laut.de-Kritik
John Rambo lädt zum Candlelight-Dinner.
Review von Manuel BergerBring Me The Horizon eröffneten das Jahr mit "amo" und etablierten sich als ehemaliges Core-Aushängeschild im Rock/Pop-Mainstream. Jetzt, zehn Monate später, versuchen Eskimo Callboy, es ihnen mit derselben stilistischen Masche nachzumachen. Zwar streuen sie noch immer vereinzelt Screams in ihren Electropopcore, mehr als ein schwacher Fade-Out aus 2019 gelingt ihnen dabei aber nicht.
Ohne den Castrop-Rauxelern etwas Falsches unterstellen zu wollen: Schon die Kombination aus kurzem, elektrifiziertem Intro und verhältnismäßig hart riffendem Opening-Track ("Take Me To"/"Rehab") atmet zu viel "amo"-Luft, um den Vergleich nicht zu zücken. "Okay" klingt, als haben Eskimo Callboy zwei bestehende BMTH-Songs ("Wonderful Life", "Heavy Metal") geübt, ein bisschen umgeschrieben und die Arrangements vermengt.
Das gleiche Phänomen lässt sich auch bei "Lost", "Supernova" und "Disbeliever" beobachten. Bei letzterem schließen sie immerhin annähernd zum Level ihrer scheinbaren Inspirationsgeber auf. Die anderen genannten Songs versinken mit abgestandenen Alternative und konturlosen Core-Versatzstücken einfach in der Belanglosigkeit. Dort wartet schon das mehr gen Linkin Park schielende "Made By America".
Eins gucken sich Eskimo Callboy dann aber doch nicht bei Bring Me The Horizon ab: den Verzicht auf Shouts. Sie schreien immer noch munter dazwischen, obwohl auf "Rehab" bis auf wenige Ausnahmen wie "Hurricane" nur ihre Klargesangsparts zu tragenden Songelementen taugen. Dass die Screams kaum mehr als ein Alibi sind, um alte Fans nicht endgültig zu vergraulen, zeigt zum Beispiel "It's Going Down". Eine völlig überflüssige Minute lang rühren die Callboys ziellos verschiedenste Zutaten ineinander: Stimmbandmassaker on top, dazu ein paar Synthies, viel Distortion auf den Gitarren (ohne Riffs, klar) und Streicher.
In Songform gibts das gleiche Prinzip später noch einmal: Ohne kompositorischen roten Faden springen Eskimo Callboy bei "Nice Boi" von Screamo-Bumms zu Akustikgitarre zu Nu Metal-Rap und wieder zurück. Der Song wirkt ungefähr so nachvollziehbar wie eine Filmszene, in der John Rambo mitten Blutrausch Pause macht, kurz auf dem Schlachtfeld ein Candlelight-Dinner organisiert, vor dem Dessert doch noch ein paar Feinde niedermetzelt, dann aber doch lieber Discokugel und Tanzschuhe rausholt. Funktioniert höchstens als Parodie, und das wollen Eskimo Callboy auf "Rehab" leider nicht sein.
Immerhin einen positiven Nebeneffekt haben "It's Going Down" und "Nice Boi" bei aller musikalischen Verzichtbarkeit: Sie rütteln auf, wenn auch aus den falschen Gründen, und provozieren ein Fragezeichen in den Köpfen der Hörer. Beim Großteil des Albums bleibt das dagegen aus. Man konnte Eskimo Callboy in ihrer Karriere schon vieles vorwerfen. Mögen musste man sie schon gar nicht, aber langweilig waren sie bestimmt nie. Mit "Rehab" sind sie es nun geworden.
1 Kommentar
Die letzten beiden Sätze treffen den Nagel auf den Kopf. Jetzt, wo sie sich auf einmal ernst nehmen, tritt das schlechte Songwriting in den Vordergrund. "Amo" war erfrischend und handwerklich einwandfrei, "Rehab" ist das Gegenteil.