laut.de-Kritik
Musikalisches Reifezeugnis: toller Pop, entzückende Balladen und kräftiger Rock
Review von Gurly Schmidt"Freischwimmer" heisst das Album, das zweite der Flensburger Schulcombo Echt, die damit wohl beschlossen hat, ihr Reifezeugnis musikalisch abzulegen und die Schule lieber überreif werden zu lassen.
Und sich freischwimmen, das tun die Jungs tatsächlich: von netter Teenie-Mucke (ihr "Seepferdchen" legten sie mit ihrem ersten Album "Echt" ab) hin zu erstaunlich gereifter Musik, sie schwimmen sich textmäßig frei von alten Lieben und Banklehren und auf Welle Nummer eins der deutschen Charts schwimmen sie nun auch bald in Geld.
Recht so, denn produziert hat Franz Plasa (Selig und Falco) wirklich intelligent, die Musik bietet tollen Pop, entzückende Balladen und kräftigen Rock, runde Melodien und Texte, die - weil deutsch - wider Erwarten nicht peinlich sind, sondern auf eine angenehme Art Wichtiges und nicht so Wichtiges auf den Punkt bringen.
"Denn Du trägst keine Liebe in dir..." singt Kim, und ziemlich bald fängt man an, dieses "Du" (diese blöde Schnalle) zu hassen und sich zu freuen, dass der dies erkennende und ergo gefühlsvolle, von den Streichern des London Session Orchestras begleitete Sänger trotz Goldenem BRAVO-Otto und ZDF-Hitparaden-Erfolg sich noch so intensiv mit Beziehungen auseinandersetzen kann.
"Es geht vorbei" knüpft thematisch sowohl an den vorherigen Track an als auch musikalisch unverkennbar an Selig, aber das ist erstens nicht schlimm, zweitens siehe Produzent und drittens waren Selig für Echt besonders inspirierend und das soll man auch hören. "2010" geht prima rockig rein und verrät, dass Echt im Jahre 2010 aufhören werden, Musik zu machen, eine Banklehre anfangen und dann Kinder kriegen werden, aber wahrscheinlich interpretiere ich das jetzt eh ganz falsch und gehe lieber zum nächsten Lied über, zu dem aber so viel auch nicht zu sagen ist, ausser, dass es nur "Halbwegs" gut ist.
Herauszuheben wäre dann noch "Romeos": poppig, lustig, transpirativ ("...wenn ich in der U-Bahn sitze / zwischen schwitzenden Männern schwitze...") und wunderbar eingängig sowie die Schlußbalade "Weinst Du", die den Kreis der Beziehungsprobleme der Anfangsstücke lückenlos schließt, die Gefühle nichtsdestotrotz nochmals aufwallen lässt, was dazu führt, dass man die Scheibe nochmal anhören muss und sich sehnlichst wünscht, jemand würde die so erzeugte Träne auch so liebevoll wegküssen, wie das da in dem Lied so besungen wird.
Scheiß beseite - "Freischwimmer" ist eine Ladung guter deutscher Musik einer beachtlichen deutschen Band, die uns hoffentlich bis mindestens 2010 erhalten bleibt.
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