floppt und die Tickets für die sich anschließende Tournee verkaufen sich nur schleppend. Die Band befindet sich auf dem absteigenden Ast.
Ein kleiner Marketinggag von Kim Frank zum Video der Single "2010" befördert den Sänger im Adamskostüm geradewegs von der Reeperbahn auf Seite 1 der Bild-Zeitung. Zudem bugsiert seine damalige Beziehung mit Viva-Moderatorin Enie van de Meiklokjes die Band in die Klatschspalten. Eine Auseinandersetzung mit der Musik findet immer seltener statt. Den medialen Tiefpunkt bildet ein Auftritt des Sängers bei Harald Schmidt im Herbst 2001, der Hohn und Spott nach sich zieht. Frank sagte u.a., dass er nicht wisse wo "Taliban" liege, was Schmidt entsprechend kommentiert.
Ironie des Schicksals: Nach Veröffentlichung der Single "Stehengeblieben" im Jahr 2002 tendiert das Interesse an der Band gegen Null und kaum einer bekommt mit, dass sich die einstmals erfolgreiche Band aufgelöst hat. Die einzelnen Mitglieder ziehen sich aus der Öffentlichkeit zurück. 2005 meldet sich Sänger Frank zurück. Im Kinofilm "NVA" von Leander Haussmann übernimmt er eine Hauptrolle als Soldat an der Seite von Detlev Buck. Zudem synchronisiert er einen Zeichentrickfilm. Für das Frühjahr 2007 zeichnet sich auch ein erstes Soloalbum ab, nachdem er vorher bereits mit der ersten Singleauskopplung "Lara" bei Raabs Bundesvision Song Contest gut abschneidet. "Hellblau" erscheint im März 2007 und bleibt sein einziger Soloausflug.
Auch Drummer Florian Sump hat im Folgejahr sein Soloalbum am Start. Unter dem Pseudonym Jim Pansen veröffentlicht er "Jim Pansen Und Die Verbotene Frucht". Ab 2010 geht es dann richtig nach oben mit seiner Karriere: Die Idee, Hip Hop-Songs für Kinder zu komponieren, erweist sich als spektakulär. Deine Freunde treten zehn Jahre nach ihrer Gründung in größeren Hallen auf, als es Echt früher vergönnt war.
2023 nehmen Echt ihre ebenfalls erwachsen gewordenen Fans von einst überraschend mit auf eine schöne Nostalgie-Rutsche. Kim Frank, mittlerweile erfolgreicher Video-Regisseur von u.a. Udo Lindenberg, Jochen Distelmeyer und Mark Forster, konzipiert mit "Unsere Jugend" eine dreiteilige, in der ARD-Mediathek abrufbare Dokumentation, die die Karriere von Echt wiederauferstehen lässt. Es ist eine rührende Geschichte über Freundschaft, Trennung und Erwachsenwerden im Rampenlicht geworden, für die Frank bis zu 240 Stunden Privataufnahmen sichtete. Bei der Filmpremiere im Festsaal Kreuzberg in Berlin erhalten Kim, Kai, Puffi, Gunnar und Flo vom begeisterten Publikum Standing Ovations - wie früher eben.
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